Freitag, 14.02.2020 / 08:42 Uhr

'Eine ganz besondere Ehr​​​​​e': Iranischer Präsident zeichnet Trierer Philosophen aus

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Gastbeitrag von 'Rosa Salon Trier'

Zwischen Androhungen, Israel zu vernichten und Bemühungen, Proteste der eigenen Bevölkerung niederschlagen zu lassen, nahm sich der iranische Präsident die Zeit, einen Wissenschaftler aus Trier auszuzeichnen. Eine besondere Ehre für die "Karl Marx Universität", die gerade ihr fünfzigstes Jubiläum begeht.

Es ist um den Jahrestag der „Islamischen Revolution“ herum, zu dem die iranischen Revolutionsgarden versuchen, die Massen zu mobilisieren, während vor allem Frauen im benachbarten Bagdad zeigen, was sie davon halten und zahlreiche Künstlerinnen und Künstler sich vom Regime abwenden. Nachdem die Anti-Regime-Proteste innerhalb der iranischen Bevölkerung, bei denen das Regime unter Präsident Rohani allein im November 2019 bis zu 1500 Menschen erschießen ließ, in den letzten Wochen und Monaten immer vehementer geworden waren, fühlte sogar Bundespräsident Steinmeier sich genötigt, die obligatorischen Glückwünsche zur iranischen Revolution nicht zu versenden (was leider in die Hose ging).

Dies alles hält die Universität Trier jedoch nicht davon ab, mit gewohntem Stolz auf einen neuen Preisträger aus dem eigenen Hause zu verweisen: Dr. Andreas Lammer.

 

(Bildquelle: Startseite Universität Trier)

Der Trierer Juniorprofessor für Arabische Philosophie wurde für seine Dissertation über den persischen Arzt und Philosophen Avicenna mit dem angeblich „bedeutendsten iranischen Literaturpreis geehrt“. Abgesehen davon, dass man bei islamfaschistischen, totalitären Regimen wie dem iranischen, in dem Grundbedingungen für die Vergabe eines Literaturpreises wie das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht existieren, nicht von einer unbefangenen und wenigstens vorrangig sachbezogen entscheidenden Jury ausgehen kann (erst recht nicht, wenn sie vom Kulturministerium gestellt wird), fällt vor allem die Preisübergabe ins Auge: Empfangen hat Lammer die Auszeichnung vom „bärtigen Hoffnungsträger mit Herz“, dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani höchstpersönlich.

Zu ihrem 50-jährigen Jubiläum wird der Universität Trier in diesem Jahr damit also eine ganz besondere Ehre zuteil. Ist es doch Rohani, der Israel unter anderem als „Krebsgeschwür” bezeichnet, Proteste der Iranerinnen und Iraner als Verschwörung deutet und in dessen Regierungsperiode sich die Anzahl der Hinrichtungen erhöht und die Menschenrechtslage sogar verschlimmert hat. Zu Rohanis antisemitischem Antizionismus schreibt der Politikwissenschaftler Stephan Grigat:

„Präsident Rohani nimmt seit seinem Amtsantritt 2013 so wie seine Vorgänger regelmäßig am Quds-Marsch in Teheran teil, bei dem seit 1979 auf Geheiß von Khomeini weltweit am Ende des Ramadan für die Vernichtung des jüdischen Staates demonstriert wird. 2017 griff Rohani eine gängige Formulierung von Khamenei auf und sprach ebenfalls von Israel als »cancerous tumor« (Press TV 2017), was er Ende 2018 nochmals wiederholte (Associated Press 2018) und sich kurz darauf demonstrativ mit Ziad al-Nakhala, dem neuen Generalsekretär der Terrororganisation Palästinensischer Islamischer Djihad traf (Official Website 2019), der die Kooperation mit Teheran im Vergleich zu seinem Vorgänger Ramadan Shalah nochmals deutlich intensiviert und der Hamas-Führung im Gaza-Streifen mittlerweile den Rang als wichtigster Verbündeter des iranischen Regimes abgelaufen hat (Shehada 2019).” 

Dass Lammer sich vor diesem Hintergrund über die „große Offenheit und Wertschätzung gegenüber dem europäischen Wissenschaftsdiskurs” im Iran und die Universität sich auf den möglichen „akademischen Austausch zwischen der Universität Trier und den Einrichtungen in Teheran” freut, während die religiöse Minderheit der Bahai im Iran nicht einmal studieren darf und das iranische Regime nicht zuletzt Frauen und Homosexuelle verhaftet, foltert und umbringt, zeigt nicht nur, dass sich Philosophie und Wissenschaft auf der einen und grenzenlose Naivität sowie moralische Prinzipienlosigkeit auf der anderen Seite mitnichten ausschließen. Es verweist auch auf eine unrühmliche antiisraelische und proiranische Tradition an der Universität Trier, namentlich in Form der Gastprofessur Michael Lüders’ (siehe dazu bspw. hier, hier und hier).

Inzwischen sah sich die Universität genötigt, auf erste Kritik an dieser Preisverleihung zu reagieren. Das klang dann so:

"Die Uni Trier versteht den Wissenschaftspreis als ein Angebot des Irans an internationale Wissenschaftler, miteinander in Kontakt zu kommen. Gerade die Wissenschaft sollte Raum für einen sachlichen und ideologisch unbelasteten Austausch bieten."

 


Verfasst in Zusammenarbeit mit: Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung  HochschulgruppeTrier und Schalom Israel