Montag, 09.11.2020 / 18:00 Uhr

Bild aus Moria gewinnt Wettbewerb

Von
Gastbeitrag von Andrea Ehrig
Stay home

Der dritte Platz für dieses Bild: Mit seinem Bild „Stay home- this is my home“ konnte der syrische Flüchtling Muhannad Al-Mandil die  20.köpfige Jury des diesjährigen PR-Bild-Awards überzeugen.

Bild:
Muhannad Al-Mandil

„Bewegend“, „aktuelles Thema“, „Blick an die Außengrenzen Europas“: Mit seinem Bild „Stay home- this is my home“ konnte der syrische Flüchtling Muhannad Al-Mandil die  20.köpfige Jury des diesjährigen PR-Bild-Awards überzeugen.

Aus insgesamt 900 Einreichungen von 243 Unternehmen, Organisationen und PR-Agenturen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, davon 179 Einreichungen der Kategorie NGO wählten sie das Kampagnenfoto der griechischen Organisation Stand by me Lesvos zum dritten Sieger. Bereits zum 15. Mal zeichnete die Tochter der Deutschen Presseagentur dpa herausragende Bilder in insgesamt sechs Kategorien, Portrait, Social Media-Foto, Storys und Kampagnen, Lifestyle, Reisen und Non Governmental Organisation NGO aus. Medienpartner sind die Magazine Horizont und persoenlich.com.

 

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Muhannad Al-Mandil

 

Seit Mitte Mai wartet der 29jährige Muhannad Al-Mandil aus dem syrischen Deir-ez-Zor, der als Fotograf die Aufklärungskampagne der griechischen Hilfsorganisation Stand by me Lesvos begleitete, in Athen auf die Anhörung seines Asylantrags. 

Al-Mandil kam am 29. April 2019 im griechischen Moria-Camp an. Hinter ihm lagen Krieg und nach Überschreiten der türkischen Grenze Monate der Angst, Erfahrungen von Rassismus und Hass. Ich habe damals mit  ihm über seine Erwartungen, die Flucht und seine Zeit in Moria gesprochen: 

F: In Deutschland gibt es einen Song „Mit 17 hat man noch Träume“ - erinnerst Du Dich an Dein Leben zu jener Zeit? 

Al-Mandil: Ja, natürlich. Aber ich möchte mich nicht erinnern. Ich habe Familienmitglieder und Freunde im Krieg verloren. Als der Krieg begann, war ich 20 Jahre alt und damit begann eine blutige Zeit.

Am Anfang war es ein gutes Gefühl, in einem Land ohne Krieg zu sein. Keine Bomben. Keine Leichen auf den Straßen.

Es ist unglaublich, wieviel Blut und Gewalt man ertragen kann, die Straßen waren voll davon. Flugzeuge warfen Bomben, Scharfschützen und Kugelhagel von allen Seiten und Exekutionen auf offener Straße.  In Frieden leben Leben, das war dann der Traum. 

F: Wusstest Du schon, wohin die Reise geht? 

Al-Mandil: Kanada war immer mein Traum. Aber ich hörte schon früh, dass es schwierig ist. Also entscheid ich mich für Europa, auch wenn klar war, dass es lange dauern wird. 

F: Wie war der Aufbruch, war es schwierig das Land zu verlassen?

Al-Mandil: Ich hatte mich schon damit beschäftigt, aber am Ende musste ich vor dem IS fliehen. Sie verhafteten mich, weil ich nicht gebetet habe, sie folterten mich und hielten mich 2 Monate und 10 Tage gefangen. Als ich frei kam, war klar, dass ich das Land verlasse. 

F: Wie war das Ankommen und Leben in der Türkei? Syrern ging es dort lange Zeit vergleichsweise gut - wie hast Du das erlebt? 

Al-Mandil: Am Anfang war es ein gutes Gefühl, in einem Land ohne Krieg zu sein. Keine Bomben. Keine Leichen auf den Straßen. Aber nach eine Weile wurde es schwierig, ich erlebte Rassismus und Hass. Ich lebte in Angst und wollte nur weiter und weg. Ich habe eine Menge probiert und irgendwann hat es geklappt. 

F: Kannst Du Dich noch an Dein Gefühl erinnern, wie Du an der türkischen Küste standest und Griechenland, Europa, schon nah war? 

Al-Mandil: Ich hatte gemischte Gefühle: Trauer; Freude, Zorn, Angst. Ich habe nur geweint, das hat mich ein wenig entspannt.

F: War es schwierig, die Überfahrt zu organisieren? 

Al-Mandil: Das Warten war zermürbend, dazu kam die Angst, erwischt zu werden und im Gefängnis zu landen. Wir haben lange gesucht, bis wir jemanden fanden, der vertrauenswürdige schien. Ich habe mehrere Versuche gebraucht, manche behielten das Geld, einige nur die Hälfte, der letzte Versuch war erfolgreich und hat mich 900 Dollar gekostet. 

F: Wie ging es weiter?

Al-Mandil: Als wir griechisches Gewässer erreichten, entdeckte uns die Küstenwache und brachte uns nach Lesbos. Dort nahm uns die Polizei in Empfang und nach vier Stunden brachten sie uns nach Moria. Das war ein Schock! So viele Menschen! Ich kam mit einigen ins Gespräch und fragte, wie lange sie schon da seien. Manche seit einigen Monaten, aber einige auch seit Jahren. Seit Jahren!! Das ist nicht fair, das hatte ich vorher nicht gewusst. 

Nach zwei Monaten war klar, dass auch ich länger bleiben werde. Es war hoffnungslos. Wir lebten zusammen in einem überfüllten Camp und doch war jeder alleine. Die Menschen gehen zu Bett und keiner schläft erholsam. Im Camp herrschte große Angst, man kann niemandem trauen, jeder ist alleine auf sich gestellt dort. 

F: Du hast einen Winter im Moria-Camp in unwürdigen Bedingungen verbracht. Gab es in dieser Hölle auch Lichtblicke? 

Al-Mandil: Der Winter war kalt. Ich hatte keine warme Kleidung, aber einige Organisationen halfen uns. Aber das Zelt in dem ich lebte, hatte Löcher und war feucht und das Camp voller Ratten und Insekten.

Ich halte an meinem Traum fest: Ich möchte einen Ort, an dem ich frei und sicher leben kann. 

Ich danke den vielen freiwilligen Helfern, die zugehört haben und sich für uns interessiert haben. Sie erzählten von ihrer Heimat und schenkten uns ein Lächeln. 

F: Im Frühjahr wurdest Du selber zum Helfer. Als Mitglied des Moria Corona Awareness Teams MCAT warst Du im Camp unterwegs, um die Menschen über den richtigen Umgang mit Covid19 zu informieren und wurdest als Fotograf entdeckt. Wie war das für Dich? 

Al-Mandil: Meine ersten Bilder machte ich mich dem Smartphone. Auch das Kampagnenbild. Nachdem ein paar Fotos in Magazinen veröffentlicht wurden, bekam ich eine Kamera. Die Menschen sagten mir, dass ich tolle Bilder mache, das hat mir wieder Selbstvertrauen gegeben. Ich fühlte, dass ich wieder neuen Mut schöpfte und es schaffen kann.
Ich stand mit gemischten Gefühlen auf der Fähre nach Athen. Ich hatte Freunde gefunden, das Team fehlt mir. Mein Anwalt sagt, es könne bis zu zwei Jahren bis zur Entscheidung meines Asylantrags dauern. Ich möchte nach Holland und heiraten, aber die Griechen geben mir keine Papiere. Aber hier warten alle. 

Aber ich halte an meinem Traum fest: Ich möchte einen Ort, an dem ich frei und sicher leben kann.