Sonntag, 22.11.2020 / 11:01 Uhr

Der Deutschen ihre Taube

Von
Thomas von der Osten-Sacken
Corona-Maßnahmen

Berlin, 18. November 2020

Bild:
picture alliance/SULUPRESS.DE

Wenn ich mir die Bilder dieser Demos anschaue, dann erinnern sie mich weit mehr an diese ganzen Friedenskundgebungen der 80er Jahre, die „Schröder-halt-durch“ Mobilisierungen gegen den Irakkrieg und die dazwischenliegenden Ostermärsche, als an irgendwelche Faschistenaufmärsche.

Und wer sich schon damals die Statements durchgelesen hat, oft in ganz hasserfüllte Gesichter geschaut, diese passiv-aggressive Grundstimmung kennt, dürfte nicht sonderlich erstaunt sein, dass es Friedenstaube erneut nach Berlin geschafft hat.

Leider symbolisiert sie nämlich in Deutschland etwas, das seit der Friedensbewegung für alles mögliche andere steht: Kumpanei mit Diktatoren, Hass auf die westlichen Alliierten, krudestes Verschwörungsdenken, völkische Mobilisierung und vieles mehr. Wer sich an Gestalten wie Alfred Mechtersheimer, den Friedensforscher von rechts und andere erinnert, weiß auch, dass diese Bewegung nie irgendwie links oder progressiv war, sondern immer schon, was sich heute Querfront nennt.

Dazu kommt dieser gruselige Drang protestierender Landsleute zu Kreativität und Kleinkunst, der sich gerade mal wieder Bahn bricht: Was da gedichtet, getöpfert, geschminkt und gehäkelt wird … Auch das ist so 80's und seitdem eine Invariante dieses Protests.

Das „Wir sind das Volk“- Volk ist eben eines der Dichter und Denker, Künstler und Kreativen. Und zu all dem Selbstgemaltem – gebasteltem und geschriebenem gehören diese starren Gesichtsausdrücke, diese Leute, denen man ein Mikrophon vor die Nase hält und aus denen es dann heraussprudelt, ohne Intonation, Punkt und Komma, irgend eine Wut, die zugleich immer missionarisch und ein bisschen nach Plädoyer in einem Volksgericht klingt.

Bei all dem, geht es ums Gefühl, die eigene Subjektivität - auch das sehr deutsch - nicht um Fakten oder Tatsachen. Diese Versammlungen sind Kollektivpsychosen, bei denen es minimale Kontakte zu Realität gibt. Auch das erinnert an die 80s, als es so wichtig war, dauernd von seinen eigenen Ängsten zu sprechen und wie es einem gerade geht, was der "Bauch sagt" etc.

Darum auch dauernd der Satzbeginn: "Also ich fühle mich ....". Und darum auch die Menge an Heilpraktikern, Hobbypsychologen und Kleinkünstlern, die ganz automatisch an die Spitze der Bewegung gespült werden.

Nein, „richtige“ Faschisten machen das anders, die träumen immer noch von Fackelmärschen und militärischer Disziplin, bekommen das aber auch längst nicht mehr hin. In dieser Sorte Massendemonstration gehen sie dann ganz auf und versuchen so kreativ wie der Rest zu werden. Und schaut man sich das anwesende Panoptikum aus Reichsbürgern, Antisemiten, Holocaustleugnern, AFDlern etc. pp..: Es gelingt ihnen unglaublich gut.

Deshalb auch bringt es wenig, außer sich selbst gut zu fühlen und zur anderen Gruppe, derjenigen bei denen es mit dem Bauch stimmt, zu gehören, diese ganzen Typen als sinistre Faschisten zu denunzieren.