Dienstag, 10.11.2020 / 21:47 Uhr

„Vorzeige-Imam“ gegen „Islamophobie“

Von
Gastbeitrag von Jan Vahlenkamp

Rund 250 Islamisten zogen am Sonntag durch die Hamburger Innenstadt – Gegenprotest gab es nur vereinzelt.

 

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Kleine Gegendemonstraion, Bild. Jan Valenkamp

 

Niemand solle über den Propheten Mohammed etwas Böses denken oder sagen. Es solle ein Gesetz geben, das jegliche Aktionen gegen den Islam verbietet und der Holocaustleugnung gleichstellt. Die Deutungshoheit über den Islam stehe ausschließlich Muslimen zu. Und Karikaturen über den Propheten? Die gehörten selbstverständlich auch verboten.

Der Mann, der diese gewagten Forderungen aufstellt, heißt Sheikh Mahmoud Ahmed. Vor nicht ganz zehn Jahren wurde er im Hamburger Abendblatt noch als „Vorzeige-Imam“ betitelt, da er nicht nur, als einer von wenigen islamischen Geistlichen, Deutsch spreche, sondern sogar Germanistik studiert habe. Auf diese Tatsache ist er wohl bis heute stolz: „Ich bin einer der wenigen in Hamburg, der den Islam auf Deutsch nach außen vertritt!“ sagt er in seiner rund 12-minütigen Videoansprache, mit der er zu der Demonstration „Gegen Diskriminierung und Beleidigung unseres Propheten“ in der Hamburger Innenstadt aufruft.

Kein Anlass, sich auch nur ein einziges Mal, wenigstens kurz oder leise, von islamistischer Gewalt zu distanzieren

Ansonsten aber ist vom Vorzeige-Imam nicht viel übriggeblieben. Das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz bewertet das von ihm geleitete Al-Azhari-Institut als islamistisch und attestiert ihm, eine islamische Gesellschaftsordnung anzustreben. Die vermittelten Lehrinhalte, die sich ausdrücklich an Lehrer, Erzieher, Eltern, Schulklassen, Behörden oder kulturelle Einrichtungen richten, stünden in einem deutlichen Widerspruch zum Wertekanon des Grundgesetzes, was sich beispielsweise an dem vom Institut propagierten Frauenbild festmachen lasse. „Wer an dieser Demonstration teilnimmt, macht mit Islamisten gemeinsame Sache“ erklärte entsprechend der Pressesprecher der Behörde im Vorfeld der Veranstaltung.

Geschlechtertrennung in der Hamburger Innenstadt

Für den Sheikh sind derartige Einschätzungen aber kein Anlass, sich auch nur ein einziges Mal, wenigstens kurz oder leise, von islamistischer Gewalt zu distanzieren. Dies auch nicht zu einem Zeitpunkt, an dem noch nicht eine Woche seit dem Terroranschlag von Wien und noch nicht ein Monat seit dem Mord an Samuel Paty vergangen ist. Stattdessen redet er sich in Rage und beschreibt eine Welt und ein Land, in dem jeden Tag und überall die „Islamophobie“ herrsche.

Die Verfolgung der Uiguren in China, der Anschlag von Hanau, die Durchsuchungen in der Mevlana-Moschee und in der Ibrahim-al-Khalil-Moschee in Berlin – all das wird in einem Atemzug genannt und als Teil eines globalen Krieges angesehen, dessen bislang heftigster Angriff die Karikaturen über den Propheten Mohammed seien. Mit der Demo wolle man den Muslimen wieder Mut machen.

Dass die erwähnten Moschee-Durchsuchungen allerdings nicht gegen Glaubensinhalte oder die Religionsfreiheit gerichtet waren, sondern lediglich aufgrund von Betrugsverdacht im Zusammenhang mit Corona-Hilfsgeldern erfolgten, bleibt freilich unerwähnt. Ein Wort des Bedauerns über den Mord an Samuel Paty? Ebenso Fehlanzeige.

Am 8. November finden sich am Startpunkt der Demonstration im multikulturellen Stadtteil St. Georg rund 250 überwiegend junge Teilnehmer ein. Damit ist es den Veranstaltern gelungen, die angekündigte Zahl noch leicht zu übertreffen. Der Block der Männer schreitet voran und skandiert kämpferische „Allahu Akbar!“-Rufe. Mit gebührendem Abstand dahinter marschiert der Frauenblock, der mit Parolen wie „I am Muslim, I am proud!“ eher sanftere Töne anschlägt.

„Alle Menschen sind gleich an Würde geboren und frei. Doch die Ehre Mohammads geht mir am Arsch vorbei“ (Amed Sherwan)

Wie auf der Demo, so gilt auch im Unterricht des Al-Azhari-Instituts eine strikte Geschlechtertrennung, worüber Mena-Watch bereits im März ausführlich berichtete. Bei Seminaren sitzen hier die Frauen in einem Nebenraum, hinter einer Tür, die gerade so weit geöffnet ist, dass sie den Ausführungen des Sheikhs lauschen können, der den Männern gegenübersitzt. Wir schreiben das Jahr 2020, das Institut befindet sich mitten in Hamburg.

Kaum Gegendemonstranten

Eine organisierte Gegendemonstration gibt es an diesem Tag nicht, dennoch sind rund 20 Personen den spontanen Aufrufen der Emanzipatorischen Linken Hamburg und des Bündnisses gegen Antisemitismus Kiel gefolgt und stehen nun Israel-, Frankreich- und Regenbogenfahnen schwenkend am Rande der Demo in Höhe des Hauptbahnhofes. „Vive la France!“ wird gerufen.

Der Internetaktivist, Buchautor und Ex-Muslim Amed Sherwan ist sogar eigens aus Flensburg angereist. „Alle Menschen sind gleich an Würde geboren und frei. Doch die Ehre Mohammads geht mir am Arsch vorbei“ steht auf seinem Pappschild. „Lasst euch nicht provozieren!“ rufen die Ordner der Demo ihren Teilnehmern zu.

Auf den in der Farbe des Propheten gehaltenen Flyern, die die Islamisten verteilen, finden sich keine konkreten politischen Forderungen, dafür einfache Stichwörter: „Gegen Islamophobie, für Anti-Islamophobie.“ Auf der Rückseite ist ein ausführlicher Bericht über das Leben und die Wundertaten des Propheten Mohammed zu lesen.

Die Hamburger Innenstadt ist an diesem Sonntag im Lockdown allerdings nicht sehr gefüllt und so verhallt des Dröhnen der „Allahu-Akbar“-Rufe weitgehend ungehört. Für die Teilnehmer dürfte es dennoch eine gelungene Machtdemonstration gewesen sein, die sie auf dem Rathausmarkt beenden. Sheikh Mahmoud Ahmed wird seine politischen Visionen weiter vertreten: Mit der von ihm gegründeten „Friedenspartei“ wird er demnächst wohl auch zu Wahlen antreten.