Samstag, 09.01.2021 / 19:11 Uhr

Israel: Impfrekorde und steigende Neuinfektionen

Von
Oliver Vrankovic
israel corona
Bild:
shutterstock

Seit gestern herrscht ein knallharter Lockdown in Israel. Ich habe meine Tochter zurück zu ihrer Mutter gebracht und durfte mich dazu mehr als einen Kilometer vom Haus wegbewegen. Tatsächlich waren die Straßen relativ leer und erstmals wird an den Straßensperren der Polizei auch tatsächlich kontrolliert. Zwischen Ramle-TA-Afula-TA stand ich im Bus insgesamt fünf Mal für jeweils ca. zehn Minuten in einer durch Straßensperren entstandenen Stauung. Busse waren relativ leer.

An diesem lockdown hängt die Frage, ob wir hier den Kampf gegen die Virus Mutationen verlieren, während wir die Impfweltmeisterschaft gewinnen. Die Notwendigkeit des lockdown ist durch die extrem hohe Anzahl von Neuansteckungen pro Tag mehr als gerechtfertigt. Trotzdem hat der lockdown den Beigeschmack eines politischen Manövers von Bibi nachdem das Gericht heute angesagt hat, dass der Prozess gegen den vor mehr als einem Jahr angeklagten Ministerpräsidenten erneut verschoben wird.

Ich habe gestern mein 22. Corona Testergebnis bekommen - negativ. Angespannter war ich selten und ich hoffe und bete, dass auch der nächste Test entsprechend ausfällt. Mein Gefühl ist indes mit ungut ganz gut beschrieben. Ein größerer Teil meiner Station wurde inzwischen zur Corona Isolierstation mit einer improvisierten Abtrennung des Gangs in dem sie sich befindet mit Plastikplanen. Alle weiteren Bewohner sind in strenger Quarantäne. Jedes Betreten des infizierten Bereichs fordert ein sorgsames Einkleiden mit Overall, Fußüberziehern, Haube, zwei Masken und faceshield. Apocalypse now. Eine Bewohnerin hat den Kampf gegen Corona bereits verloren.

Eine "Journalistin" des Covidioten Blogs AchGut hat derweil einen Videobericht aus Israel gemacht, in dem paar coole Israelis am Strand erklären dürfen, dass der lockdown dem Land unwürdig ist und es kein Corona gibt bzw. Corona gar nicht gefährlich ist. Sollte sich Jemand fragen, wie das israelische Pendant zu den Querdenkern aussieht wird er bei dem Bericht fündig.

Lichtblick ist nach wie vor die Impfkampagne, die wegen Impfstoffmangel bereits drohte ausgesetzt zu werden und nun doch weitergehen kann. Pfitzer wird eine so große Lieferung vorziehen, dass bis zu den Neuwahlen im März die Mehrheit der Israelis geimpft sein wird - vorbehaltlich des Ausbleibens von Zwischenfällen.

Inzwischen sind trotz strenger Geheimhaltung der Verträge die Hauptgründe für die großen Lieferungen des Impfstoffs von Pfitzer bekannt. Der hohe Preis den Israel für die Ampullen bezahlt scheint eher untergeordnet. Die wichtigsten Gründe sind die PR für den Pfitzer Impfstoff, die mit dem schnellen Vorankommen mit den Impfungen generiert wird und v.a. die Datenweitergabe. Pfitzer bekommt umfangreiche Informationen über Geimpfte, die Aufschluss über Wirksamkeit und evtl. Nebenwirkungen geben können.

Protest gegen die Datenweitergabe zeichnet sich nicht ab. Die Impfkampagne darf ganz objektiv betrachtet als die letzte Hoffnung im Zurückdrängen der Seuche gelten, da sich ein wirkungsvoller lockdown nur mit einem irre großen Polizeiaufgebot durchsetzen lässt und die Idee eines lockdown aus Einsicht nicht mit der Realität hier vereinbar ist.

Zu den Absurditäten der Gleichzeitigkeit der von den Krankenkassen exzellent durchgeführten Impfungen und der extrem hohen Infektionsrate gehört das Abgreifen von Impfstoff durch Leute, deren Impfung zu diesem Zeitpunkt noch zurückgestellt ist, um zunächst Alte und Kranke und Angestellte des Gesundheitswesens zu impfen (und knapp Tausend Leute, die dem Premier irgendwie zuarbeiten und die auch irgendwie in die Kategorie der besonders dringend zu impfenden gefallen sind). Nachdem sich herumgesprochen hat, dass dort wo geimpft wird mitunter Impfstoff übrig bleibt der dann wahllos an Leute verabreicht wird, die sich gerade in der Nähe aufhalten, rufen im Heim ständig Leute an, um zu fragen, wann bei uns geimpft wird und ob man vorbeischauen kann. Vorgestern hab ich in Ramle gesehen wie sich Dutzende Leute am Eingang zum Kulturzentrum gedrängt haben, wo Clalit ein zweites Impfzentrum betreibt und mich würde nicht wundern, wenn es bei derartigen Zusammendrängungen nicht zu Ansteckungen kommt.