Freitag, 12.02.2021 / 22:47 Uhr

Über den Sturz Saddam Husseins und die Folgen

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Aus dem Netz

Für den Perlentaucher hat Richard Herzinger einen sehr lesenswertes Essay über den Sturz Saddam Husseins 2003, die Fehler US-amerikanischer Außenpolitik und die Folgen, die das alle hatte für Syrien hatte geschrieben:

Es besteht kein Zweifel daran, dass die Liste verhängnisvoller Fehler und Versäumnisse der Regierung von George W. Bush vor und während der Besetzung des Irak lang ist. So benutzte sie zur Rechtfertigung der Invasion gefälschte Beweise und insinuierte irreführenderweise, das Regime Saddam Husseins habe hinter den Anschlägen des 11. September gesteckt. Nach dem Einmarsch zeigte sich, dass Washington kein kohärentes Konzept für den demokratischen Neuaufbau besaß, den es den Irakern versprochen hatte. Die Folge waren Jahre chaotischer Instabilität und exzessiver Gewalt.

Aber bei aller Kritik an den USA darf nicht vergessen werden, dass es sich bei dem Saddam-Regime tatsächlich um eine der grausamsten und aggressivsten Diktaturen der jüngeren Geschichte gehandelt hat  - und dass sich die USA den Irak keineswegs  willkürlich als Ziel ausgesucht hatte. In der Einschätzung, dass Saddam Massenvernichtungswaffen besitze, herrschte unter den Regierungen und Geheimdiensten der westlichen Welt - und darüber hinaus -weitgehend Konsens.  Davon zeugen zahlreiche UN-Resolutionen, die Bagdad vergeblich zur Offenlegung seiner Bestände aufforderten, sowie die deshalb von den UN verhängten Sanktionen. Zwar ließ das Regime im letzten Moment doch noch Kontrollen irakischer Produktionsanlagen durch UN-Inspektoren zu, die aber keine Beweise fanden. Doch der Verbleib der chemischen und biologischen Waffen, über die das Saddam-Regime nach dem ersten Irak-Krieg 1991 zweifellos weiterhin verfügt hatte, ist bis heute nicht geklärt. (..)

Schröder und Frankreichs Präsident Jaques Chirac beließen es zudem nicht dabei, den amerikanischen Partnern eine Absage zu erteilen. Sie verbündeten sich auch mit Russlands Staatschef Wladimir Putin, um entsprechende US-Initiativen im UN-Sicherheitsrat zu torpedieren. Diese Kooperation markierte nicht nur den Anfang der Komplizenschaft Schröders mit Putin, sie verhalf dem Kreml-Herrn auch zu seinem ersten großen Aufritt als antiamerikanische "Friedensmacht" - dem bekanntlich noch andere,verheerendere folgen sollten.

Zu den weit verbreiteten Fehldarstellungen des Irakkriegs  gehört auch die Suggestion, die nach ungefähren Schätzungen über 100.000 zivilen Opfer des Irakkriegs seien ausschließlich oder vorwiegend durch die US-Armee zu Tode gekommen (die Zahlen entnehme ich dem "Iraq Body Count", mehr hier). In Wahrheit waren ein Großteil dieser Opfer meist schiitische Zivilisten, die von den sunnitisch-nationalistischen und islamistischen Terroristen gezielt massakriert wurden. Kaum Erwähnung findet in der heutigen Rückschau auch, dass das primäre Aufmarsch- und Rückzugsgebiet der Terroristen Syrien war. Syriens Diktator Baschar al-Assad entließ dafür eigens Tausende von inhaftierten Islamisten aus der Haft, die sich dann ungehindert über die Grenze zum Irak bewegen konnten. Dennoch wurde Syrien von den Europäern noch lange als potenzieller "Stabilitätspartner" in der Region umworben. (...)

Nicht die US-Intervention selbst, sondern der überstürzte amerikanische Abzug war so der Auslöser für die blutigen Erschütterungen der vergangenen Jahre. Doch dem Horror der Saddam-Herrschaft sind die heutigen Verhältnisse im Irak allemal vorzuziehen. Erst Saddams Sturz machte es möglich, dass sich dort eine Zivilgesellschaft herausbilden konnte, deren wachsendes Selbstbewusstsein durch die breite Protestbewegung der Jahre 2019/20 offenbar wurde. Sie prangerte nicht nur die Korruption der Regierung, sondern auch die sektiererische Spaltung der irakischen Gesellschaft in Sunniten und Schiiten sowie die Einmischung fremder Mächte, vor allem des Iran, an. Zwar ließ die Regierung ihre Sicherheitskräfte zum Teil brutal gegen die Protestierenden vorgehen, doch ersticken konnte sie Protestwelle nicht. Derartiges wäre unter Saddams totalitärem Regime undenkbar gewesen.