Donnerstag, 11.02.2021 / 13:36 Uhr

Verhaftet in Kairo

Von
Marina Klimchuk

Der Student Ahmed Samir wurde bei einem Besuch in seiner Heimat Ägypten verhaftet und vermutlich gefoltert. Vorgeworfen wird ihm die Mitgliedschaft in einer Terrorvereinigung. Samirs Kommilitonen der CEU in Wien kämpfen nun um seine Freilassung.

 

Ahmed Samir Abdelhay Ali ist der jüngste Fall in einer Reihe von schockierenden Verhaftungen in Ägypten. Der 29-jährige ägyptische Student der Central European University (CEU) in Wien ist bei einem Heimatbesuch von der ägyptischen Sicherheitsbehörde verhaftet und vermutlich gefoltert worden. Ihm wird vorgeworfen, sich einer Terrorgruppe angeschlossen und Fehlinformationen in sozialen Medien verbreitet zu haben.

Bereits bei seiner Einreise aus Wien wurde Samir am Flughafen in Kairo zu seinen Aktivitäten im Ausland befragt. Dabei gab er wahrheitsgemäß an, für seine Masterarbeit zur Geschichte von Abtreibungsgesetzen und Frauenrechten in Ägypten zu forschen – ein heikles Thema im autoritär geführten Land. Wenige Wochen später brachen schwer bewaffnete Sicherheitskräfte ohne Durchsuchungsbefehl in das Haus seiner Familie in Kairo ein und konfiszierten Aufnahmen der Überwachungskameras im Haus. Samir befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht in Kairo. Am 1. Februar bestellte man ihn aufs Polizeirevier, wo er in Begleitung seines Vaters erschien, der nicht mit hineinkommen durfte. Als Samir nicht nach Hause zurückkehrte, schickte die Familie mehrere Anfragen an den Generalstaatsanwalt und das ägyptische Parlament, um sie von seinem Verschwinden in Kenntnis zu setzen. Eine Antwort erhielten sie nicht.

Nach knapp einer Woche Ungewissheit über Samirs Verbleib ließ die Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit am Samstag schließlich die unspezifisch formulierte Anklage verlauten: Ermittelt werde wegen Kontakten zu nicht näher benannten Terrororganisationen und der Verbreitung von Fehlinformationen. Zu diesem Zweck soll Samir einen privaten Account in sozialen Medien betrieben haben. Der Haftbefehl gilt zunächst für 15 Tage, kann aber beliebig verlängert werden. Nach Angaben von Samirs Anwälten schlugen ägyptische Sicherheitskräfte ihm während der Verhöre ins Gesicht und auf seinen Körper ein, um ein Schuldgeständnis zu erzwingen. Außer einem Fake-Profil in sozialen Medien wurden allerdings keine Beweise für die Anschuldigungen angeführt. Viele fürchten nun, das Urteil gegen Samir sei erst der Beginn eines langwierigen Verfahrens, bei dem seine persönliche Sicherheit auf dem Spiel steht. 

Ahmed Samir Abdelhay Ali

Samir, der seit 2019 Soziologie und Sozialanthropologie im Master an der renommierten CEU in Budapest und Wien studiert, kannte das Risiko seiner Rückkehr nach Ägypten. Alle in seinem engen Umkreis hätten ihm davon abgeraten, berichtet Rawda, eine Freundin: „Wir haben viel darüber gesprochen, dass er sich in Gefahr begibt. Er hat immer wieder gesagt, dass er seine Familie, seine Freunde und die Straßen von Kairo zu sehr vermisst. Er wollte nicht von der Angst beherrscht werden, verhaftet zu werden.“ Dabei zeigen die Verhaftungen der vergangenen Jahre laut Rawda ein klares Muster: Festgenommen wurden in den vergangenen Jahren auch der Doktorand Walid al-Shobaky der University of Washington und Patrick George Zaki, der in Italien studierte und im Februar letzten Jahres bei seiner Ankunft am Flughafen in Kairo verhaftet wurde. Wie Samir verurteilte man auch Zaki zunächst zu 15 Tagen Haft. Zaki, der mit Samir befreundet ist, befindet sich bis heute im Gefängnis. Samirs Verhaftung weckt auch Erinnerungen an den italienischen Doktoranden Giulio Regeni in Ägypten, der für seine Doktorarbeit zur Gewerkschaftsbewegung geforscht hatte. Regenis mit Foltermalen übersäte Leiche war 2016 an einer Überlandstraße in Ägypten gefunden worden. Aufgrund der Art der Wunden vermutet man, dass Regeni Opfer ägyptischer Sicherheitskräfte wurde. „Die Regierung hat Angst vor Akademikern, die im Ausland studieren und dort von den Menschenrechtsverletzungen und Gräueltaten in Ägypten erzählen“, mutmaßt Rawda. Seit der gelenkten Wahl des früheren Militärchefs Abdel Fattah El-Sisi 2014 hat sich die Situation der Menschenrechte in Ägypten dramatisch verschlechtert. Tausende von Regimegegner*innen, Menschenrechtler*innen und Wissenschaftler*innen sind im Gefängnis, die Pressefreiheit stark eingeschränkt.

Studierende der CEU haben in enger Zusammenarbeit mit Samirs Familie und Freund*innen eine Solidaritätskampagne gestartet. Sie fordern seine sofortige Freilassung und das Vorbringen des Falls vor den europäischen Unterausschuss für Menschenrechte. In einem Appell an die ägyptische Botschaft in Österreich sowie durch Kontaktaufnahme zur amerikanischen Botschaft in Kairo versucht CEU-Direktor Michael Ignatieff, sich für Samir einzusetzen. Auch Samirs Partnerin Souheila ist in beständigem Kontakt mit Anwälten und Medien. In einem privaten Post in sozialen Medien bringt sie den Schmerz um ihren Freund zum Ausdruck: “Ahmed liebt Ägypten, die Sonne und die Menschen hier. Er liebt das Cafe unter seinem Haus, wo er Fußball mit seinen Freunden schaut. Das sind die Dinge, die wirklich für ihn zählen und niemals wollte er viel mehr. Warum wird ihm das entbehrt? Und warum darf ich ihn nicht sehen und ihn in den Arm nehmen?”