Sonntag, 13.06.2021 / 14:42 Uhr

Gibt Sedat Peker auf?

Von
Murat Yörük

Kein Video heute; Bildquelle: Youtube

Das nächste von vielen erwartete Video des Mafiabosses kam nicht. Gibt er gar auf?

Seit Wochen ziehen die Enthüllungsvideos des Mafiapaten Sedat Peker die türkische Gesellschaft in seinen Bann. Auf inzwischen mehr als 150 Millionen Aufrufe kommen seine insgesamt neun Videos. Und Peker setzt unbeeindruckt die Themen, kommentiert fleißig über Twitter, und treibt Politik und Staat vor sich her. Sehr geschickt, könnte man mutmaßen.

Woche für Woche wartet seit Anfang Mai ein Millionenpublikum gespannt auf das neue Video. Wenn die Mafia spricht, hören alle gebannt zu – als ob niemand sonst sich zutrauen würde, die Themen, die Peker anspricht, auszusprechen. Auch das ZDF Auslandsjournal berichtet inzwischen über die schweren Anschuldigungen gegen die türkische Regierung. Heute scheint es allerdings eine Ausnahme zu geben: Kein Video wie gewohnt zur üblichen Sendezeit Sonntagmorgen. Ob Peker genug hat und zum Schweigen gebracht wurde? Dagegen sprechen zwei Gründe.

1. Erdoğan trifft Biden

Zum einen nimmt Peker weiterhin Rücksicht auf den türkischen Staatspräsidenten Erdoğan. Bislang sind die Angriffe wohldosiert allein gegen das Umfeld des Präsidenten gerichtet. Erdoğan hat sich zwar hinter seinen Innenminister Süleyman Soylu gestellt, hält sich aber sonst sehr zurück und nennt Peker nicht beim Namen.

Am 14.06 steht ein Gespräch am Rande des NATO-Gipfels in Brüssel mit US-Präsident Joe Biden an. Erdoğan hat schon länger um ein Gespräch gebeten, wurde bislang aber von Biden abgewiesen. Peker will darum nicht den Eindruck entstehen lassen, den Präsidenten in weitere Schwierigkeiten zu bringen. Zuletzt hatte er noch angekündigt, er werde die Verbindungen zwischen Erdoğan und der Mafia offenlegen. Nach dem 14.06 werde er allerdings keine Rücksicht nehmen, so zuletzt Peker.

2. Türkische Mehrheit glaubt Peker

Zum anderen dürften die bisherigen Enthüllungen in der türkischen Bevölkerung genug Resonanz erzeugt haben. Peker ist inzwischen ein Millionenpublikum sicher. Eine repräsentative Umfrage mit 3170 Teilnehmern in 27 Provinzen ergab, dass 56 Prozent die Videos kennen. 52 Prozent der Teilnehmer halten die Behauptungen von Peker für wahr. Weitere 68 Prozent gaben an, dass die Politik-Mafia-Beziehungen wie in der Vergangenheit in der Türkei noch andauern. Sogar 33 Prozent der AKP-Wähler stimmen dieser Aussage zu.

Neue Enthüllungen

Diese Woche zogen insbesondere die jüngsten Enthüllungen Aufmerksamkeit auf sich. Peker legte offen, wie der türkische Innenminister Süleyman Soylu einem mit internationalem Haftbefehl gesuchten Geschäftsmann im Dezember 2020 zur Flucht verholfen habe. Dabei handelt es sich um den türkischen Staatsbürger Sezgin Baran Korkmaz, der im Zentrum eines US-Betrugsskandals steht. Er und weitere 17 türkische Unternehmer stehen im Verdacht, die US-Finanzbehörden um weit über 120 Millionen US-Dollar betrogen zu haben. Bis Dezember vergangenen Jahres hielt sich Korkmaz trotz eines internationalen Haftbefehls in der Türkei auf. Peker behauptet nun, der türkische Innenminister höchstpersönlich habe Korkmaz gewarnt, um der Strafverfolgung zu entgehen. Einen Tag nach einem persönlichen Gespräch im Innenministerium sei Korkmaz ins Ausland geflüchtet. Peker behauptet weiter, Videos von diesem Treffen am 4. Dezember 2020 lägen ihm vor. Und am 5. Dezember sei Korkmaz ins Ausland geflüchtet. Aufgrund dieser Brisanz fordern nun einige AKP-Abgeordnete sogar, dass gegen Soylu ermittelt wird.

Verbindungen nach Deutschland

In seinem letzten Video sprach Peker auch über seinen Kontaktmann Metin Külünk. Külünk habe ihn darum gebeten, auf Bitten Erdoğans vor dem Treffen mit US-Präsident Biden keine Videos zu veröffentlichen. Külünk ist AKP-Abgeordneter und sitzt im Parteipräsidium. Seit Jahren steht er in deutschen Sicherheitskreisen im Verdacht, in engem Kontakt zur inzwischen verbotenen Bande „Osmanen Germania“ zu stehen. Er gilt unter erdoğanloyalen Deutsch-Türken auch als der „große Bruder Europas“.

Peker behauptet nun, Külünk habe ihn darum gebeten, Geld an türkische Vereine in Deutschland zu schicken. „Es gibt diese Vereine in Deutschland. Das sind gute Freunde, ich mag sie. Er (Metin Külünk) bat mich, ihnen Geld zu senden und ich habe ihnen unter der Hand Geld geschickt, so Peker in seinem neunten Video mit inzwischen über 12 Millionen Aufrufen. 

Wie der „Tagesspiegel“ nun nahelegt, handelt es sich bei dem türkischen Verein um die „Osmanen“. Deutsche Behörden hätten bei einer Observation beobachtet, wie Külünk Geld an die „Osmanen“ übergeben habe. Die engen Kontakte seien auch durch Telefonüberwachungen belegt.