Donnerstag, 10.06.2021 / 22:30 Uhr

Syrische Flüchtlinge: Kinder, die an Selbstmord denken

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Kind in Idlib, Bildquelle IHH

Jedes fünfte Kind in syrischen Flüchtlingslagern denkt an Selbstmord. Derweil soll der letzte Grenzübergang in Nordsyrien für humanitäre Hilfe gesperrt werden.

Viel hört man dieser Tage, zehn Jahre nach dem Beginn der Massenproteste gegen die Assad Diktatur, nicht aus Syrien. Wenn, dann hin und wieder Meldungen wie diese:

1,7 Millionen Syrerinnen und Syrer sind Vertriebene in ihrem eigenen Land. Viele von ihnen wurden in der letzten Großoffensive des Machthabers Baschar al-Assad auf die Region Idlib im Winter 2019/2020 aus ihren Häusern gebombt. Sie leben seitdem in Zelten, Hütten, Provisorien, in Camps, Wäldern, offenen Feldern im Norden des Landes. Unter ihnen Hunderttausende Kinder.

Alltag heißt für sie: kaum Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung, zu einem hygienischen, sicheren Zuhause. Das Erste, was den Menschen aber einfällt, wenn man sie fragt, was ihnen fehle, ist Essen. Das berichten Hilfsorganisationen vor Ort. Die Lebensmittelpreise sind enorm gestiegen. Die Menschen leiden Hunger.

»Wir sehen in den Camps von Idlib immer öfter Eltern, die ihre Neugeborenen aussetzen, sie neben Mülltonnen ablegen und fortgehen. Die Eltern tun das nicht, weil sie selbst grausame Menschen sind. Sie tun diese grausamen Dinge, weil sie keinen anderen Ausweg sehen«, sagt Sonia Khush von der Hilfsorganisation »Save the Children«.

Viele Kinder in den Lagern versuchen aktiv, ihr Leben zu beenden. Bei jedem fünften registrierten Suizidversuch im Nordwesten Syriens handele es sich inzwischen um ein Kind, sagt sie. 15 Prozent der Jugendlichen trügen Suizidgedanken. Wer nie etwas anderes als Krieg erlebt hat, kann kaum auf die Idee kommen, auf eine schönere Zeit zu hoffen.

Es mag zynisch klingen, aber noch ist die Lage so, wie in diesem Artikel und unzähligen anderen beschrieben. Bald könnte sie viel schlimmer werden, denn geht es nach dem Willen Russlands, soll ab 1. Juli der letzte Grenzübergang für humanitäre Hilfe geschlossen werden, über den die UN bislang noch Lebensmittel und andere Güter in die Provinz Idlib bringen durfte:

The U.N. Security Council mandate for humanitarian aid deliveries, now reduced from four initial international crossing points to a single border crossing from Turkey to Syria’s rebel-held northwest, expires July 10.

Veto-wielding Russia, Damascus’ close ally, has been pressing for the border crossing’s closure. Moscow insists the Syrian government should control all assistance going into the country — even to areas outside its control.

The last border crossing, Bab al-Hawa, has become a lifeline and the main point from which international aid is brought into the northwest, home to over 4 million people, most of them displaced.

The protesters in the Alteh displaced persons camp, north of Idlib city, held up signs calling the crossing a “lifeline.” “The crossing is my path to health,” another read.

“These borders are giving us everything from medical supplies to food and medicines and everything we need,” said Abdelsalam al-Youssif, who heads the camp. “If this decision goes ahead, then the world will be responsible for killing and displacing us.”