Mittwoch, 25.08.2021 / 18:08 Uhr

Zu Spendenaufrufen für Afghanistan

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Ich werde in letzter Zeit häufig gefragt, wie und wem man wegen Afghanistan spenden soll.

Ich kann es momentan nicht wirklich sagen. Es kursieren so viele Aufrufe, von denen ich sehr viele für entweder Beutelschneiderei oder nicht seriös halte.

Man muss auch nicht SOFORT spenden. Dieser Konflikt und das Elend werden bleiben und eher sehr bald in Vergessenheit geraten, wie so viele Katastrophen zuvor. (Wer denkt heute z. B. noch an Jesidinnen und Jesiden?).

Solidarität oder was davon noch übrig geblieben ist, zeichnet sich nicht durchs einmalige Zücken des Geldbeutels aus, sondern im langen Atem, den es kaum noch gibt. 

Solidarität oder was davon noch übrig geblieben ist, zeichnet sich nicht durchs einmalige Zücken des Geldbeutels aus, sondern im langen Atem, den es kaum noch gibt. Der Wunsch bzw. Drang schnell die paar Euro, die man entbehren kann, loszuwerden, entspringt viel zu oft einem Gefühl der Fassungslosigkeit und Ohnmacht, das nach Linderung ruft. Dazu ist Spenden leider in ganz vielen Fällen verkommen, ganz so, als ließe sich mit nur genügend Geld das unheilbar Zerbrochene schon irgendwie wieder flicken.

Hat man erst etwas Geld gegeben, erscheint das Grauen plötzlich weniger schlimm oder man kann sich abwenden und zur einer Normalität zurückkehren, die doch nur seine andere Seite ist.

Momentan suchen seriöse und der Sache verbundene Leute nach praktikablen Mitteln und Wegen, um Kanäle zu finden, wie man den Widerstand im Panjshir Tal unterstützen kann. Auch dorthin sind viele Menschen geflohen und es braucht langfristige Perspektiven, wie denen, die sich widersetzen auch zivil geholfen werden kann.

Das alles funktioniert nicht über Nacht und sollte politisch vernünftig eigebettet sein.

Wenn bald die letzten westlichen Flugzeuge aus Kabul abgeflogen sein werden, wird es darum gehen müssen, denen zu helfen, die zurück blieben aber mit dem Tode bedroht sind. Wie das funktionieren soll, ist die ganz große Frage.

Und dann gilt es noch ganz ernsthaft zu diskutieren, was von Aufrufen zur Hilde der Zivilbevölkerung zu halten ist, die de facto auch helfen, das Taliban Regime, das vor unglaublichen Herausforderungen steht, zu stabilisieren. Es gilt mit Afghaninnen und Afghanen darüber zu sprechen, ob dies in ihren Augen sinnvoll und hilfreich ist oder nicht.

Dann gilt es abzuwarten, ob Vizepräsident Amrullah Saleh und Ahmed Masoud sich zur legitimen afghanischen Regierung erklären, die dann der Ansprechpartner wäre, auch wenn sie nur noch einen kleinen Teil des Landes regiert.

Allen Versuchen dagegen, die Taliban als legitime Regierung anzuerkennen, gilt es sich zu widersetzen. Dient humanitäre Hilfe dazu, islamfaschistische Halsabschneider zu stärken, muss sie kritisiert und in dieser Form abgelehnt werden.

Die Islamisten sind clever und studieren ihren Gegner. Sie wissen sehr gut, wie Öffentlichkeit funktioniert und manipuliert werden kann. Das haben sie in der Vergangenheit zur Genüge bewiesen. Und ihnen steht mit Pakistan ein Staat zur Seite, der das ebenfalls perfekt beherrscht.

Ein paar tausend Euro lindern das Ganze Elend auch nicht, aber ein paar tausend sinnvoll investierte Euro zusammen mit einer entsprechenden politischen Kampagne könnten durchaus in der ganzen Katastrophe ein klein wenig bewirken.

Wie wenig, auch dessen sollte man sich dabei bewusst sein und jetzt bitte nicht so tun, als gäbe es ein "anderes", besseres Europa, das nicht nur die Politik repräsentiert sei. Sehr viele Menschen in Afghanistan haben, da sie es nicht besser wussten, diesen ganzen vollmundigen Erklärungen, die sie ständig zu hören bekamen, geglaubt. Sie haben daran geglaubt, dass es mit diesen westlichen Werte, von denen da die Rede war, wirklich ernst gemeint war. Sie wurden gerade eines besseren belehrt.

Das "andere" Europa, was immer das auch sein mag, hat genau so versagt und Verrat begangen, wie das offizielle. Es ist deshalb dringend an der Zeit dieses ganze zivilgesellschaftliche Gemache ebenso zu kritisieren, das so tut, als wäre es nicht Teil des falschen Ganzen und doch selbst größtenteils nur eine Abteilung des ganzen Betriebs ist.