Dienstag, 03.08.2021 / 20:27 Uhr

Zum 3. August, dem Jahrestag des Überfalls des IS auf die Jesiden

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Jesidische Flüchtlinge in Dohuk, September 2014, Bild: Thomas v. der Osten-Sacken

Inzwischen sind die Massaker des Islamischen Staates an den Jesiden sogar offiziell als Völkermord anerkannt. Den Überlebenden hilft das wenig, sie geraten zunehmend in Vergessenheit. 

Es gibt Jahrestage, die im Grunde nur aus Wiederholungen bestehen: Man kann nur schreiben, was man in den Jahren zuvor bereits genauso geschrieben hat. Dass alles seitdem gleichgeblieben ist, ist Ausweis der andauernden Katastrophe. Der 3. August ist so ein Datum: An diesem Tag eroberte der Islamische Staat 2014 das von Jesiden bewohnte Sinjar-Gebirge und beging dort, was inzwischen immerhin auch international als Völkermord bezeichnet wird.

Die offizielle Anerkennung dieses Verbrechens gegen die Menschheit durch die Vereinten Nationen und einige nationale Parlamente hilft den Überlebenden allerdings wenig, die auch sieben Jahre danach noch immer in Flüchtlingslagern leben müssen. So gut wie keine der Täter wurden zur Rechenschaft gezogen, noch immer bleiben Tausende der von den Dschihadisten in die Sklaverei verschleppten Mädchen verschwunden.

Vor zwei Jahren interviewte ich Suzn Fahmi vom in Dohuk in der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak ansässigen Jinda Center – und was sie damals sagte, hat sich bis heute nicht geändert:

Fahmi: Die Jesiden haben alles verloren, ihre Familien, ihre Heimat, alles. (…)

Frage: Man könnte also sagen, dass der IS erfolgreich war in dem Sinne, dass er die jesidische Gemeinschaft im Irak nachhaltig zerstört hat?

Fahmi: Ganz genau. Sie haben einen Genozid begangen und Erfolg gehabt. Das ist die bittere Realität. Die Jesiden sind verstreut über den Irak, Syrien und Europa, die Familien sind zerrissen. Und sie haben keinerlei Perspektive. Das geht jetzt schon seit fünf Jahren so und ich fürchte in zehn Jahren wird es kaum anders aussehen.“

Man muss es leider immer wieder betonen: Während die Jesidinnen und Jesiden im Irak zunehmend in Vergessenheit geraten, hat der IS, auch wenn er militärisch geschlagen wurde, gesiegt. Dies ist die tragische Botschaft, die man an jedem 3. August wiederholen muss – und auch die ist nichts Neues:

„Der IS wird weiter morden und bomben, nur eben nicht mehr als Armee eines von ihm kontrollierten Kalifats, sondern als dschihadistische Guerillatruppe. Die Blutbäder, die er anrichten wird, werden vom Rest der Welt kaum zur Kenntnis genommen werden. Ein paar Anschläge im Irak sind keine Schlagzeilen wert.

 

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Während das ganze Thema bald aus den Medien verschwunden sein wird, geht das Leid der Jesiden und der anderen Opfer des IS weiter. Deshalb schrieb Seth J. Frantzman schon vor einigen Monaten, man müsse die bittere Realität akzeptieren, dass der IS in gewissem Sinne gesiegt habe: Große Teile Nordostsyriens und des Irak sind Ruinenlandschaften, für Hunderttausende Menschen, die die Dschihadistenorganisation als ihre Feinde identifiziert hat, wird es keine Rückkehr zu dem Leben vor 2014 mehr geben.

Joseph Goebbels, der deutsche Propagandaminister, soll angesichts der sich abzeichnenden Niederlage des 3. Reichs gesagt haben, wenn die Nazis die Tür zuschlagen, werde es in einer Weise geschehen, die man noch in hunderten von Jahren hören werde. Gleiches könnte man vom IS sagen. Die Dschihadisten wissen, welches Erbe und welche Wüsten sie hinterlassen haben – und sind vermutlich auch noch stolz darauf.“

Trotzdem, und auch wenn ihre Chancen darauf, international Gehör zu finden, nur gering sind, sollte zumindest am 3. August immer wieder an die Forderungen jesidischer Organisationen erinnert werden: „Vergesst niemals! Bringt unsere Mädchen zurück!“