Samstag, 12.03.2022 / 00:39 Uhr

Angst vor dem Atomkrieg?

Von
Gastbeitrag von Matthias Küntzel

Putins wüste Drohungen erfüllen ihren Zweck

 

Wir sehen, wie in fünf Meter Entfernung ein ins Wasser gefallener Nichtschwimmer um sein Leben kämpft und lautstark um Hilfe ruft. Wir haben zwar die lebensrettenden Geräte zur Hand, doch gehört der Ertrinkende nicht zu unserem Verein. Deshalb beschränken wir uns darauf, ihn mit Zurufen zu ermutigen, bis dieser schließlich vor unseren Augen untergeht.

Ein vergleichbares Verhalten legt heute die Nato gegenüber der ukrainischen Bevölkerung an den Tag. Man steht an der Grenze der Ukraine und sieht zu, wie das Land und seine Leute von der russischen Militärmaschinerie zerstört werden. Die Angegriffenen bitten die Nato lautstark um Hilfe, doch diese winkt ab, obwohl die UN-Charta diesen Beistand erlaubt. Tatsächlich gibt es für die Zurückhaltung der Nato nur einen einzigen guten Grund: Das Militärbündnis möchte Zusammenstöße mit der Atommacht Russland vermeiden. Nato- Generalsekretär Jens Stoltenberg schließt Nato-Flugzeuge im ukrainischen Luftraum und Nato-Truppen auf ukrainischem Boden kategorisch aus, weil „wir am Ende einen weitreichenden Krieg in ganz Europa mit noch mehr Opfern“ hätten.[1]

Das klingt vernünftig. Einen Weltkrieg riskieren, um der Ukraine zu helfen? Bloß nicht, denkt man und ist froh, dass im Weißen Haus kein Donald Trump regiert. Jetzt müsse man die Risiken für das restliche Europa minimieren. In der Tat hatte Putin schon in seiner Kriegsrede vom 24. Februar mit dem Schlimmsten gedroht: „Wer auch immer versucht, uns zu behindern, … muss wissen, dass die Antwort Russland … zu Konsequenzen führen wird, die Sie in Ihrer Geschichte noch nie erlebt haben.“ Er setzte die Taktik der Einschüchterung mit seiner Ankündigung vom 27. Februar, alle russischen Streitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen, fort. Beide Male hatte er implizit mit Atomwaffen gedroht und das macht Angst. Ist sie berechtigt?

Die Angst als Waffe

Expert/inn/en wie Flaurence Gaub vom „Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien“ und Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations wiegeln ab: Putin benutze nicht die Atombombe, sondern die Angst vor der Atombombe als Waffe, so Gaub. Diese Angst sei heute sein wichtigster Hebel, den Westen militärisch aus dem Konflikt herauszuhalten.[2]

Gressel stimmt ihr zu: Das „Spiel mit dem Atomkrieg“ sei eine „sehr bewusste psychologische Kampfführung“. Putin versuche, „mit der Angst in den westlichen Gesellschaften zu spielen, um sie vor einer weiteren Unterstützung der Ukraine abzuhalten.“ Heute sei dies für Russland das einzige Mittel, um die europäische Öffentlichkeit zu erreichen.

 

Den ganzen Beitrag lesen