Donnerstag, 15.12.2022 / 16:51 Uhr

Die UN-Berichterstatterin und die „jüdische Lobby“

Von
Gastbeitrag von Alexander Gruber

Die ständige UNHCR-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese, Bildquelle: YouTube UN

Francesca Albanese fällt seit ihrer Ernennung zur UNHCR-Sonderberichterstatterin ständig mit aggressiven antisemitischen Äußerungen auf, die sichtlich weder die UNO noch sonst jemand zu stören scheinen.

 

Die Anfang des Jahres vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UNCR) mit der Untersuchung angeblicher israelischer Verstöße gegen die Rechte der Palästinenser beauftragte Francesca Albanese sorgt mit ihren antisemitischen Aussagen wieder einmal für Schlagzeilen. 

Laut einem aktuellen Bericht der Times of Israel erklärte die ständige UNHCR-Sonderberichterstatterin für die Menschenrechtssituation in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten im Jahr 2014, dass die »jüdische Lobby« die USA kontrolliere. So geißelte Albanese während der Operation »Protective Edge«, dem fünfzigtägigen Krieg zwischen Israel und der Terrorgruppe Hamas im Juli und August 2014, in einem offenen Brief auf ihrer Facebookseite die USA und Europa für deren Verhalten in diesem Konflikt.

Laut ihrem LinkedIn-Profil war sie zu diesem Zeitpunkt nicht bei der UNO beschäftigt, hatte aber zuvor für das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) gearbeitet, für das sie mit ihrem immer noch öffentlich zugänglichen Brief Spenden sammeln wollte. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung befand sich der bisher nicht publizierte Beitrag auf ihrer persönlichen Facebookseite, die für die Öffentlichkeit zugänglich ist und sie als UN-Ermittlerin ausweist.

In einem weiteren Beitrag aus demselben Jahr, der nicht mehr öffentlich zugänglich ist, seitdem Albaneses Büro von der Times of Israel kontaktiert worden war, bezog sich die UN-Sonderberichterstatterin auf die »Israel-Lobby« und sprach von Israels »Habgier«. Diese Kommentare waren an den britischen TV-Sender BBC gerichtet, dem Albanese attestierte: »Die israelische Lobby steckt eindeutig in euren Adern und in eurem System, und man wird sich daran erinnern, dass ihr in diesem orwellschen Albtraum auf der Seite des großen Bruders gestanden habt, der einmal mehr durch Israels Gier verursacht wurde. Schande über Sie, BBC«, zeterte sie. 

Vergleich mit Nazi-Deutschland

Darüber hinaus nannte Albanese Israel einen »Apartheid«-Staat sowie ein »siedlerkolonialistisches Unternehmen« und nannte Juden in Israel und im vorstaatlichen britischen Mandatsgebiet als »ausländische Eindringlinge«, welche die einheimische palästinensische Bevölkerung unterjochten. Die nicht zuletzt Sicherheitsinteressen geschuldete israelische Präsenz im Westjordanland bezeichnete die UN-Beamtin als »Fremdherrschaft«, für die es »keine Rechtfertigung« gebe, da sie nichts anderes sei als »ein Instrument zur Kolonisierung des Landes«.

In diesem Zusammenhang verglich sie den jüdischen Staat mit dem nationalsozialistischen Deutschland – was gemäß der Arbeitsdefinition für Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) explizit antisemitisch ist – und parallelisierte die Lage der Palästinenser mit dem Holocaust.

Dies dürfe man jedoch nicht offen aussprechen, so insinuierte Albanese, weil Europa sich »schuldig am Holocaust« fühle, weswegen es das Aussprechen solcher Wahrheiten nicht zulasse, nämlich dass Israel eine Politik der »ethnischen Säuberung« betreibe und einen »bösartigen Krieg« und ein »Massaker« gegen die Bevölkerung des Gazastreifens führe, die unter dem »israelischen Militärjoch« wie in einem »Gefängnis« leben müsse.

Während zum Beispiel lateinamerikanische Länder die Politik Israels offen kritisierten, hätten sich die USA und Europa einen Maulkorb aufzwängen lassen: »Amerika und Europa, die einen von der jüdischen Lobby unterjocht, die anderen von Schuldgefühlen wegen des Holocausts geplagt, bleiben außen vor und verurteilen weiterhin die Unterdrückten, die Palästinenser, die sich mit dem einzigen Mittel, das sie haben (unzulänglichen Raketen), verteidigen, anstatt Israel dazu zu bringen, sich seiner völkerrechtlichen Verantwortung zu stellen«, schrieb Albanese damals auf Facebook.

In einem Interview mit der italienischen Zeitschrift Altreconomia vom 9. Juni behauptete Albanese, dass Israel zwar jeden Widerstand als Terrorismus brandmarke, und argumentierte, »eine Besatzung erfordert Gewalt und erzeugt Gewalt«. Die Palästinenser hätten »keinen anderen Raum für Widerspruch als Gewalt«, fügte sie damals hinzu. In diesem Zusammenhang schlug Albanese auch vor, Israelis mit doppelter Staatsbürgerschaft sollten in den Ländern ihrer zweiten Staatsbürgerschaft für Verbrechen belangt werden können, wenn sie in Ost-Jerusalem, der Westbank oder an einem anderen Ort leben, der als »besetztes palästinensisches Gebiet« gilt.

Moralische Glaubwürdigkeit?

Im vergangenen Jahr verwies Albenese erneut auf jüdische und pro-israelische Lobbys, die israelische Waffenverkäufe beeinflussten und Kritik an Israel zum Schweigen brächten. Auf Nachfrage der Times of Israel versuchte Albanese nun, sich von ihren früheren Äußerungen zu distanzieren. »Einige der Worte, die ich während der israelischen Offensive gegen den Gazastreifen im Jahr 2014 verwendet habe, waren unglücklich gewählt, analytisch ungenau und unbeabsichtigt beleidigend«, ließ sie über ihr Büro ausrichten. 

»Menschen machen Fehler. Ich distanziere mich von diesen Worten, die ich weder heute noch als UN-Sonderberichterstatterin verwenden würde.« Nach diese Klarstellung, so legte sie nach, wird »unsere Aufmerksamkeit nicht mehr von den rechtswidrigen staatlichen Praktiken abgelenkt, die tagtäglich in den besetzten palästinensischen Gebieten Millionen von Menschen Leid zufügen und die Menschenrechte verletzen. Das ist es, worüber ich zu berichten beauftragt bin und worauf wir uns konzentrieren sollten.«

In ihrer Bewerbung um das Amt der Sonderberichterstatterin hatte Albanese noch erklärt, es gebe weder gegenwärtig noch in der Vergangenheit einen Grund, der ihre moralische Autorität oder Glaubwürdigkeit infrage stellen könnte. Sie vertrete keinerlei Ansichten oder Meinungen, welche die Art und Weise, in der sie Untersuchungen durchführt, beeinträchtigen könnten.

Ganz anders sieht dies die Vizepräsidentin für internationale Politik bei der Anti-Defamation League, Susan Heller Pinto: Das Gerede über eine »allmächtige jüdische Lobby nährt das Klischee der jüdischen Macht: dass es eine ruchlose jüdische Hand gibt, die Regierungen manipuliert«, sagte sie. Wenn Albanese erkläre, Amerika werde »von der jüdischen Lobby unterjocht, dann verstärkt dies das Bild, diese jüdische Lobby sei allmächtig«.

Die sich in Albaneses Ausführungen widerspiegelnde Vorstellung, Amerika und seine Politik würden »von dieser jüdischen Lobby gesteuert, ist antisemitisch«, sagte Heller Pinto. Dies seien Ressentiments und Stereotypen und »keine politische Kritik an spezifischen israelischen Aktionen. Es sind pauschale Charakterisierungen, die sich auf uralte antisemitische Bilder stützen.«

Obwohl sie selbst erklärte, objektiv und moralisch integer zu sein, als sie sich für das Amt der Berichterstatterin bewarb, räumte Albanese bei einer Podiumsdiskussion im vergangenen Jahr ein, dass sie Zweifel an der Übernahme des Amtes hatte. »Tief in mir drin befürchtete ich vielleicht, dass die Aufnahme von Forschungen zu einem Thema, zu dem ich eine tiefe persönliche Meinung habe, meine Objektivität beeinträchtigen könnte« – eine Kritik die Israel bei Albaneses Amtsantritt im Mai teilte, als es argumentierte, ihre Voreingenommenheit disqualifiziere sie für das Amt.

»Die in zahlreichen Artikeln, Veranstaltungen und Medien kundgetane Meinung der neu ernannten Sonderberichterstatterin, die unaufhörlich israelfeindliche Verleumdungen verbreitet, zeigt, dass sie für dieses Amt ungeeignet ist«, sagte die Rechtsberaterin der israelischen Vertretung bei der UNO in Genf, Merav Marks, damals. 

Terrorfreundin

In ihrem im Oktober veröffentlichten ersten Bericht als Berichterstatterin bezeichnete Albanese Israel als ein »absichtlich besitzergreifendes, segregierendes und repressives Regime«. Fast acht Jahre zuvor hatte sie sich im Dezember 2014 in einem ebenfalls kürzlich entfernten Beitrag darüber gefreut und als »gute Nachricht« bezeichnet, dass der Europäischen Gerichtshof die Hamas von der EU-Terrorliste gestrichen hat.

Angesichts dessen verwundert es nicht, dass Albanese im vergangenen Monat auf einer Konferenz in Gaza sprach. In ihrer Rede versicherte Albanese den anwesenden hochrangigen Mitglieder der von den USA und der EU als terroristisch eingestuften Gruppen Hamas und Palästinensischer Islamischer Dschihad, dass »Ihr das Recht [habt], euch gegen diese [israelische] Besatzung zu wehren. Der Besatzer kann nicht sagen, dass er sich verteidigt«, sagte sie den Zuhörern in der Küstenenklave, die seit einer blutigen Übernahme im Jahr 2007 von der Terrorgruppe Hamas regiert wird.

Zuvor hatte sie in einem Podcast die israelischen Sicherheitsbedenken als »paranoides Denken« verunglimpft: »Israel kann sich nicht auf Selbstverteidigung berufen, während es ein anderes Land illegal besetzt hält und einen Akt der Aggression gegen dieses Land begeht«, sagte sie. »Diejenigen, die das Recht auf Selbstverteidigung haben, sind die Palästinenser.« Nach den Kämpfen zwischen dem Islamischen Dschihad im Gazastreifen und Israel im Mai 2022 erklärte sie, »das Recht der Palästinenser auf Widerstand ist Teil ihres Rechts, als Volk zu existieren«. Das Recht auf bewaffneten Widerstand der Palästinenser sei eine »notwendige Kommunikation«, die »degradiert« worden sei.

Erst letzte Woche hatte Albanese angedeutet, Israel habe ihr die Erlaubnis erteilt, das Westjordanland und Ostjerusalem zu besuchen, während spätere Beiträge darauf hinweisen, dass Israel den Besuch aufgrund ihrer Äußerungen untersagt habe. Albanese wäre nicht sie selbst, würde sie nicht auch dies zu einem Propagandaerfolg gegen Israel umdeuten: »Wenn sie mich nicht reinlassen, kann ich wenigstens behaupten, dass mir der Zugang verweigert wurde«, feixte sie.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch