Freitag, 18.10.2024 / 12:06 Uhr

Linkspartei und Antisemitismus.

Bildquelle: Die Linke Berlin

Kommentar zu einem Kommentar von Erik Peters in der taz

 Erik Peter hat in der ‚taz‘ keinen Bericht über den Landesparteitag der Berliner Linken geschrieben – nein, er hat einen Kommentar verfasst. Das ist wichtig, um zu verstehen, was hier eigentlich passiert. Ein Kommentar ist ein subjektiver Meinungsbeitrag, der die persönliche Sicht des Journalisten auf ein Thema widerspiegelt. Im Fall von Erik Peter geht es um seine Meinung zum Antisemitismus-Eklat auf dem Landesparteitag. Gerade weil es sich um einen Kommentar handelt, sollte man genau hinsehen, wie Peter die Ereignisse einordnet und was er dabei bewusst ausblendet.

 

Ein Kommentar ist nicht die Wahrheit

 

Es muss klar sein: Ein Kommentar erhebt keinen Anspruch auf Objektivität. Peters Meinung ist seine eigene, und er hat nicht den Anspruch, den Parteitag der Berliner Linken objektiv zu bewerten. Hätte er das gewollt, hätte er einen Bericht verfasst, der die Ereignisse sachlich beschreibt, ohne persönliche Wertungen. Stattdessen entscheidet er sich für eine subjektive Darstellung, die den eigentlichen Skandal – nämlich die Relativierung von Antisemitismus durch Teile der Delegierten – herunterspielt und als bloßen Machtkampf darstellt.

 

Dass Peters Meinung subjektiv ist, ändert jedoch nichts daran, dass sie auf einer gefährlichen Fehleinschätzung beruht. Was er hier abtut, ist kein harmloses Streiten um Begrifflichkeiten. Es geht um die bewusste Verdrängung eines Antisemitismusproblems in der Linken – und das ist kein bloßes Detail, das man in einem Kommentar übersehen sollte.

 

Die Verharmlosung von Antisemitismus

 

Bemerkenswert ist, wie leichtfertig Peter den Willen eines relevanten Teils der Berliner Linken, insbesondere der Gruppe „Sozialismus von unten“, Antisemitismus zu relativieren, abtut. Der ursprüngliche Antrag von Klaus Lederer, Petra Pau und anderen „Gegen jeden Antisemitismus – Emanzipation und universelle Menschenrechte verteidigen!“ war wichtig, aber sein Inhalt sollte eine Selbstverständlichkeit darstellen. Doch selbst diese Selbstverständlichkeit war für eine Mehrheit der Delegierten zu viel. Man strich das Wort „jeden“, als sei das ein Schönheitsfehler, ein unwichtiges Füllwort, das man im Eifer des Gefechts weglassen könnte. Was steckt dahinter? Es geht darum, die Existenz von Antisemitismus, der nicht von rechts kommt, schlicht zu leugnen. Für diese Mehrheit existiert Antisemitismus nur, wenn er von Neonazis kommt, niemals aber von Linken oder islamistischen Akteuren, darum auch ihr Beharren auf „Gegen Antisemitismus“ und die Abwehr einer richtigen Formulierung wie „Gegen jeden Antisemitismus“.

 

Dass von sich politisch links verortete Menschen das Massaker der Hamas relativieren und teils sogar feiern, scheint diese Delegierten nicht zu stören. Deshalb strichen sie kurzerhand den Satz: „Dass von sich politisch links verortete Menschen das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 u.a. an Kleinkindern, Familien und Festivalbesucher*innen relativiert und mitunter gar gefeiert wurde oder zur Vernichtung Israels aufgerufen wird, alarmiert uns zutiefst.“ Dass dieser Satz gestrichen wurde, während gleichzeitig der Versuch unternommen wurde, die Selbstverständlichkeit „Wir nehmen keine Bedrohung jüdischen Lebens in diesem Land oder sonst irgendwo hin. Es gilt, alles zu tun, damit Auschwitz nie wieder sei“ ebenfalls zu streichen, zeigt die tiefe ideologische Verblendung.

 

Der eigentliche Skandal

 

Der eigentliche Skandal, den Peter vor lauter Voreingenommenheit übersieht, liegt darin, dass Linke diesen Satz, der eigentlich eine Selbstverständlichkeit für Sozialist*innen und Demokrat*innen darstellt, aus einem Antrag zum Schutz jüdischen Lebens streichen wollten. Gleichzeitig zeigt sich der feste Wille der Berliner Sektierer, ihre Sichtweise von Rassismus gegen den Kampf gegen Antisemitismus auszuspielen, indem sie eine Passage einfügten, in der jegliches Ressentiment gegenüber Palästinenser*innen strikt abgelehnt wird. Es entsteht der Eindruck, dass der Schutz von Palästinenser*innen über den Schutz jüdischen Lebens gestellt wird. Antizionismus ist in Teilen der Linken längst ein Ersatz für Antirassismus geworden. Wer gegen den „kolonialen Staat“ Israel ist, kann ja nicht antisemitisch sein, oder?

 

Die groteske Doppelmoral

 

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Auschwitz soll kein Fixpunkt mehr sein, aber wehe, jemand äußert Kritik an der palästinensischen Seite – dann folgt moralische Empörung und eine klare Ablehnung jeglicher Ressentiments. Diese groteske Doppelmoral zeigt, worum es hier wirklich geht: den Schutz jüdischen Lebens zu relativieren, um die antizionistischen Tendenzen innerhalb der Linken nicht zu gefährden. Dass dabei das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte, der Holocaust, aus dem Fokus gerückt wird, ist eine Schande, aber von dem Antragsteller*innen so intendiert.

 

Aber das reicht den Antragstellern nicht. Die heuchlerische Bekundung, man lasse den Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus nicht gegeneinander ausspielen, erweist sich als leere Phrase. In Wahrheit tun sie genau das: Sie relativieren Antisemitismus, indem sie ihn als Teil eines „legitimen Diskurses“ über den Nahostkonflikt darstellen, während sie gleichzeitig Ressentiments gegen Palästinenser*innen mit Vehemenz verurteilen. Diese Vehemenz wird jedoch nicht gegen Antisemitismus aufgebracht. Wenn das kein opportunistisches Spiel mit dem Feuer ist, was dann?

 

Peters Verharmlosung: Kein Skandal?

 

Was macht Erik Peter? Er verteidigt diese Absurdität und versucht, uns weiszumachen, es handle sich nur um einen internen Machtkampf. Kein Antisemitismus-Skandal, sagt er. Doch wie nennt man es, wenn die Relativierung von Judenhass angestrebt und versucht wird, die Streichung des Satzes „Es gilt, alles zu tun, damit Auschwitz nie wieder sei“ zur Beschlusslage einer Partei zu machen? Ist das wirklich nur ein Machtkampf? Oder ist es nicht vielmehr ein alarmierendes Zeichen dafür, dass die moralische Substanz der Partei bröckelt?

 

Herr Peter, wenn das kein Skandal ist, was dann? Ein harmloser Diskurs über die Bedeutung des „Holocaust“ für die Linke Berlin, nur ein harmloser Diskurs über den Kampf gegen jeden Versuch, alles zu tun, „damit Auschwitz nie wieder sei“? Eine freundliche Debatte über den Antisemitismus auf Berlins Straßen, der von Linken nicht kritisiert, sondern bei dem antisemitische Äußerungen wie „drecks Jude“ relativiert werden? Oder doch ein Rückzug vor der klaren Benennung des Problems? Es ist bezeichnend, dass Peter, statt die klare Relativierung von Antisemitismus zu benennen, lieber in Beschwichtigungen verharrt, die den eigentlichen Skandal verdecken.

 

Die Blindheit der Sektierer

 

Peters Kommentar ist nicht nur intellektuell faul – er ist moralisch verkommen. Wer die Vernichtung Israels befürwortende Positionen als legitimen Diskurs verteidigt, macht sich selbst zum Komplizen der Hasspropaganda. Die Blindheit der antizionistischen Sektierer innerhalb der Berliner Linken ist kein Zufall, sondern ideologisch gewollt. Diese Verblendung ignoriert nicht nur den Antisemitismus in den eigenen Reihen, sondern relativiert ihn aktiv.

 

Dass diese ideologische Blindheit in der Partei nicht nur geduldet, sondern verteidigt wird, zeigt, wie tief der moralische Verfall bereits fortgeschritten ist. Die Weigerung, Antisemitismus in all seinen Formen zu bekämpfen, zeigt, wie sehr die Linke ihre moralischen Grundlagen verloren hat. Dass dies von einem Journalisten wie Erik Peter verteidigt wird, wirft ein beunruhigendes Licht auf die Verflechtung von journalistischer Relativierung und politischer Ideologie.

 

Der moralische Bankrott der Linken

 

Am Ende steht die Linke vor einer klaren Entscheidung: Entweder sie kämpft gegen jeden Antisemitismus – auch gegen den in den eigenen Reihen – oder sie gibt ihre moralische Integrität auf. Der Versuch der Streichung des Satzes „Es gilt, alles zu tun, damit Auschwitz nie wieder sei“ ist mehr als eine symbolische Tat – es ist der Ausdruck einer gefährlichen Verdrängung.

 

Die Linke, nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland, muss sich entscheiden: Will sie eine antifaschistische Partei bleiben, die den Kampf gegen Antisemitismus ernst nimmt, oder will sie sich den antizionistischen Kräften hingeben, die sie moralisch in den Abgrund führen? Die Antwort auf diese Frage wird entscheidend sein. Ohne den klaren Kampf gegen den Hass auf Juden und ohne den Schutz jüdischen Lebens verliert die Linke nicht nur ihre moralische Integrität – sie verliert ihre Existenzberechtigung.

 

Zum Abschluss sei gesagt: Erik Peters Kommentar verharmlost einen Skandal um die Relativierung von Antisemitismus, der die Grundfesten der Berliner Linken erschüttert. Die ideologische Blindheit und Doppelmoral, die auf diesem Parteitag deutlich wurde, gefährden nicht nur die Glaubwürdigkeit der Linken, sondern auch die moralische Verantwortung, die sie einst für sich beanspruchte.