Altnazis, DDR und viele andere: Die deutschen Helfer des Assad Regimes
Seit dem Sturz des Assadregimes vor einigen Tagen kommen Tag für Tag mehr Verbrechen dieses Regimes und seines Unterdrückungsapparats ans Licht der Öffentlichkeit. Tausende Menschen wurden seitdem aus den berüchtigten Foltergefängnissen des Regimes befreit und zum ersten Mal seit über 50 Jahren zeigen Journalist:innen die Grausamkeit und das Elend in diesen Gefängnissen, in denen zehntausende politische Gefangene systematisch gefoltert und ermordet wurden.
Was viele in Deutschland jedoch nicht wissen:
Der Unterdrückungsapparat des Assadregimes hat einen bedeutsamen deutschen Beitrag und erstreckt sich über Jahrzehnte, von 1948 bis in die 80er-Jahre.
Alles begann mit der Unabhängigkeit Syriens von Frankreich im Jahr 1946 und dem Wunsch, eigene staatliche Strukturen aufzubauen. Eine Rolle spielten dabei auch syrische Sympathien mit den Deutschen und dem Nationalsozialismus und dessen Antisemitismus. Dieser wurde und wird unter anderem von rechtsextremen syrischen Parteien und Gruppen vertreten, wie der von im Regime mit Unterbrechungen ausdrücklich tolerierten syrischen sozialnationalistischen Partei. Ab 1948 rekrutierte die syrische Armee gezielt deutsche Nazikriegsverbrecher als billige Berater für den Aufbau ihrer Armee und ihres Geheimdienstes. Er hatte während des Krieges den Holocaust im damaligen Mandatsgebiet Palästina durchführen sollen, dazu kam es jedoch nie, sodass Rauff den Holocaust in Tunesien umsetzte und später die NS-Geheimdienste in Nordwest-Italien übernahm. In Syrien bildete er von 1948 an die syrischen Geheimdienste und das dortige Militär aus, bis er sich später nach Südamerika absetzte.
Rauff war nicht der einzige NS-Verbrecher, der in den postkolonialen Staaten als Berater arbeitete, besonders viele kamen aber im nahen Osten unter. Einen wesentlichen Anteil an dieser Verbindung hatte der palästinensische Großmufti und NS-Kollaborateur Amin Mohammed al-Husseini, der für Hitler muslimische SS-Divisionen rekrutierte, sich in der NS-Propaganda im nahen Osten betätigte und durch Lobbykampagnen jegliche Flucht jüdischer Menschen ins Mandatsgebiet Palästina verhinderte.
Lehrmeister Brunner
Der jedoch wohl wichtigste NS-Berater in Syrien war Alois Brunner, der als Eichmanns rechte Hand eine extrem große Rolle in der Planung und Durchführung des Holocaust gespielt hatte. Er und Franz Rademacher, ehemaliger Leiter des „Judenreferats“ im Außenministerium und damit ebenso an der Durchführung des Holocaust beteiligt, spielten die wohl größte deutsche Rolle im Aufbau des syrischen Geheimdienstes und Militärs. Brunner und Rademacher setzten sich Anfang der 50er nach Syrien ab und berieten den syrischen Geheimdienst in Foltertechniken und dem Aufbau von Gefängnissen. Die berüchtigten Foltergefängnisse Tadmur und Sednaya, dem „Schlachthof für Menschen“, aus dem viele Inhaftierte nie lebend herauskamen, soll Brunner geplant haben. Viele der wichtigsten Mitglieder des syrischen Geheimdienstes galten als Brunners Schüler, darunter der mächtige Geheimdienstmann Ali Duba.
Brunner genoss so großes Ansehen in Syrien, dass er bis zu seinem Tod in Jahr 2001 trotz mehrerer Tötungsversuche des israelischen Geheimdienstes und einer Auslieferungskampagne von Nazijäger:innen nie ausgeliefert wurde.
(Bild Alois Brunner 1943 und kurz vor seinem Tod, Bildquelle: Jewish Virtual Library)
Die frühe Bundesrepublik wusste über die Aktivitäten der NS-Verbrecher bestens Bescheid. Die „Operation Gehlen“, der Vorläufer des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND, wurde selbst von einem hochrangigen NS-Geheimdienstleiter geführt und bat die Regierung Adenauer immer wieder um Unterstützung der NS-Kriegsverbrecher im Ausland. Was daraus wurde, ist jedoch nicht geklärt, viele der Gehlen-Akten wurden unter Helmut Kohl geschreddert.
(Siehe auch den lesenswerten Artikel: Swastikas in Damascus; Syria under the Assads has long harbored a soft spot for Nazism.)
Hilfe aus dem Osten
Neben dem NS-Einfluss begann mit dem Jahr 1969 ein weiteres deutsches Kapitel in der Zusammenarbeit mit dem syrischen Unterdrückungsapparat. In diesem Jahr erkannte Syrien als eine der ersten Staaten außerhalb des Ostblocks die DDR an, einem Beispiel, dem anschließend viele weitere Staaten folgen sollten. Die Bundesrepublik hatte bis dahin die Hallstein-Doktrin verfolgt, die diplomatische Sanktionen bei Anerkennung der DDR androhte. Unter anderem aufgrund der Anerkennung des ostdeutschen Staates durch Staaten wie Syrien gab die Bundesrepublik die Hallstein-Doktrin auf und erkannte die DDR später ebenfalls an.
Die DDR-Führung bedankte sich in der Folge mit Wirtschafts- und Handelsbeziehungen. Besonders intensiv wurde die Zusammenarbeit jedoch 1978, nach dem Abschluss der „Camp David“-Verträge für Frieden zwischen Israel und Ägypten und der Herauslösung Ägyptens aus der sowjetischen Einflusssphäre.
Zu diesem Zeitpunkt begann die DDR im Einklang mit der sowjetischen Außenpolitik, das syrische Regime massiv zu unterstützen. Ziel war es, das syrische Regime als Gegenpol zum „prowestlichen“ Regime in Ägypten aufzubauen und Israel zu bekämpfen. Im Gegenzug für die Waffenlieferungen, Devisen und Geheimdienstunterstützung bekam die DDR syrisches Öl.
Zu diesem Zweck unterstützte die deutsche Stasi die syrischen Geheimdienste, warb IMs an und verwanzte die deutsche Botschaft in Damaskus, um von dort an wichtige Informationen über die Bundesrepublik und die NATO zu gelangen. Die Kooperation war so eng, dass syrische Spione als besonders fleißig gelobt wurden. Ebenso flossen direkte Stasi-Gelder an die syrischen Geheimdienste, unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe.
Die engen Beziehungen mit dem syrischen Regime endeten erst Mitte der 80er-Jahre, als das syrische Regime begann, die Überwachungsmethoden auch auf kommunistische pro-sowjetische Parteien anzuwenden
Auch schickte die DDR Flugzeugingenieure nach Syrien, um dort alte sowjetische Flugzeuge zu warten. Ebenfalls lieferte die DDR ab diesem Zeitpunkt dem syrischen Regime zu günstigen Sonderkonditionen eine große Zahl an Waffen und Munition, die später für das gezielte Massaker an mindestens zehntausend Menschen in Hama eingesetzt wurden, um ein grausames Exempel gegen den dortigen Aufstand der Muslimbrüder zu statuieren. Die DDR-Führung wusste, dass die Waffen für die Aufstandsbekämpfung eingesetzt würden, beschwerte sich aber nicht.
Ebenfalls bildete die DDR ab 1981 in Berlin sog. ausländische Militärkader aus, die im sowjetischen Sinne Militärs schulen sollten, darunter auch viele Syrer.
Selbst ein Treffen zwischen Stasi-Leiter Mielke und dem syrischen Innenminister 1981 ist belegt, in dem dieser von seinen Unterdrückungstätigkeiten berichtete und um noch mehr geheimdienstliche Kooperation bat. Zum Schluss des Treffens wünschte Mielke den Syrern „viel Erfolg im Kampf gegen Israel“.
Damaskus, erste Adresse für Terroristen
Eine mögliche Deutung dieses „Kampfes“ könnte die Involvierung der Stasi und des KGBs in die Terroraktivitäten der palästinensischen Terrorzellen der PLFP sein, insbesondere die „Carlos-Gruppe“ des venezolanischen Terroristen Ilich Ramirez Sanchez, der für die Terrorgruppe zahlreiche tödliche Anschläge auf israelische und jüdische Ziele durchführte.
Sanchez rechte Hand, Johannes Weinrich, wurde vom MfS bei Anschlägen gedeckt, unter anderem beim Anschlag auf das Maison de France 1983. Aber auch syrische Geheimdienstanschläge gegen Oppositionelle in der Bundesrepublik waren der Stasi wohlbekannt.
Die engen Beziehungen mit dem syrischen Regime endeten erst Mitte der 80er-Jahre, als das syrische Regime begann, die Überwachungsmethoden auch auf kommunistische pro-sowjetische Parteien anzuwenden. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die sowjetisch-syrischen Beziehungen verschlechtert, da das syrische Regime Mikhail Gorbatschows neuem Kurs misstraute und sich neue Förderer suchte. Zudem hatten Syrien bei den Staaten des Ostblocks, darunter der DDR, massive Schulden angehäuft, die es nicht zurückzahlen konnte.
Aber auch die DDR litt zunehmend an massiven Schulden und versuchte Ende der 80er-Jahre noch, an Einnahmen durch dubiose Waffengeschäfte zu kommen. Ein Deal, der mit Syrien geplant war, gelang jedoch kurz vor Abschluss aufgrund der friedlichen Revolution in der DDR nicht mehr.
Manuel Störmer ist freier Journalist für die jungle.world und YouTuber unter dem Alias "Lupen rein"