Tödlicher Anschlag auf zwei hohe Richter im Iran

Die Richter Mohammad Moghiseh and Ali Razini, Bildquelle: Mizan
Nach der Ermordung zweier Richter der Islamischen Republik am gestrigen Samstag gibt es viele Spekulationen über den oder die Täter. Beide Richter gehören zum obersten Gericht und zählen seit Beginn der Islamischen Republik zu den zentralen Akteuren des Mullahstaates. Tausende Todesurteile und grausame Strafen wie Auspeitschungen oder Amputationen sind von ihnen in den vergangenen Jahren verhängt worden.
Die offizielle Berichterstattung ist wie gewohnt darum bemüht, den Eindruck zu vermitteln, man wisse genau was passiert sei und habe alles unter Kontrolle. Gleichzeitig präsentierten offizielle Medien der Islamischen Republik gleich zwei Versionen über den Täter und den Tathergang. Nach einigen Stunden verschwand eine Version kommentarlos.
Wer aber könnte hinter dem Anschlag stecken? Eine Gruppe wurde sehr schnell im Staatsfernsehen als schuldig ausgemacht: Die Volks-Mojahedin, eine marxistische-leninistische Widerstandgruppe, die dazu beigetragen haben, dass die Islamisten unter der Führung von Ruhollah Khomeini 1979 den letzten Shah haben stürzen können. Wie alle anderen politischen Gruppierungen wurden auch die Mojahedin kurz nach der Machtübernahme der Islamisten tausendfach hingerichtet oder ins Exil getrieben.
Die Gruppe war insbesondere in der 1980er und 90er Jahren im Guerrillakrieg gegen die Islamische Republik aktiv, zahlreiche Attentate und große Anschläge gingen auf ihr Konto. Aufgrund ihrer Terrorakte und ihrer Kooperation mit Saddam Hussein während des Iran-Irak-Krieges genießt die Gruppierung innerhalb der iranischen Bevölkerung keine großen Sympathien.
Seit einigen Jahren hat sie nach eigenen Angaben den bewaffneten Kampf eingestellt und bemüht sich, als demokratische Partei wahrgenommen zu werden. Hauptgrund dürfte sein, von Terrorlisten der USA und der EU gestrichen zu werden und international als Alternative zur Islamischen Republik zu gelten. Gerade diese Bemühungen sprechen stark dagegen, dass die Mojahedin hinter den Morden an den Richtern stecken. Mit so einer Tat wären all die Bemühungen um internationales Ansehen mit einem Schlag zunichte. Auch die Tatsache, dass bereits wenige Stunden nach dem Anschlag offizielle Stellen der Islamischen Republik die Mojahedin als Drahtzieher im Staatsfernsehen präsentierten, spricht eher dagegen. Stünde diese Gruppe tatsächlich hinter der Tat, würde die Islamische Republik alles daran setzen, es zu vertuschen.
Erwartungsgemäß werden auch ausländische Mächte und natürlich insbesondere Israel als Auftraggeber ins Spiel gebracht. Israel hat in vergangenen Monaten mehrfach Führungspersonal der Islamischen Republik getötet, allerdings hat man sich bislang auf oberste politische Repräsentanten, militärisches Personal oder Wissenschaftler rund um das iranische Atomprogramm beschränkt. Also auf Ziele, die die Sicherheit Israels direkt gefährdet haben. Die beiden Richter passen nichts ins Bild. Es ist nicht zu erkennen, worin der Mehrwert für Israel liegen könnte. Ihre militärische und nachrichtendienstliche Stärke müssen die Israelis weiß Gott nicht mehr unter Beweis stellen.
Die Islamische Republik tut alles, um die Verantwortung für diese Tat den oben genannten Kreisen zuzuschieben. Womöglich war es aber weder eine (exil)oppositionelle Gruppe noch eine ausländische Macht. Vielleicht waren es Freunde oder Familienangehörige der Tausenden von Opfern, die durch die beiden Richter in den vergangenen Jahrzehnten gequält oder zum Tode verurteilt worden sind. Der ohnehin große Hass auf die Repräsentanten der Islamischen Republik hat in den letzten Monaten deutlich zugenommen: von Attacken, bei denen ihre Kopfbedeckung runtergerissen wird bis hin zu blutigen Angriffen, wie etwa der Mord am Mullah Mohammad Sabahi in Kazerun. Ihm wurde nach dem Freitagsgebet noch in der Moschee in den Kopf geschossen, ehe sich der Täter auch selbst in den Mund schoss.
Es wäre der größte Albtraum der Islamischen Republik, wenn die Menschen im Iran zu der Überzeugung gelangten, dass sie sich nur noch mit (bewaffnetem) Kampf gegen die Islamische Republik zur Wehr setzen könnten.
Auf den Kanälen und in den timelines wird der Tod der Richter hemmungslos gefeiert. Ein Satz taucht dabei besonders häufig auf: Wer Wind sät, wird Sturm ernten.