Al Quds-Marsch: Ein antisemitischer Kampftag

Bildquelle: privat
Redebeitrag, gehalten auf der anti-Al Quds Demonstration in Berlin am 29.03.2025
Es ist heute bereits Wesentliches zum Terrorregime der Islamischen Republik, zu seiner Rolle beim Angriff von Hamas und Islamischem Djihad auf Israel und zur jahrzehntelangen deutschen Kooperationspolitik mit dem Regime gesagt worden. Ich möchte hier Geschichte und Gegenwart des Al Quds Tages kontrastieren, um die Tiefe des Skandals der Duldung und Förderung des Regime-Antisemitismus in Deutschland und Europa deutlich zu machen.
Kurz nach dem islamistischen Umsturz im Iran 1979 begründete Ayatollah Khomeini den Al-Quds-Marsch und verkündete drei Leitmotive:
Erstens - Der Quds-Tag sei der „Tag des Islam, der Tag der islamischen Regierung, der Tag, an dem in allen Ländern die Flagge einer Islamischen Republik gehisst werden sollte“.
Diese Islamische Weltherrschaftsfantasie ist heute der am wenigsten überzeugende Part. Überall dort, wo die sogenannte Achse des Widerstands versucht, frontal militärisch zu agieren - ob im Gaza, Libanon oder Jemen - zeigt sich ihre militärische Unterlegenheit gegenüber Israel und den USA.
Khomeinis zweite Maxime war das Framing des Quds-Tags als Tag, an dem die vermeintlich wahren Gläubigen von den gemäßigten und nicht antisemitischen Muslimen unterschieden werden sollten. Der antisemitische Kampftag also als ideologische Scheidelinie innerhalb der Islamischen Welt.
Aber auch diese Behauptung ist heute prekärer denn je. Der 7. Oktober konnte die Abraham Accords zwischen Israel und seinen gemäßigten arabischen Nachbarstaaten nicht zerstören. In Syrien ist das Assad-Regime, das nur als Schnittpunkt der russisch-iranischen und der ‚Achse des Widerstands‘ gegen Israel überlebt hatte, sang- und klanglos von der Weltbühne abgetreten. Und selbst in Gaza demonstrieren die Menschen aktuell gegen die Terrorherrschaft der Hamas anstatt gegen Israel.
Bleibt drittens der Quds-Tag als Tag des Kampfs gegen Israel, an dem alle Mitglieder der Antisemitischen Internationale, ob Schiiten oder Sunniten, religiös oder säkular, links oder rechts, Antiimperialist oder Neonazi gemeinsam gegen den jüdischen Staat demonstrieren sollen.
Nur dieses Motiv des antisemitisch konnotierten antizionistischen Ressentiments hat noch Aussicht, Gehör zu finden - und die postkolonialen Massenaufmärsche bringen im Westen zum Teil mehr Menschen auf die Straße als im Mittleren Osten.
Die Islamische Republik entwickelte ein Proxy-System von Terrorgruppen, das vom Irak, dem Jemen, bis nach Libanon und Gaza reichte, während das Bündnis mit Assads Syrien als staatliche Drehscheibe für Geld und Waffen diente. Dieses System außenpolitischer terroristischer Expansion war immer der wichtigste Garant der Herrschaft der Mullahs.
Im Inneren war das Regime dagegen immer am schwächsten, musste seinen Islam als ‚republikanisch‘ verkaufen, anstatt einfach ein Kalifat auszurufen. Die verschiedenen innenpolitischen Experimente mit einem angeblichen ‚Reformislamismus‘ unter Rafsanjani, Khatami oder Rohani scheiterten alle krachend, die Neuauflage unter Raisis Nachfolger Peseschkian nimmt niemand mehr ernst.
Das war die Situation im Iran am Vorabend des 7. Oktober: der Aufstand der Frauen im Iran seit dem Herbst 2022 unter dem Motto Frau-Leben-Freiheit hatte das Regime in seine schlimmste ideologische Krise seit Gründung der Islamischen Republik gestürzt.
Im Iran drohte das verbleibende antiisraelische Dogma das Regime weiter zu isolieren. Schließlich verbinden mehr und mehr Iranerinnen und Iraner die außenpolitischen Abenteuer der Mullahs mit ihrem eigenen ökonomischen Elend und ihrer Unterdrückung.
Mit dem von der Islamischen Republik logistisch unterstützten Terrorpogrom von Hamas und Jihad Islami am 7. Oktober 2023 ergab sich eine neue Situation:
Nun konnte sich das Regime der Mullahs plötzlich im Westen einer Welle der Parteinahmen und Solidaritätsbekundungen in Bezug auf seine Frontstellung gegen Israel erfreuen. Die Mullahs können auf der Klaviatur nie bewältigter antisemitischer Ressentiments in Deutschland und im Westen spielen.
Damit ist das, was 1979 als vermeintlich verrückte Mullah-Fantasie begann, endgültig als Problem vor der eigenen Haustür kenntlich geworden, und man kann die eigene politische Positionierung dazu nicht ‚im Namen des Anderen‘ an Muslime und Palästinenser delegieren.
Die Hamas oder die mit der Islamischen Republik verbündeten jemenitischen Houthis wurden nach dem 7. Oktober zum Role Model von antiisraelischen Akademikern und Kulturaktivisten, wie Parolen auf zahlreichen Palästina-Demonstrationen in Europa und den USA seit eineinhalb Jahren dokumentieren.
In Berlin und Frankfurt wurden auch dieses Jahr Unterstützungsdemos für die antisemitische Agenda der Islamischen Republik angemeldet. Auch in anderen europäischen Ländern und in den USA sind ‚Al-Quds-Märsche‘ angekündigt.
Dass sich postkoloniale, queere und Kunstszenenaktivisten im Westen der Agenda Khameneis unterstellen, kann nicht mehr mit sublimen Formen des Ressentiments, einem derangierten linken Internationalismus oder falsch verstandenem Antirassismus erklärt werden. Die Parteinahmen für Teheran im Westen entspringen offensichtlicher denn je unmittelbarem antisemitischen Hass. Je offener sich die Islamische Republik als Inspirator, Organisator und Sponsor des größten antisemitischen Massakers nach 1945 zeigte, desto stärker wurde ihr Rückhalt im westlichen Palästina-Aktivismus.
Das falsifiziert alle westlichen Analysen, die den Antisemitismus des Regimes als taktisches Beiwerk betrachten. Im Gegenteil: Dieser Antisemitismus ist nicht nur der ideologische Kern der Islamischen Republik. Er erweist sich heute mehr denn je als strategische Waffe, die dem Regime Einfluss im gegnerischen Lager der westlichen Demokratien verschafft.
Und damit war 7. Oktober 2023 auch eine Konterattacke gegen den für das Regime lebensbedrohlichen ‚Frau – Leben – Freiheit‘-Aufstand im Iran. Der 7. Oktober hat der Islamischen Republik außenpolitisch ideologische Entlastung verschafft, nachdem sie im Iran ein Jahr vorher wie nie zuvor in die politische Defensive geraten war.
Der moderne Antisemitismus ist, wie Detlef Claussen einmal schrieb, ein ‚Code’, „mit dem sich die Menschen gegenseitig bestätigten, dass Emanzipation weder möglich noch wünschenswert sei – eine negative Utopie.“
Die konkrete Schlussfolgerung für alle, die bereit sind, gegen die antisemitische Internationale aufzustehen, lautet:
Es ist unsere politische Pflicht für maximalen Druck gegen die Islamische Republik und für maximalen Support für die iranische Umsturzopposition einzutreten.
Neben der von der sogenannten feministischen Außenpolitik verschleppten Terrorlistung der Revolutionsgarden lautet die aktuell wichtigste Forderung mit Ablaufdatum in diesem Sinne: Deutschland und/oder Frankreich und Großbritannien müssen sofort Snapback-Sanktionen gegen die Islamische Republik einleiten. Diese sind als Möglichkeit im Atomdeal von 2015 vorgesehen und könnten in der UNO nicht durch Veto blockiert werden. Das Zeitfenster dafür besteht allerdings laut JCPOA-Abkommen nur noch bis zum Sommer 2025.
Auch wenn niemand die aktuellen Kräfteverhältnisse im Iran exakt einschätzen kann: Dort befindet sich das Mullah-Regime in der ideologisch-politischen Defensive.
Der Kampf für eine befreite Gesellschaft dort bleibt einer der wenigen Lichtblicke in unserer Zeit und ein freier Iran wäre heute mehr denn je im unmittelbaren Interesse der Verteidigung zivilisatorischer Restposten im Westen.
Solidarität mit der Freiheitsbewegung im Iran!
Frau – Leben – Freiheit!
Am Yisrael Chai!
Nieder mit der Islamischen Republik!