Der ewige Botschaftskrieg gegen Israel

Denkmal für die in Buenos Aires ermordeten, Bildquelle: Stadtverwaltung von Buenos Aires
Von Tel Aviv bis Timbuktu, von London bis La Paz: Israels Diplomaten führen ein Dasein wie aus einem John-le-Carré-Roman – nur dass das Happy End ausbleibt und der Rest der Welt regelmäßig das Genre verwechselt. Man nennt es Realpolitik, doch der Nachgeschmack erinnert verdächtig an moralische Verwesung.
Es gibt Geschichten, die sich nicht wiederholen, weil sie nie aufgehört haben. Die Attentate auf israelische Botschaften gehören zu jenen Tragödien, die sich nicht in Jahreszahlen oder UNO-Resolutionen fassen lassen, sondern in Blut, Granatsplittern und der tauben Stille diplomatischer Empörung. Seit einem halben Jahrhundert werden Israels Gesandte gejagt – von links, von rechts, von Allahs kriegführenden Buchhaltern oder schlicht durchgeknallten Allianzen aus Ideologie, Islamismus und antisemitischer Chiffre. Die Reaktion der Welt? Betretenes Schweigen, bestenfalls ein gemeinsames Foto auf der Sicherheitskonferenz in München. Mit Betroffenheitsmiene und einem Glas Riesling.
1969 – Die Eröffnung: Drei Bomben, keine Erleuchtung.
Beginnen wir, wie sich's gehört, mit einer Explosion. Oder drei. 1969 trifft es Den Haag, Bonn und Brüssel nahezu gleichzeitig. Die Palästinenser entdecken ihre Leidenschaft für Diplomatie – auf die explosive Art. Man zündet, man verletzt, man erklärt. Damals, in der goldenen Ära der Befreiungskämpfe, als Terror noch revolutionär roch und Sozialisten in europäischen Hinterzimmern "Solidarität mit Palästina" wie einen aromatischen Pfeifentabak pafften.
Als 1972 ein israelischer Attaché in London durch eine Briefbombe stirbt, verliert man zwar ein Menschenleben, aber keineswegs die Contenance. Schließlich ist das Ganze irgendwie Teil eines größeren Konflikts, nicht wahr? Dass dieser „größere Konflikt“ mit schöner Regelmäßigkeit auf den Türschwellen israelischer Botschaften ausgetragen wird, scheint niemandem sonderlich aufzufallen – oder gar zu stören. Die einen nennen es asymmetrische Kriegsführung, die anderen eine geopolitisch gerechtfertigte Pyromanie. Der Diplomat indes nennt es meist posthum.
1973 stirbt Yosef Alon in Washington, D.C., durch eine Kugel. Bis heute weiß man nicht, wer es war. Vielleicht auch: Man will es gar nicht wissen. Denn das wäre unangenehm. Schließlich ist der Tod eines israelischen Militärattachés in der Hauptstadt der freien Welt ein PR-Desaster für alle Beteiligten – außer für die Täter, die fortan in der diplomatischen Amnesie ein komfortables Zuhause finden.
Ein Selbstmordattentäter fährt einen Lkw in die israelische Botschaft von Buenos Aires. 29 Tote, 240 Verletzte, ein ganzes Stadtviertel dem Erdboden gleich. Die Täter: mutmaßlich Iran und Hisbollah – aber da man zur selben Zeit mit dem Iran um Rohölpreise und Atomverhandlungen ringt, bleibt das Echo diplomatisch dosiert. Israelischen Blutkonserven haftet kein geopolitischer Nutzen an.
Die moralische Kompassnadel: immer schön Richtung „Ja, aber…“
Man stelle sich das Umgekehrte vor: Ein israelischer Agent schleust sich in eine iranische Botschaft ein und ermordet den Konsul. Man hätte den UN-Sicherheitsrat zur kollektiven Ohnmachtserklärung zusammengerufen. Stattdessen dürfen heute in Teheran Konferenzen über Holocaust-Leugnungen abgehalten werden, während in Brüssel Israelis unter Polizeischutz zur Arbeit gehen. So sieht die westliche Balance aus – ausgewogen wie ein Fadenkreuz auf einem Rücken.
Es sind nicht mehr nur palästinensische Splittergruppen, sondern auch globale Islamisten, die sich in die Tradition der Botschaftsattentate einreihen. 2004 in Taschkent, 2008 in Mauretanien, 2012 in Neu-Delhi: Überall das gleiche Muster, nur das Logo ändert sich. IS, Hisbollah, IRGC – ein Alphabet der Verachtung. Die Botschaften werden zu Wachtürmen in einer feindlichen Welt. Doch wehe, Israel wehrt sich. Dann heißt es prompt: „Unverhältnismäßigkeit.“
Ironie der Geschichte: Israels Botschaften sind sicherer als sein Ruf
Die einzig wirklich sichere Zone für einen israelischen Diplomaten scheint heutzutage die öffentliche Empörung über sein bloßes Dasein zu sein. Er kann angegriffen werden, solange er sich nicht wehrt. Er kann getötet werden, solange sein Staat nicht zu laut trauert. Und sollte die Sicherheitsvorkehrung allzu martialisch ausfallen, so droht gleich ein „Sicherheitsdiskurs“, in dem man über „Aggression“ debattiert – nicht über deren Ursache, sondern über deren Unbequemlichkeit.
Der Fall aus Washington im Mai 2025 – zwei Tote, ein Aufschrei, der bis zur ersten Pressemitteilung reichte – ist nicht der Beginn einer neuen Eskalation. Er ist ein weiterer Beleg dafür, dass das Gedächtnis internationaler Diplomatie selektiver ist als das Interesse an Menschenrechten, wenn diese von der falschen Seite verletzt werden. Es ist eine Kontinuität der Verdrängung, ein Ritual der Empörungsökonomie.
Denn was bleibt, ist nicht die Sicherheit. Was bleibt, ist das Protokoll. Und ein sicherer Platz in der Fußnote geopolitischer Heuchelei.