Sonntag, 22.06.2025 / 22:11 Uhr

Der IS erstarkt erneut in Syrien

Die Terrororganisation Islamischer Staat versucht, die Übergangssituation in Syrien auszunutzen, um die politischen und sicherheitsrelevanten Infrastrukturen des Landes zu treffen.

Anmerkung: Nachdem dieser Beitrag erschienen ist, sprengte sich ein Mitglied des IS in der Mar Elias Kirche in Damaskus in die Luft und riss über zwanzig Menschen mit sich in den Tod.

Die Bedrohung durch den Islamischen Staat in Syrien ist deutlich größer geworden, da die Gruppe ein Sicherheitsvakuum im Land ausnutzt, das sich nach dem Sturz des Regimes von Baschar al-Assad im Dezember 2024 in einer Übergangsphase befindet. Mehr als zwanzig Personen, darunter Sicherheits- und Politikvertreter aus Syrien, dem Irak, den Vereinigten Staaten und Europa sowie Diplomaten in der Region berichteten gegenüber Reuters, die Gruppe habe begonnen, ihre Kämpfer in Syrien und im Irak zu reaktivieren, potenzielle Ziele zu identifizieren, Waffen zu verteilen und ihre Rekrutierungs- und Propagandabemühungen zu intensivieren.

Nach Angaben der SITE Intelligence Group, die Aktivitäten militanter Gruppierungen überwacht, hat der Islamische Staat (IS) in den ersten fünf Monaten des heurigen Jahres die Verantwortung für 38 Anschläge in Syrien übernommen. Am 18. Mai verübte er seinen ersten gegen die neue syrische Regierung und nahm dabei ein Sicherheitshauptquartier in der Provinz Deir ez-Zor ins Visier. Insgesamt haben die neuen syrischen Behörden und die kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte seit Januar mindestens zehn ähnliche Anschlagspläne vereitelt, darunter Versuche, religiöse Stätten zu bombardieren oder ein Attentat auf den syrischen Übergangspräsidenten Ahmed al-Sharaa zu verüben.

Darüber hinaus teilten zwei europäische Beamte gegenüber der Nachrichtenagentur mit, dass die Geheimdienste in den letzten Monaten zum ersten Mal seit Jahren die Ankunft einer begrenzten Anzahl ausländischer Kämpfer aus Europa in Syrien festgestellt hätten, jedoch nicht klären konnten, ob diese vom Islamischen Staat oder einer anderen Gruppe rekrutiert worden war.

Gefährliche Eskalation

In diesem Zusammenhang schrieb Aaron Y. Zelin, Fellow am Washington Institute for Near East Policy, der IS habe seine Aktivitäten »als begrenzte Rebellenbewegung unter der neuen syrischen Regierung fortgesetzt« und es Anzeichen gebe, »dass seine Bedrohung in einem Ausmaß fortbesteht, das nicht ignoriert werden kann«. So habe seit April, als die Vereinigten Staaten begannen, ihre Truppen in Syrien von 2.000 auf etwa 700 Soldaten zu reduzieren, die Zahl der IS-Angriffe deutlich zugenommen. Seit Beginn des US-Rückzugs hätten sich die Angriffe von fünf pro Monat in den ersten Monaten dieses Jahres auf vierzehn gesteigert. Es sei nicht überraschend, dass der IS versucht, »die derzeitige Übergangssituation in Syrien auszunutzen, ganz im Sinne seiner traditionellen Vorgehensweise, jedes noch so kleine Machtvakuum zu füllen«.

Der Generalsekretär der syrischen Liwa-Partei, Malek Abu Khair, sagte gegenüber Sky News Arabia, die Aktivitäten und Bewegungen des Islamischen Staates würden immer deutlicher: »Wir beobachten eine organisierte Rückkehr der Organisation in den Süden Syriens, insbesondere aus den Tiefen der syrischen Badia [den südöstlichen Regionen des Landes] bis hin zur Stadt Suwayda. In Daraa [im Südwesten] sind Schläferzellen aktiv geworden und wir haben Informationen darüber, dass der IS von Waffenlagern profitiert, die vom früheren Regime zurückgelassen wurden, wodurch die Terrororganisation ihre Agenda neu ordnen und sich in der gesamten syrischen Badia ausbreiten konnte.«

Abu Khair wies auch darauf hin, dass der Islamische Staat die aktuelle politische Situation der Übergangsphase ausnutze, um die soziale und sicherheitsrelevante Infrastruktur zu treffen, und warnte, dass es sich hierbei nicht um kleine Bewegungen handle, sondern um den Auftakt zu einer gefährlichen Eskalation.

Darüber hinaus beschränkt sich die Bedrohung nicht nur auf Operationen vor Ort; der IS ist zunehmend aktiv in der Rekrutierung und Propaganda, bestätigte der Forscher am Abaad Center Arabi Arabi. Die Terrorgruppe versuche, »die Unzufriedenheit in den Reihen anderer bewaffneter Gruppen auszunutzen, insbesondere unter Kämpfern mit dschihadistischem Hintergrund, die von der moderaten politischen Rhetorik der neuen syrischen Regierung enttäuscht sein könnten«.

Laut Arabi setzt die Organisation zunehmend auf »aufwieglerische Rhetorik«, welche die neue Regierung als »Verräter am Blut der Syrer« darstellt. Außerdem versuche sie, ihre Propaganda über Telegram-Kanäle und Mediennetzwerke zu verbreiten, um ihre (virtuelle) Präsenz zu erhöhen.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch