Montag, 09.06.2025 / 18:56 Uhr

Iran: Regime plündert Bevölkerung durch Inflation aus

Bildquelle: BockoPix, Flickr

Im heutigen Iran sind Armut und Inflation nicht mehr nur bekannte Begriffe, vielmehr sie sind zu einem festen Bestandteil des Alltags geworden.

Die Wirtschaftskrise, die den Iran erfasst hat, ist nicht nur das Ergebnis ausländischer Sanktionen oder globaler Bedingungen, sondern zu einem erheblichen Teil auf die Politik der herrschenden Elite zurückzuführen. Was wir erleben, ist nicht mehr nur Inflation im wirtschaftlichen Sinne, sondern eine tiefere und heimtückischere Form, eine versteckte Inflation und institutionalisierte Unterversorgung, die direkt vom Mullah-Regime und den ihm nahestehenden Unternehmen orchestriert werden. Das Ziel ist nichts anderes als die Ausbeutung der Bevölkerung und die Normalisierung der Armut.

Während die staatlichen Medien weiterhin versuchen, ein rosiges Bild der Lage zu zeichnen und manipulierte Statistiken verbreiten, um die öffentliche Meinung zu beruhigen, sieht die Realität auf den Märkten ganz anders aus. Die Preise für lebenswichtige Güter sind in den letzten Jahren in die Höhe geschossen, doch da direkte Preiserhöhungen immer schwieriger zu rechtfertigen sind, greifen das Regime und seine Unternehmensverbände zu raffinierteren Taktiken. Diese Strategien mögen subtil erscheinen, doch in der Praxis sind sie für die ohnehin schon notleidende Bevölkerung weitaus repressiver.

Die Tricks

Eine solche Taktik ist die organisierte Verringerung der Menge oder des Gewichts von verpackten Waren ohne Anpassung des Preises. Produkte wie Joghurt, Käse, Kekse und sogar einfache Snacks werden nun in scheinbar unveränderten Verpackungen verkauft, die in Wirklichkeit deutlich weniger Inhalt enthalten.

Oft bemerken die Verbraucher den Betrug erst nach dem Öffnen und bei der Verwendung des Produkts, also erst dann, wenn eine Rückgabe unmöglich ist, und das Gefühl, betrogen worden zu sein, verstärkt die Frustration der Menschen.

Dieser Trend wird von großen Unternehmen wie Mihan und anderen, die entweder in staatlichem Besitz oder eng mit dem Regime verbunden sind, mit Präzision und Raffinesse umgesetzt. Es handelt sich dabei um dieselben Unternehmen, die sich bereits bei früheren sozialen Unruhen, darunter auch bei den Protesten von 2022, loyal gegenüber den Herrschenden gezeigt haben, indem sie sich auf die Seite der Sicherheitskräfte stellten.

Diese Form der Unterlieferung ist nicht bloß ein Fehlverhalten kommerzieller Betriebe, sondern eine bewusste Wirtschaftspolitik: eine Politik, die systematisch mit Regierungsbehörden und großen Produzenten abgestimmt ist und darauf abzielt, die sichtbaren Inflationszahlen künstlich niedrig zu halten, während die reale Inflation die Haushalte weiterhin belastet. Was tatsächlich geschieht, ist eine bewusste Verlagerung der wirtschaftlichen Lasten auf die arme und mittlere Bevölkerungsschicht. Durch den Verkauf kleinerer Mengen zu gleichen oder gar höheren Preisen erscheinen die offiziellen Inflationsraten überschaubar, aber die tatsächlichen Kosten werden von der Bevölkerung getragen.

Die versteckte Inflation beschränkt sich nicht nur auf reduzierte Mengen. Die Verschlechterung der Produktqualität ist ein weiteres trügerisches Mittel, um Preise heimlich zu erhöhen. Viele Unternehmen, insbesondere in der Lebensmittelindustrie, greifen auf billigere, minderwertigere oder sogar unsichere Rohstoffe zurück, um Kosten zu senken – und halten dabei den Endverkaufspreis auf demselben Niveau oder erhöhen ihn sogar. Dies schadet nicht nur dem Vertrauen der Öffentlichkeit in die Hersteller, sondern stellt auch eine direkte Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar.

Eine weitere in den chaotischen Märkten weit verbreitete Taktik ist die doppelte Preisauszeichnung. Es ist mittlerweile üblich, dass ein und dasselbe Produkt mit zwei oder mehr unterschiedlichen Preisen ausgezeichnet ist. Die Verkäufer entscheiden sich in der Regel für den höheren Preis und begründen dies mit Inflation oder Marktinstabilität und es gibt keine wirksame Kontrolle, um jemanden für dieses Vorgehen zur Rechenschaft zu ziehen. Das chaotische Preissystem ist ein deutliches Zeichen für den Zusammenbruch der Regulierung und den fehlenden politischen Willen, die Verbraucherrechte zu schützen.

Darüber hinaus sind Zwangsverkäufe in vielen Geschäften und Vertriebsketten an der Tagesordnung. So können Käufer beispielsweise gezwungen werden, weniger benötigte Artikel wie Speiseöl oder Limonade zu kaufen, um Zugang zu stark nachgefragten Waren wie Reis oder Geflügel zu erhalten. Diese illegalen Praktiken werden unter den Augen der Aufsichtsbehörden, von denen viele selbst involviert bzw. machtlos sind, ungestraft fortgesetzt.

Bewusste Politik

Der vielleicht kritischste Punkt an all dem ist, dass diese Phänomene nicht, wie man vermuten könnte, ein Zeichen der Unfähigkeit der Regierung sind, sondern Teil einer bewusst kalkulierten Strategie, die darauf abzielt, die Mittel- und Unterschicht des Landes die Krise tragen zu lassen – also genau jene Schichten, die in der Vergangenheit den politischen und sozialen Wandel im Iran vorangetrieben haben und die heute durch erdrückende Kosten, sinkende Realeinkommen und den täglichen Kampf um Grundbedürfnisse in die Knie gezwungen werden.

Durch die schrittweise Abschaffung grundlegender Lebensstandards und den Abbau des Verbraucherschutzes wird die Gesellschaft in einen Zustand der völligen ökonomischer Entrechtung gedrängt. Es gibt keine festen Preise, keine Qualitätsgarantien, keine wirksame Aufsicht und keinen Raum für Beschwerden. Selbst die sozialen Medien, oft die einzige Plattform für öffentliche Proteste, unterliegen einer unerbittlichen Zensur.

Was der Iran erlebt, ist eine langsame Ausplünderung der Bevölkerung – nicht nur durch Gewalt und Zwang, sondern durch Verpackungen, Preisschilder und sogenannte Marktsteuerung. Das Regime hat nicht nur keinen Plan zur Eindämmung der Inflation, sondern versucht, sie auf die Armen und die Mittelschicht umzuwälzen. Das ist keine ökonomische Misswirtschaft, sondern eine neue Form der Unterdrückung, die still, unsichtbar und mit alarmierender Effizienz funktioniert.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch