Freitag, 31.10.2025 / 13:29 Uhr

Neueste Umfragen aus Gaza geben nicht die Meinung der Bevölkerung wieder

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Mohammad Altlooli

Einer neuen Umfrage von PCPSR zufolge unterstützt eine Mehrheit der Bevölkerung auch in Gaza weiterhin die Hamas. Dies stimmt nicht mit der Realität überein.

Der kürzlich vom Palestinian Center for Policy and Survey Research (PCPSR) veröffentlichte Bericht zur sogenannten palästinensischen öffentlichen Meinung ist keine neutrale wissenschaftliche Arbeit. Es handelt sich um ein politisch motiviertes Projekt, dem es an methodischer Integrität mangelt und das dazu dient, extremistische Narrative zu bestärken, welche die anhaltenden Konflikte und Gewaltzyklen in der Region rechtfertigen. Weit davon entfernt, die wahre Stimme der Palästinenser widerzuspiegeln, verzerrt der Bericht deren kollektive Sehnsucht nach Frieden, Würde und Stabilität.
 

Jeder seriöse Forscher weiß, dass die Durchführung einer freien und unabhängigen Umfrage in Gaza unter den gegenwärtigen Umständen praktisch unmöglich ist. Die Bevölkerung lebt unter der strengen Kontrolle der Hamas, die Sicherheit, Medien und das öffentliche Leben dominiert. Die Befragten sind sich der Tatsache sehr wohl bewusst, dass die Äußerung von Meinungen, die denen der herrschenden Machthaber widersprechen, zu Schikanen, Bestrafung oder dem Ausschluss von Hilfsleistungen führen kann. In einem solchen Umfeld repräsentieren die Antworten in Umfragen nicht die wirkliche öffentliche Meinung, sondern spiegeln Angst und Zwang wider. Was die Daten messen, ist nicht Überzeugung, sondern Überlebensinstinkt.

 

Menschenwürde statt Krieg
 

Die Behauptung des Berichts, viele Gaza-Bewohner befürworteten weiterhin die „militärische Option“, ist eine Beleidigung für all jene, die unerbittliche Bombardierungen und Verluste erlitten haben. Menschen, deren Häuser zerstört und deren Kinder getötet wurden, sehnen sich nicht nach weiterem Krieg. Die schweigende Mehrheit in Gaza lehnt die Militarisierung des Lebens ab, kann dies aber nicht frei äußern. Im privaten Gespräch, fernab der Blicke der Sicherheitskräfte, kritisieren viele Einwohner sowohl Hamas als auch Fatah. Sie plädieren für einen Kampf für Entwicklung, Bildung und Menschenwürde – nicht für einen Kampf, der von Waffen und Blutvergießen bestimmt wird.
 

Darüber hinaus bedeutet die Darstellung der bewaffneten Auseinandersetzungen in Gaza als „Wahl des Volkes“, die externen Kräfte zu ignorieren, die diese Realität prägen. Die Militärstrategie in Gaza wird weitgehend von Regionalmächten – insbesondere dem Iran – diktiert und durch die Hamas im Rahmen umfassenderer geopolitischer Agenden umgesetzt. Diese Agenden haben wenig mit dem Wohlergehen der einfachen Palästinenser zu tun. Wenn der Gazastreifen zum Testgelände für Raketen oder zur Plattform für ausländische Botschaften wird, ist es eine Verdrehung von Tatsachen und eine Verzerrung der Sprache.
 

Ebenso beunruhigend ist die mangelnde Transparenz der Umfrage. Es fehlen klare Angaben zu den Stichprobenmethoden, der Sicherheit der Teilnehmenden und der Überprüfung der Antworten. In einem gespaltenen, traumatisierten und stark überwachten Umfeld können Statistiken allein die Realität nicht erfassen. Echte Sozialwissenschaft benötigt Kontext, und dieser Bericht lässt ihn bewusst aus. Seine Schlussfolgerungen scheinen vorgefertigt, um eine bestimmte politische Erzählung zu untermauern – nämlich, dass Palästinenser die Gewalt aus eigenem Antrieb wählen. Das ist keine Forschung, sondern Propaganda im Gewand von Daten.

 

Verzerrtes Bild
 

Der Schaden reicht weit über akademische Kreise hinaus. Berichte wie dieser werden in zahlreiche Sprachen übersetzt und von westlichen Medien zitiert, wo sie verzerrte Vorstellungen von Palästinensern als einem Volk verstärken, das den Krieg dem Frieden vorzieht. In Wahrheit sehnen sich die Palästinenser – insbesondere im Gazastreifen – verzweifelt nach Wiederaufbau, Sicherheit und einer Zukunft ohne Angst. Sie wollen ihre Häuser wiederaufbauen, ihre Kinder ausbilden und nach Jahren der Verwüstung zu einem normalen Leben zurückkehren. Indem die Arbeit des PCPSR manipulierte Zahlen als authentische Gefühle darstellt, nährt sie extremistische Narrative, die Kollektivstrafen rechtfertigen und Leid verlängern.
 

Dieser Bericht spricht nicht für die Palästinenser in Gaza. Er spiegelt vielmehr einen ethischen Verfall in der Forschung wider – den Moment, in dem Wissenschaft zum politischen Instrument wird. Zahlen und Diagramme zu erstellen ist leicht; weitaus schwieriger ist es, der zum Schweigen gebrachten Mehrheit zuzuhören, deren Stimmen von Waffen und Propaganda übertönt werden. Eine von Belagerung und Verlust gebrochene Bevölkerung lässt sich nicht auf Statistiken reduzieren. Die Wahrheit liegt nicht in erfundenen Prozentzahlen, sondern in der menschlichen Realität – in der tiefen Sehnsucht der Palästinenser nach Frieden, Würde und einem Leben jenseits von Manipulation und Angst.

 

Unmut in der Westbank
 

In der Westbank sieht es etwas anders aus, denn dort haben die Menschen nicht zwei Jahhre Krieg hinter sich. Aber dort brodelt die Wut unter der Oberfläche – nicht aus Begeisterung für die Hamas, sondern aus Frustration und Erschöpfung angesichts der Korruption und Stagnation der Fatah. Viele Menschen bekunden ihre Unterstützung für die Hamas dabei nur formal, um zu protestieren und ihre Ablehnung der Fehler der Palästinensischen Autonomiebehörde sowie des schwindenden Vertrauens in deren Führung zum Ausdruck zu bringen. Diese Stimmung ist weniger ideologisch als vielmehr Ausdruck von Verzweiflung. Sie spiegelt eine Bevölkerung wider, die das Vertrauen in die traditionelle Politik verloren hat und keine wirkliche Alternative sieht.

 

Auch wenn die Zahlen nicht die Realität widerspiegeln, zeigen sie trotzdem, dass leider nach Jahren der Indoktrination durch Medien, Schulbücher und Politiker noch immer viel zu viele Palästinenser daran glauben, dass die Hamas ihr Leben verbessern könnte. Deshalb bedarf es in Zukunft auch nicht nur eines Wiederaufbaus von Häusern und Infrastruktur, sondern auch eines völlig neuen Bildungssystems und freier Medien, damit das Gift, das die Hamas in die Köpfe so vieler Menschen gepflanzt hat, verschwindet und neue Perspektiven ohne Hass und radikale Ideologien entstehen.

 

Mohammed Altlooli ist palästinensischer Bürgerrechtler und Gründer der Temporary Palestinian Civil Affairs (TPCA).

 

(Aus dem Englischen übersetzt mit Hilfe von Google Translate)