Profit statt Prinzipien: Der Umgang der bayerischen Landesregierung mit früheren Wirtschaftsbeziehungen zum Iran
Wir hatten im Oktober 2023 eine Anfrage an das Bayrische Wirtschaftsministerium gestellt. Folgend unsere Stellungnahme dazu.
Auf unseren Forderungskatalog „Keine Kumpanei mit dem iranischen Regime!“ vom 15. Oktober 2023 erhielten wir von Florian Obermayer, dem stellvertretenden Leiter des Referats Afrika, Naher und Mittlerer Osten, Türkei, Entwicklungszusammenarbeit des Bayerischen Wirtschaftsministeriums, am 16. November eine umfangreiche Antwort, auf die wir im Folgenden näher kritisch eingehen wollen.
So heißt es zu Beginn der Antwortmail: „Im Zuge der Bemühungen um ein Atomabkommen mit dem Iran (JCPOA Joint Comprehensive Plan of Action) hatte sich der Freistaat Bayern 2015-2019 um eine Annäherung von bayerischen und iranischen Akteuren, besonders im Bereich Wirtschaft, bemüht. Dabei schwang die Hoffnung mit, dass die Wiederaufnahme stärkerer (Wirtschafts)Beziehungen auch einen Beitrag zu einer Befriedung der gesamten Region leisten kann.“
Die Vorstellung, mit ökonomischen Beziehungen nach dem Motto „Wandel durch Handel“ zu einer „Befriedung“ beizutragen, soll das primäre Interesse der bayerischen Wirtschaft nach Profiten verschleiern. Der antisemitische Charakter des iranischen Regimes, seine beständigen Vernichtungsdrohungen in Richtung des jüdischen Staates waren auch damals bekannt. Der bayerische Staat hat sich auf die Seite bayerische Kapitalinteressen und damit zum Helfershelfer des für Jüdinnen*Juden weltweit gefährlichsten Regimes – dem Iran – gemacht.
Mit Maschinen wurde aus Bayern daraufhin auch kriegswichtiges Material exportiert. Und durch Importe aus dem Iran gelangte auch dessen Regime an zusätzliche Finanzmittel. Das bedeutete: mehr Geld für den Iran und auch mehr Geld für die Hamas und andere irantreue Milizen (Huthi, Hisbollah, etc.)
Unserer Auffassung nach ist das Motto „Wandel durch Handel“, unter dem die bayerische Wirtschaft ihre Beziehungen mit dem Iran unter Protektion der Staatsregierung seit 2015 intensivierte, ein Täuschungsmanöver. Es ging darum, den Geschäften der bayerischen Unternehmen mit iranischen Staatsbetrieben einen humanitären Anstrich zu verleihen. Der wahre Grund: Profit für das bayerische Kapital. Dieser geht somit auf Kosten jüdischer Sicherheit und jüdischen Lebens.
Im weiteren Verlauf steht in der Antwort: „Nach der Ankündigung des Ausstiegs der Vereinigten Staaten von Amerika aus dem JCPOA-Abkommen im Frühjahr 2018 hat sich ein Großteil der bayerischen Wirtschaft nach Kenntnis der Staatsregierung relativ rasch aus ihren Iran Geschäften zurückgezogen. Es gibt kein staatliches bayerisches Büro in Iran. Das Bayerische Wirtschaftsministerium unterhält seit Längerem keinen Kontakt mehr zu iranischen Stellen, weder in Bayern noch in Iran.“
Das Wirtschaftsministerium gibt immerhin zu, dass die ökonomischen Beziehungen aufgrund des Ausstiegs der USA aus dem Atomdeal zurückgefahren wurden – und nicht etwa, weil man selbst zur Einsicht gelangte, dass die Unterstützung des iranischen Terror-Apparats falsch sei. Das heißt umgekehrt aber auch, dass die Wirtschaftsbeziehungen wieder reaktiviert werden könnten, sobald sich die diplomatische Situation zwischen den USA und dem Iran entspannen sollte. „Die destruktive Rolle des Iran und anderer Akteure in der Region ist bekannt“, heißt es zu Beginn der Antwort des Wirtschaftsministeriums. Aber nicht bekannt genug offenbar, um nachhaltige Konsequenzen daraus ziehen zu wollen.
Zu unserer konkretisierenden Forderung, die Middle East Bank Munich Branch mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu verfolgen, antwortet das Wirtschaftsministerium: „Die Middle East Bank ist eine von den zuständigen Behörden in Deutschland zugelassene und beaufsichtigte Bank, die den geltenden Sanktionsbestimmungen wie alle anderen Kreditinstitute unterliegt.“
Faktisch hatte der bayerische Staat die Mullah-Bank mit Sitz in München – örtlich nicht zufällig einen Steinwurf vom Sitz der kürzlich von einer Razzia betroffenen Islamischen Vereinigung Bayern entfernt – selbst angeworben, sich in Bayern anzusiedeln. Offenbar werden islamistische Kapitalverwalter auf bayerische Staatskosten in die Landeshauptstadt geholt, aber für den Rauswurf sollen dann die Bundesbehörden zuständig sein.
Von Kreditgeschäften mit der Middle East Bank profitiert am Ende nur das iranische Regime und, dadurch vermittelt, die Hamas. Das bayerische Wirtschaftsministerium hat der Middle East Bank in München den Teppich selbst ausgerollt, sie sollte auch mithelfen, ihn wieder einzurollen.
Auf unsere Forderung an die bayerische Staatsregierung, Hilfestellungen bei der Umgehung der Sanktionen in Zukunft zu unterlassen und auf die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) einzuwirken, keine Geschäfte mit iranischen Unternehmen zu bewerben und der iranischen Investitionsbehörde keine Räume mehr bereitzustellen, heißt es vonseiten des Wirtschaftsministeriums:
„Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) ist eine Privatorganisation der Wirtschaft, auf die staatlicherseits jenseits der klar kommunizierten Verurteilung der Rolle des iranischen Regimes im Nahen Osten und der staatlich überwachten Pflicht zur Beachtung der sehr restriktiven Sanktionsregelungen keine 'Einwirkung' erfolgt. Ähnliches gilt für den Bayerischen Industrie- und Handelskammertag (BIHK) e. V. als Dachorganisation der neun Industrie- und Handelskammern in Bayern. Wir bitten, jeweils direkt bei diesen Institutionen nachzufragen. Nach unseren Informationen wird das Iran-Büro der vbw derzeit aufgelöst.“
Das Ministerium zieht sich auf die angeblichen Regeln der sogenannten freien Marktwirtschaft zurück, laut denen nur eine beschränkte „Einwirkung“ durch den Staat erfolgen solle. Als der Atomdeal 2015 beschlossen wurde, reiste allerdings eine bayerische staatliche Delegation noch vor Ratifikation des Deals unter der Führung der damaligen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, begleitet von einem hundertköpfigen Tross, nach Teheran, um ökonomische Beziehungen zu knüpfen und zu vertiefen.
Daraus entstanden unter anderem Staatsverträge, zum Beispiel das am 4. September 2016 geschlossenen "Memorandum of Understanding" zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen dem Bayerischen Staatministerium für Wirtschaft und dem iranischen Energieministerium, worüber sich das Staatsministerium in seiner Antwort ausschweigt.
Die Staatsregierung sieht sich also dazu in der Lage, Wirtschaftsbeziehungen zu zentralen Feinden Israels anzuleiern und staatsvertraglich zu untermauern, aber nicht, sie wieder zu lösen und in die entgegengesetzte Richtung zu wirken.
Mit den zitierten Zeilen und der Leugnung jeglicher Einwirkungsmöglichkeiten redet sich das Wirtschaftsministerium aus seiner Verantwortung heraus und verweist auf die Alleinverantwortung der vbw und der BIHK. Ist der bayerischen Staatsregierung die Sicherheit Israels schlicht egal oder fehlt ihr die Kraft, bzw. der Willen, sich mit der bayerischen Kapitalseite anzulegen?
Darüber hinaus ist die Behauptung der bayerischen Staatsregierung in ihrer Antwort, dass sie die Einhaltung von Sanktionen staatlich überwacht, zumindest im wesentlichen Teil unrichtig. Ilse Aigner erklärte in einer Pressemitteilung vom 2. September 2016, dass „[b]eim Zahlungsverkehr oder den Handelsfinanzierungen […] bayerische Unternehmen oft noch vor Problemen“ stünden, die gelöst werden müssten.
Welche Probleme diese genau waren, geht aus einer Anfrage der SPD im bayerischen Landtag an Aigners Ministerium von 2017 hervor: „Die in den USA bestehenden Sanktionen können sich auf ein mögliches Iran-Engagement deutscher Kreditinstitute einschränkend auswirken. […] Die Staatsregierung war bzw. ist auf unterschiedlichen Ebenen bestrebt, an der Lösung bestehender Problemstellungen mitzuwirken.“ Konkret: Es ging darum, noch herrschende US-Sanktionen zu umgehen. Von einer Überwachung kann kaum die Rede sein, vielmehr hatte sich die Staatsregierung als Steigbügelhalter zur Umgehung von Sanktionen gegen den Iran nachgerade empfohlen.
Auch folgender Satz aus der Antwort des Wirtschaftsministeriums dient wohl dazu, in die Irre zu führen: „Die LfA Förderbank Bayern bietet generell keine Exportkreditgarantien (Hermesdeckungen) an.“ Diese Aussage bezieht sich auf unsere Forderung an die Landesregierung, „dafür zu sorgen, dass Exportkreditversicherungen für Irangeschäfte von öffentlicher Seite – wie beispielsweise von der LfA Förderbank Bayern – zukünftig nicht mehr angeboten werden.“
Hintergrund ist unter anderem folgender Hinweis im Exportbericht Iran der BIHK aus dem Jahr 2020: „Zu beachten ist auch die Möglichkeit einer Exportkreditversicherung. Dafür steht Ihnen in Bayern der private Versicherungsmarkt (Atradius, AKA, Coface) sowie die LfA Förderbank Bayern und das staatliche Exportgarantiesystem Euler Hermes oder KfW zur Verfügung.“
Demnach besteht oder bestand jedenfalls die Möglichkeit von Exportkreditversicherungen durch die LfA Förderbank - entweder direkt oder vermittelt. Das Wirtschaftsministerium weicht unserer Argumentation gezielt aus. Unsere Forderung, dass sie für Irangeschäfte nicht mehr staatlicherseits angeboten oder vermittelt werden, steht weiterhin.
Im Übrigen hatte die CSU als Teil der Bundesregierung bis 2021 ebenfalls starke Einflussmöglichkeiten auf die Politik der Hermesdeckungen. Für die Hermesdeckungen für Irangeschäfte ist sie also mitverantwortlich.
Das Wirtschaftsministerium erklärt in seinem Schreiben, dass ein bayerisches Büro im Iran nicht existiert. Unsere Forderung ist jedoch, "jegliche staatliche, halbstaatliche oder staatlich protegierte Dependance Bayerns im Iran, die Handelsbeziehungen dienen soll, zu schließen bzw. dieser die staatlichen Mittel zu entziehen". Uns geht es nicht um bayerische Einrichtungen mit Fahnenmast im Iran, deren Fahnen derzeit eingerollt sind, sondern insbesondere um die über Jahrzehnte gewachsenen Grauzonen der bayerisch-iranischen Beziehungen, die leidlich On-Hold sind – und nach dem Wegfall von Sanktionen wieder aufblühen sollen.
Zusammengefasst erteilt das Wirtschaftsministerium sämtlichen Forderungen eine Absage. In den meisten Fällen versucht sich das Ministerium allerdings mit rhetorischen Finten, bewussten Missverständnissen und ausweichenden Antworten aus der Verantwortung zu stehlen. Es verschiebt die Verantwortung auf die Wirtschaftsverbände, die aber doch von der Regierung hinsichtlich ihrer Beziehungen mit dem Iran jahrelang ermutigt und unterstützt wurden.
Wir fordern die Staatsregierung weiterhin dazu auf, den Kampf gegen das Regime in Teheran aktiv aufzunehmen und die Opposition zu unterstützen – und alle staatlichen Brücken zum Regime abzubauen. In seiner aktuellen Verfassung ist mit einem bayerischen Staat, der nicht einmal im Stande ist, seine offenkundigen Fehler einzuräumen, und bestehende Beziehungen vertuscht, nur schlecht ein Kampf gegen Antisemitismus und Antizionismus zu machen.
Was unsere Forderung nach besserem Schutz jüdischen Lebens in Bayern angeht, so halten wir die bislang erfolgten Maßnahmen für unzureichend. Wir fordern die Einrichtung einer zentralen Stelle beim BLKA, die sich um den Schutz der jüdischen Gemeinden kümmert; unserer Auffassung nach besteht die Gefahr, dass aufgrund lediglich lokaler Zuständigkeiten manche Synagogen weniger Schutz erfahren als andere. Zur besseren Koordination bedarf es daher einer überregionalen bayernweiten Stelle, die für den Schutz der Gemeinden zuständig ist.