Mörderische Allianzen – Wie Abu Dhabi Moskau und auch Europa den Zerfall des Sudan und Libyens mitverwalten
Flucht vor herannahenden Milizen im Sudan
Im Schatten der Weltöffentlichkeit kämpfen im Sudan und Libyen zwei nichtstaatliche Militärformationen um Macht und Gold. Unterstützt von Abu Dhabi, geduldet von Moskau – und indirekt mitfinanziert aus Brüssel.
Es ist ein Krieg ohne Pressekonferenzen, aber mit Flugplänen. Iljuschin-76-Transportmaschinen landen regelmäßig in Kufra, Südlibyen. Ohne Hoheitszeichen, dafür mit Ladung: Drohnen, Munition, nagelneue Pickups. Von dort gehen sie weiter nach Darfur. Dort kämpfen die Rapid Support Forces (RSF) gegen die sudanesische Regierung. Auf der anderen Seite der Grenze hält Khalifa Haftar, Anführer der selbsternannten Libyschen Nationalarmee (LNA), Ostlibyen unter Kontrolle. Beide Milizen – die eine staatsähnlich, die andere bereits staatlich – führen Krieg nicht gegen Terroristen, sondern gegen staatliche Ordnung.
Seit April 2023 tobt im Sudan ein Bürgerkrieg. Die sudanesische Armee trifft auf einen Feind, den sie selbst mit aufgebaut hat: die RSF. Entstanden aus den berüchtigten Janjaweed-Milizen, wurden sie im Rahmen des sogenannten Khartum-Prozesses von der Europäischen Union als Partner in der „Migrationskontrolle“ anerkannt – und alimentiert.
Wer? Hametti. Was? Grenzschutz. Warum? Migration. Wie viel? Genug für eine Armee.
Der Ursprung liegt in Europa
Als der Spiegel 2019 fragte, ob die RSF von EU-Geldern profitiert habe, war die Antwort ein diplomatisches Meisterstück: Ja, indirekt. Nein, nicht beabsichtigt. Vielleicht. Jedenfalls: weiter so.
200 Millionen Dollar flossen in ein System, das Schleuser in Uniform bezahlte, Geflüchtete internierte und lokale Kommandeure zu Unternehmern machte. Migration wurde nicht bekämpft, sondern monetarisiert. Ein sudanesischer Jurist kommentierte trocken: „Die Richter kassieren, die Polizei liefert. Und Brüssel bezahlt die Ausstattung.“
Statt Fluchtursachen zu bekämpfen, schuf man neue. Die RSF wurde zur faktisch zur bewaffneten Verwaltungsbehörde von Europas Angst.
Die Vereinigten Arabischen Emirate treten nicht als Kolonialmacht auf. Ihre Expansion funktioniert diskret. Statt Fahnen hissen sie Flugrouten. Statt Manifeste schreiben sie Schecks.
Von Libyen bis Somalia finanzieren die VAE lokale Milizen, die das Versprechen von Stabilität durch Gewalt einlösen. Die RSF ist nur ein Knoten in diesem Netz. Die LNA ein weiterer. In beiden Fällen lautet die Strategie: territoriale Kontrolle, Rohstoffsicherung, Loyalität gegen Technik.
Anfang dieses Monats warf die sudanesische Regierung den Emiraten offiziell „Beihilfe zum Völkermord“ vor. Das Verfahren – eine Premiere. Das Verbrechen – Routine.
Was früher als „Counterterrorism“ verkauft wurde, ist heute ein Geschäftsmodell mit politischen Dividenden. Die RSF verkauft Gold nach Dubai, kauft dafür Waffen und erhält manchmal gleich ganze Kampftruppen zum Einsatz Überlassen In einer Beschwerde Sudans an die UN wird „behauptet, dass 350 bis 380 kolumbianische Söldner von emiratischen Sicherheitsfirmen rekrutiert wurden, um an der Seite der RSF zu kämpfen.“. Die LNA exportiert Öl, importiert Technik. Und beide liefern, was die Emirate sich wünschen: Einfluss.
Haftars LNA ist kein Übergangsbündnis, sondern ein dauerhaftes Herrschaftsmodell. Mit russischen Mi-26 und T-62 sowie russischer Beratung, ermöglicht durch emiratische Finanzierung wurde ein Parallelstaat aufgebaut, der Steuern erhebt, Pässe ausstellt und Waffen einkauft.
Die RSF geht den gleichen Weg. Nach der Einnahme von El Fasher kontrolliert sie de facto ein Gebiet von der Größe Frankreichs. Lokale Checkpoints ersetzen Verwaltung. Der „Staat“ ist eine Franchise der Gewalt.
Beide Organisationen agieren wie Konzerne: mit Geschäftszweigen, Sprechern, PR-Abteilungen. Nur dass ihr Produkt Kontrolle ist – gegen Entgelt.
Ein Analyst nannte es „die Schattenwirtschaft des Souveränitätsverlusts“. Treffender wäre: ein Imperium ohne Öffentlichkeit.
Europas stille Komplizenschaft
In Brüssel wird weiterhin von „Migrationspartnerschaften“ gesprochen. In Paris wurden im Frühjahr 2024 weitere 350 Millionen Euro Hilfen für die Region zugesagt. Wohin das Geld fließt? Laut Papier: für „Kapazitätsaufbau“. Laut Realität: in die Taschen bewaffneter Vermittler.
Die EU hat sich über Jahre aus dem politischen Feld zurückgezogen und ins Technokratische geflüchtet. Das Ergebnis: Sudans zusammenbrechendes Gesundheitssystem kämpft gegen Cholera Grenzposten und Denguefieber, während bewaffnete Gruppen neue Grenzposten errichten.
Der „Flüchtlingsdeal“ war nie neutral. Er war geopolitische Abschiebung. Und er hat Kräfte groß gemacht, die heute Völkerrecht brechen – mit Waffen, die über Drittstaaten geliefert wurden.
Seit dem Rückzug der USA aus der Region wächst der Einfluss Moskaus. Die Wagner-Gruppe – offiziell zerschlagen, faktisch umetikettiert – agiert unter dem Label „Africa Corps“ weiter. Ihr Zugang zu sudanesischem Gold und libyschem Öl ist gesichert – durch die Kooperation mit RSF und LNA.
Was die Emirate finanzieren, sichert Moskau ab. Und was beide tun, duldet Europa.
Die neue geopolitische Grammatik ersetzt staatliche Souveränität durch funktionale Kontrolle. Ihre Subjekte heißen nicht mehr Regierung, sondern Gewaltakteur. Ihre Mittel sind nicht Recht, sondern Einfluss.
„Die RSF will keine Siege – sie will Durchgänge“, sagte ein Militärexperte kürzlich. Treffender lässt sich das Prinzip dieses Krieges nicht zusammenfassen.
In einem System, in dem Gewalt Exportmöglichkeit bedeutet, wird Frieden zum Störfaktor. Die EU, einst Mahnerin für Menschenrechte, ist zur Verwaltungsbehörde ihrer eigenen Heuchelei geworden.
Und während in Brüssel über „Migrationsmanagement“ konferiert wird, fliegen im Sudan die Drohnen. Aus Dubai. Gesteuert von Allianzen, die mehr über die Zukunft Afrikas entscheiden als jede westliche Entwicklungsinitiative.
Was heute als Ausnahme erscheint, ist die neue Regel: Die Zersetzung staatlicher Ordnung durch Netzwerke nichtstaatlicher Akteure – global angebunden, lokal verankert, finanziell autark. Wer sie ignoriert, wird sie nicht stoppen. Wer sie bezahlt, wird sie nicht kontrollieren.