Thomas von der Osten-Sacken

Am 21. August 2013 fand der größte Giftgasangriff seit Saddams Husseins Bombardement der irakisch-kurdischen Stadt Halabja statt. Die Lehre, die alle Despoten, Tyrannen und Warlords aus nichtexistenten roten Linien von damals gelernt haben lautet: Verbünde Dich mit Russland und dem Iran und massakriere möglichst brutal Deine eigene Bevölkerung und Dir geschieht nichts

 

Man nennt sie Ortskräfte, die Afghaninnen und Afghanen, die nun in letzter Minute evakuiert werden sollen und tut so, als sei dies ihr größter Wunsch gewesen.

Eine Tasche dürfen sie mitnehmen ins neue Leben, so es denn eines irgendwo in Deutschland, den USA oder anderswo für sie gibt und sie es schaffen in eines der Flugzeuge, die die so genannten „Ortskräfte“ nun evakuieren. Und in den USA und Europa tun dann alle noch so, als sei dies fast ein Geschenk, bestimmt erwartet man von ihnen noch Dankbarkeit oder so etwas.

2015, hört man, dürfe sich nicht wiederholen. Tut es auch nicht. In Wirklichkeit ist es viel schlimmer.

Panisch hört man nun von Politikern aller Parteien, 2015 dürfe sich angesichts der Totalkapitulation von Kabul auf keinen Fall wiederholen. Was eigentlich meinen sie damit, sollten sie irgend etwas meinen und nicht nur Politsprech angesichts der selbstverursachten Krise absondern?

Gestern erschien dieser Beitrag von Ahmad Massoud, dem Sohn des 2001 von Al Qaida ermordeten Ahmad Schah Massoud in der Washington Post und er spricht eine ganz andere Sprache als die der Kapitulation, die die USA und Europa gerade sprechen:

Die genauen Hintergründe kenne ich nicht, aber es scheint, da hat ein Pilot der US-Airforce einfach auf sein Gewissen gehört und seine Maschine auf dem Flugplatz Kabul bis zum letzten Platz gefüllt mit verzweifelten Menschen. Ihm scheinen Vorschriften und Regeln in diesem Moment egal gewesen zu sein, er hat einfach das Richtige und Naheliegende getan.

Wer die Verlierer des Afghanistan-Debakels sind, steht schon seit langem fest. Es wurde nur alles viel viel schlimmer als in den schlimmsten Stunden vor dem 15. August befürchtet.

Wer die Gewinner sind, auch. Die Taliban natürlich - Seth J. Franzmann zählt außerdem die staatlichen auf: Qatar, Russia, China, Pakistan, Turkei, Iran.

Hohl klangen das "Nie wieder" schon 1994 und 2014 nach den Völkermorden an Tutsis und Jesiden. Es war auch nicht so gemeint. Das müssen die Menschen in Afghanistan nun am eigenen Leib erfahren. 

Als der Islamische Staat 2014 das Sinjar Gebirge überrollte im Irak mit seiner neuen Blitzkrieg-Taktik, die jetzt offenbar die Taliban in Afghanistan erfolgreich kopieren, tausende jesidische Mädchen in die Sklaverei verschleppte und unbeschreibliche Massaker anrichtete, kam dies für die es wissen wollten, wenig überraschend.

Während bald der 20. Jahrestag der Anschläge von 9/11 begangen wird, überrollen die Taliban große Teile Afghanistan – die Botschaft könnte deutlicher kaum sein. Und in Vergessenheit gerät dabei ein anderer Jahrestag.

 

In immer mehr Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas spitzt sich die Pandemie dramatisch zu. Aus der Stadt Maschad im Iran kommt, wie das Iran Journal berichtet, nun dieser Hilferuf von 

Der Vormarsch der Taliban geschah ganz sicher nicht spontan, sondern wird von Pakistan unterstützt. Wussten westliche Dienste nichts von diesen Plänen? Sieht so der Frieden aus, der so oft gefordert wurde? Wenigstens Soldaten, die einst in Afghanistan stationiert waren, erheben ihre Stimme gegen diesen Abzug, den man besser als Verrat an den Menschen in Afghanistan bezeichnen sollte.

 

Überall im Nahen Osten steigen die Zahlen von Neuinfizierten, besonders schlimm ist es einmal mehr im Iran, wo die Lage erneut außer Kontrolle gerät:

One person is now dying with Covid-19 every two minutes in Iran, state TV has said, as the Middle East’s worst-hit nation reported a new record daily toll of 588 fatalities.

Jeden Tag fällt in Afghanistan eine neue Provinzhauptstadt an die Taliban. Heute war es Kunduz.

 

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Vor 20 Jahren: Öffentliche Exekution einer Frau durch die Taliban

 

Inzwischen sind die Massaker des Islamischen Staates an den Jesiden sogar offiziell als Völkermord anerkannt. Den Überlebenden hilft das wenig, sie geraten zunehmend in Vergessenheit. 

Es gibt Jahrestage, die im Grunde nur aus Wiederholungen bestehen: Man kann nur schreiben, was man in den Jahren zuvor bereits genauso geschrieben hat. Dass alles seitdem gleichgeblieben ist, ist Ausweis der andauernden Katastrophe. Der 3.

Noch ist der letzte US-Soldat nicht abgezogen, da wird immer deutlicher, um was für ein Desaster es sich bei der ganzen Angelegenheit handelt.

In den Worten des afghanischen Präsidenten:

Eine Meldung, die es vermutlich nicht sehr weit in die europäische Palästinasolidarität bringt, weil sie sehr viel aussagt über die Zustände aber nur sehr bedingt ins entsprechende Weltbild passt: