Proud to be a Conti-Puller

Wer von der Sehnsucht nach dem perfekten Full Pull erfüllt ist, den zieht es nach Haßmoor zum Tractor Pulling. von dirk franke

In Haßmoor sind die Mädels noch ne Spur hübscher wie die Traktoren«, sagt man in Haßmoor, und in Haßmoor gilt das als Kompliment. Zumindest an diesem Wochenende. Denn hier findet der dritte Lauf der Deutschen Meisterschaft im Tractor Pulling statt.

Haßmoor liegt 20 Autominuten südlich von Rendsburg in der Nähe des Nord-Ostsee-Kanals. Der Ort versammelt auf 1 027 Hektar in den drei Ortsteilen Haßmoor, Höbek und Wittenkamp 317 Einwohner. Eine nett gemeinte Ortsbeschreibung des von leichten Hügeln, Feldern und Einfamilienhäusern geprägten Ortes müsste lauten: idyllisch.

Am Pfingstwochenende in der vorigen Woche allerdings bricht sich dort eine nicht unbedingt weite, aber doch ziemlich laute Welt ihre Bahn.

Gewaltige Dieselfahnen ziehen durch die Landschaft. Zeitweise bebt die Erde im wörtlichen Sinn, denn Traktoren können einen unglaublichen Lärm verursachen. Ungefähr 4 000 Menschen haben sich auf das Gelände im Amt Osterroenfeld verirrt. Fahrzeuge aus Dithmarschen, Rendsburg, Stormarn und Schleswig stehen auf der als Parkplatz abgeteilten Wiese. Die Zuschauer sehen an diesem Pfingstmontag, wie Iwan und Kiepenkerl um den Sieg in der freien Klasse ziehen. Und natürlich wie Mr. Rabbit und Hot Chili versuchen, bei den Mini-Pullern zu gewinnen.

Entstanden ist Tractor Pulling in den USA und wird seit dem 24. Weltwettpflügen 1977 im niederländischen Flevohof auch in Europa betrieben. Ziel des Sports ist es, mithilfe eines Traktors, den man auch Schlepper nennt, einen bis 28 Tonnen schweren Bremswagen möglichst weit zu ziehen. Schafft ein Schlepper 100 Meter, handelt es sich um einen Full Pull. Bewältigen mehrere Teilnehmer diese Strecke, fahren sie bei erhöhtem Gewicht ein Stechen. Die Schlepper sind in mehrere Klassen eingeteilt, die von Garden-Klassen, aufgebohrten Rasenmähern, über die seriennahen Traktoren bis hin zur freien Klasse reichen. In letzterer ist fast alles erlaubt, sofern es im Gewichtslimit bleibt. Auf den Schleppern der freien Klasse finden sich bei maximal 5,4 Tonnen Gesamtgewicht V12-Motoren aus Flugzeugen, Panzermotoren, Motoren aus Schiffen, Hubschrauberturbinen oder V8-Motoren aus Dragsterrennen. Meist sind mehrere Motoren auf ein Fahrzeug montiert und leisten zusammen bis zu 8 000 PS.

Die Mini-Puller hingegen dürfen nur 950 Kilo wiegen, also weniger als die meisten Pkw, können aber bis 2 000 PS leisten. Die Teams selbst bewegen sich im Grenzbereich zwischen Professionalität und reiner Liebhaberei. Niemand kann vom Tractor Pulling allein leben, und bei Kosten im mittleren fünfstelligen Eurobereich für einen erfolgreichen Schlepper ist dies auch kein reiner Einsteigersport mehr.

Abgesehen von Motorleistung, eindrucksvollen Namen und technischem Kleinkram verliert sich der Reiz der Veranstaltung in Haßmoor überraschend schnell. Im Motorsport gilt schon, dass es reichlich öde ist, wenn Autos andauernd im Kreis fahren. Der Unterhaltungswert einer Veranstaltung, bei der Traktoren sieben Stunden lang jeweils 100 Meter geradeaus fahren, ist nicht höher. Da pro Klasse oft auch noch drei Durchgänge stattfinden und die meisten Traktoren in mehr als einer Klasse starten, stellt sich erschreckend schnell Langeweile ein.

Selbst das in dieser Gegend nicht gerade verwöhnte Publikum passt sich anscheinend an. Der dauernd um Applaus bittende Sprecher wird meist höflich-norddeutsch ignoriert.

Seine amerikanischen Wurzeln merkt man dem Sport, abgesehen von den Namen der Schlepper, kaum an. Und das Rahmenprogramm hält sich in Grenzen. Neben den obligatorischen Ständen mit Bratwurst und wässrigem Bier steht einzig »Hacki-Videos« mit den Aufnahmen vom letzten Jahr an der Bahn. Im großen Festzelt wurde ein einsamer Stand mit schottischen Fleece-Pullovern aufgebaut, doch dafür interessiert sich niemand.

In Tractor Pulling-Kreisen berühmt ist dagegen die abendliche Pullerparty vor einem großen Event. Das Programm aus dem »Besten der Achtziger, Neunziger und von heute« verspricht für Besucher, die nicht aus dem ländlichen Raum kommen, jedoch auch keine große Abwechslung. Es passt aber prima zu der Veranstaltungsbeschallung am nächsten Tag, denn sie besteht vor allem aus Hardrock und Pur. Einzig der Ansager vermag kurzzeitig für ein bisschen Abwechslung zu sorgen. Bei ihm sind die Schlepper schön, weil sie laut sind, begeisterte Ausrufe wie »Junge, was für eine Sahneschnitte« gehören zum Standard, wenn der Schlepper Isotov I gemeint ist. Und mit seinem »Fuuuuulllll Puuuuullll«-Ausbruch schien er sich sogar um einen Platz bei einer Boxübertragung der Öffentlich-Rechtlichen bewerben zu wollen.

In Haßmoor findet an diesem Wochenende einer von nur sechs Läufen der Deutschen Meisterschaft statt. Die Veranstaltung in Haßmoor ist zudem eine der drei deutschen Veranstaltungen, die nicht vor sich hin dümpeln, sondern tatsächliche etliche tausend Zuschauer anlocken. Seit Jahren schon nimmt die Zahl der Teams eher zu, die der Veranstaltungsorte dagegen eher ab. Schuld daran sind nicht die örtlichen Behörden oder Umweltauflagen – bei einem Verbrauch von 60 Liter auf 100 Meter hilft auch der schönste Methylalkohol-Kraftstoff nicht mehr –, sondern vor allem das mangelnde Interesse der Zuschauer.

Das hat Gründe, denn außer dem lauten Zeigen von Pferdestärken findet beim Tractor Pulling erschreckend wenig statt. Wirklich angenehm ist es, dass das Fahrerlager frei zugänglich ist, dass die Traktoren auch bestaunt und angefasst werden können. Auch für der Landarbeit und Schrauberei eher fern stehende Zuschauer geht eine gewisse Faszination davon aus, vier Hubschrauberturbinen auf einen Alu-Rahmen geschraubt zu sehen. Die Umstehenden raten fröhlich, welches Ventil wohl wozu dient und wie dies denn technisch alles zusammenspielen könnte. Die Sportschlepper werden von jungen Männern gelenkt, die auch in einer Autowerkstatt oder einem Maklerbüro nicht weiter auffallen würden. In der Garden-Klasse dürfen die ganz Jungen ran, denn sie ist ab acht Jahre freigegeben. Auf den Standard-Traktoren sitzen hingegen solche Männer, die man am ehesten beim nächsten Feuerwehrstammtisch im Dörpskrog vermuten würde. Bei den meisten herrscht offensichtlich die Meinung vor, dass ein bunt bemalter Schlepper schon Show-Effekt genug wäre.

Einzig das Flying-Hawk-Team mit standesgemäßen Anzügen (» I’m proud to be a Conti-Puller«) und Tractor-Girls sowie die dänischen »Fox«-Leute sorgen für Abwechslung. Am Fox-Lkw gibt es nicht nur T-Shirts, sondern immerhin einen Lego-Technik-Fox-Tractor. So etwas bringt einen Hauch der weiten Welt nach Haßmoor.

Erst der glücklicherweise keine ernsthaften Verletzungen verursachende brennende »Le Coiffeur III« vermag den interessierten Laien irgendwann aufzuwecken. Beide anwesenden Bremswagen allerdings fallen länger aufgrund technischer Probleme aus, und lassen einen wieder mit Hardrock, dem Ansager und natürlich dem Bestaunen von Motoren allein.

Weniger nett könnte man Haßmoor natürlich auch als unglaublich öde bezeichnen. Nur Diesel Wiesel, das Green Monster oder der Flying Hawk versprechen kurzfristig Abwechslung. Wer sich aber nicht dafür interessiert, wie ein ehemaliger Panzermotor auf Alkohol umgebaut und mit Turboladern ausgestattet wird, ist hier in Haßmoor einfach fehl am Platz.

Die einheimischen Mädchen, die an der Kasse sitzen, sagen dann auch prompt: »Nee, ich hab damit nichts zu tun. Ich war hier auch noch nie auf dem Gelände. Ich verdien’ hier nur ein bisschen Geld.«