Nazis bereiten sich auf den 1. Mai vor

Schlechte Erinnerungen an Halle

Neonazis wollen am 1. Mai in mehreren Städten aufmarschieren. In Sachsen-Anhalt wird die größte Demonstration erwartet.

Gewalt führt manchmal doch zu Ergebnissen: Nach den heftigen Krawallen im Zuge der neonazistischen Demons­tration am 1. Mai 2016 im sächsischen Plauen haben sich für den diesjährigen »Tag der Arbeit« der Rechtsextremen neue Allianzen gebildet. Statt erneut an der alljährlichen Demonstration der Kleinstpartei »Der III. Weg« teilzunehmen, wollen »Autonome Nationalisten«, vor allem jene, die zum sogenannten Antikapitalistischen Kollektiv gehören, in diesem Jahr auf einer Demons­tration in Halle an der Saale mitmarschieren.

Diese wird von der Partei »Die Rechte« organisiert. Die Veränderung wird auf beiden Seiten begrüßt. Den diszipliniert auftretenden Kadern des nationalrevolutionären »III. Wegs« waren die schwarzgekleideten »Autonomen Nationalisten« mit dem Hang zu Gewalt nicht erst seit den Ausschreitungen in Plauen lästig. Auf dem Bundesparteitag im Oktober 2016 sagte der Funktionär Tony Gentsch im Rückblick auf den 1. Mai, seine Partei wolle nicht »mit solchen Leuten gemeinsam auf der Straße stehen« oder auch nur »in Verbindung gebracht werden«. Man demonstriere nicht »mit irgendwelchen Halbstarken«, um »Antifa-Hurensöhne« zu schreien. Aus den Reihen des »Antikapitalistischen Kollektivs« wurde entsprechend der Vorwurf erhoben, die Kader von »Der III. Weg« hätten Mitglieder des Blocks der Autonomen Nationalisten nach den Krawallen als »Scheinkameraden« und »Asoziale« bezeichnet.

Die diesjährige 1. Mai-Demonstration von »Der III. Weg« soll im thüringischen Gera stattfinden. Als Redner sind neben dem Bundesvorsitzenden Klaus Armstroff ebenfalls Tony Gentsch, Nico Metze – ein ehemaliger Kader der »Freien Nationalisten« in Thüringen – und der ungarische Nationalist Milàn Szèth angekündigt. Bislang wurden fünf Gegenveranstaltungen angemeldet. Unter anderem findet in Gera die zentrale Kundgebung des DGB Thüringen statt. Zudem haben die Evangelisch-Lutherische Kirche, der Verein Akzeptanz, die Piratenpartei und die antifaschistische Gruppe »Landarbeit« eigene Veranstaltungen angemeldet. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (»Die Linke«) und die parteilose Oberbürgermeisterin Geras, Viola Hahn, rufen dazu auf, sich an den Protesten zu beteiligen und »für die Demokratie Gesicht zu zeigen«. 
Die Partei »Die Rechte«, deren Bundesvorsitzender Christian Worch ist, ruft seit Monaten zur Teilnahme an der Demonstration in Halle auf. Beobachter rechnen mit einem großen Aufmarsch. Der Szenekenner Felix M. Steiner erwartet ein »enorm hohes Gewaltpotential« der anreisenden Teilnehmer. Die Kampagne »Nice to beat you«, die zu Gegenveranstaltungen in Halle aufruft, warnt davor, dass »die Schlüsselfiguren des Halleschen ›Die Rechte‹-Ablegers nahe an der Grenze der Zurechnungsfähigkeit agieren« und am 1. Mai stets in der Lage gewesen seien, »eine größere Anzahl Neonazis zu mobilisieren«.

Das rechtsextreme »Antikapitalistische Kollektiv« kündigt allen Unstimmigkeiten zum Trotz an, »am 1. Mai in Halle konsequent und bestimmt« aufzutreten.

Allerdings mehren sich seit einigen Wochen die Anzeichen, dass nicht alle Ortsgruppen von »Die Rechte« nach Halle anreisen wollen. Der Dortmunder Kreisverband der Partei ruft zu Demonstrationen in Essen und Dortmund auf. Für den Vormittag hat die NPD eine Demonstration in Essen angemeldet. Die nationaldemokratische Rumpftruppe will »diesen Tag nicht den Volksverrätern von DGB und Co. überlassen« und Wahlkampf betreiben. Danach wollen die Mitglieder von »Die Rechte« nach Dortmund weiterfahren, um dort ab 15 Uhr zu demons­trieren. Im rechtsextremen Portal »Dortmund-Echo« wird an die Anhänger appelliert, die jeweiligen »Demonstrationen in eurem Bundesland« zu unterstützen. Dabei werden nicht nur die Veranstaltungen der NPD und der Partei »Die Rechte« empfohlen, sondern ausdrücklich auch die Konkurrenzveranstaltungen von »Der III. Weg«. »Der Arbeiterkampftag im Ruhrgebiet sieht sich bewusst nicht in Konkurrenz zu den übrigen, in Mitteldeutschland stattfindenden Veranstaltungen«, so das »Dortmund-Echo«, sondern als Ergänzung, um das »Mobilisierungspotential« in Nordrhein-Westfalen auszunutzen, damit »möglichst viele Deutsche an dem symbolträchtigen Tag« auf die Straße gehen.

Torsten Hahnel von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus des Vereins Miteinander e. V. in Halle geht trotzdem davon aus, dass der Aufmarsch dort die größte von rechten organisiere Demons­tration im Bundesgebiet an diesem Tag sein wird. Die Rekrutierung der Teilnehmer scheine zwar »kein Selbstläufer« zu sein, denn in der Vorbereitungsgruppe gebe es einige Schwierigkeiten. So wurden Hahnels Erkenntnissen zufolge die Reden von Michel Fischer und Marcel Kretschmer (beide »Die Rechte«) ersatzlos gestrichen. Die Zusammenarbeit mit der Jugendorganisation der NPD und den Organisatoren des »Tags der deutschen Zukunft« funktioniere dagegen reibungslos, so Hahnel. Das »Antikapitalistische Kollektiv« kündigt allen Unstimmigkeiten zum Trotz an, »am 1. Mai in Halle konsequent und bestimmt« aufzutreten. Der Zusammenschluss will Ankündigungen im Internet zufolge die »zunehmende Gewalt gegen unsere Demonstrationen nicht durch Tränen und Selbstmitleid, sondern durch unsere Taten und unseren Widerstand« beenden. Dies bedeute, dass man sich »ganz klar auf weitere Ausschreitungen vorbereite«.

Die antifaschistische Kampagne »Nice to beat you« hingegen möchte die Nazis an vergangene Auftritte in der Stadt erinnern. Sie will »nicht für ein besseres Deutschland, nicht für ein bunteres Halle oder den nazifreien Szenekiez« demonstrieren, sondern »schlicht, weil es richtig ist, Nazis in die Suppe zu spucken«.

Die letzten größeren Naziaufmärsche in Halle endeten erfolglos für die Rechtsextremen. Zuletzt hatten sich diese am 1. Mai 2011 an einer überregionalen Demonstration versucht. Doch sehr weit waren sie nicht gekommen. Neben den Blockaden der örtlichen bürgerlichen Gruppen vermieste ihnen vor allem das Eingreifen zahlreicher Antifaschisten den Auftritt. Nicht nur »die Rückfahrt im Freiluftbus dürfte ihren älteren Kameraden durchaus in Erinnerung geblieben sein«, sagt ein Sprecher von »Nice to beat you« der Jungle World zu der Tatsache, dass damals neben mehreren Autos auch ein Reisebus der Nazis erheblich beschädigt wurde. Auch der gescheiterte Versuch einer Gruppe von Rechtsextremen, »außerhalb der Demonstration am Halleschen Steintor Jagd auf Gegendemonstranten« zu machen, sei den Nazis vielleicht im Gedächtnis geblieben. Die Ankündigung des »Antikapitalistischen Kollektivs«, die Durchsetzung der Demonstration notfalls selbst in die Hand zu nehmen, interpretieren die Antifaschisten »nur als Fall kollektiver Amnesie«.