Fünfstellige Kakerlaken

Ein Fußballprofi klagt gegen Vereinsstrafen

Fußballprofis sind einiges gewohnt: Sexverbote, Maulkörbe, abendliche Kontrollanrufe, Kleidervorschriften, Automarken-Diktate und so weiter. Und die Fans scheinen damit sehr zufrieden zu sein. Wenn ihre Stars es zu bunt treiben, sind eifrige Trainer und Manager zur Stelle, um sie mit Geldstrafen wieder zur Raison zu bringen. Leben und leiden sehen – im Prinzip nichts anderes als das VIP-Bashing, das RTL in seinem Dschungel-Theater aufführte, wenn auch auf gemäßigterem Niveau. Was des einen Kakerlake, ist dem anderen die fünfstellige Geldstrafe für fünfminütige Verspätung.

Solcherlei Sanktionen werden von den Vereinen, da sie einfacher und vor allem billiger als ein Trainerwechsel sind, vor allem dann verhängt, wenn es sportlich gerade nicht so rund läuft. Der Posten des Sündenbocks wird wie im wahren Leben nicht selten mit Ausländern besetzt, mit notorisch zu spät kommenden Brasilianern, schwer integrierbaren Tschechen. Aber auch der ein oder andere aufmüpfige Deutsche ist bisweilen dabei.

Gerichtlich gewehrt gegen diese Sanktionspraxis der Vereine hat sich nun nicht etwa Marcio Amoroso, Jan Simak oder Michael Ballack, obwohl bei letzterem unlängst 10 000 Euro wegen eigener Gedanken zur taktischen Ausrichtung fällig waren, sondern der 28-jährige ehemalige Spieler von Union Berlin, Christian Fährmann. 3 000 Euro wurden vor zwei Jahren von seinem Gehalt einbehalten, als er eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheiniung nicht umgehend dem Verein vorlegte.

Eine Vertragsverletzung, so sein ehemaliger Arbeitgeber. Keineswegs, widersprach Fährmanns Anwalt, der Spieler habe aufgrund der Verletzung ja sowieso nicht spielen können.

Wann eine Vertragsverletzung vorliegt, ist bei den weitläufigen Pflichten der Spieler und der zwangsläufigen Unbestimmtheit der Profiverträge jedoch gar nicht so einfach festzustellen. Die Vereinigung der Vertragsspieler (VdV), die hinter Fährmann steht, möchte den Einfluss der Vereine auf ihre Angestellten auf ein Normalmaß beschränken. In den Verträgen stünden stets Klauseln, wonach ein Spieler alles zu tun habe, »seine Leistungsfähigkeit zu erhalten und sie zu steigern und alles zu unterlassen, was dem entgegensteht«. Ein Spieler, so die VdV, sei »dadurch 365 Tage im Jahr und 24 Stunden rund um die Uhr potenziell sanktionierbar«.

Die VdV möchte die Vertragsstrafen auf Training und Spiel beschränkt wissen, und nicht mehr in das Privatleben der Spieler hineinreichend. Mit der Causa Christian Fährmann soll hierfür ein Präzedenzfall geschaffen werden, gleich dem von Marc Bosman, der Anfang der Neunziger mit Hilfe des Europäischen Gerichtshofs das damals bestehende System von Ablösesummen kippte.

Ob aus Christian Fährmann ein zweiter Bosman wird, kann sich erst am Ende des Instanzenwegs zeigen, dessen nächste Etappe vor dem Landesarbeitsgericht wohl erst in einem Jahr stattfinden wird. In erster Instanz wollte das Arbeitsgericht die bisherige Praxis noch nicht kippen, hielt jedoch im konkreten Fall zumindest das Strafmaß von 3 000 Euro für zu hoch.

Mit Bosman gemein hat Fährmann jedoch bereits jetzt, dass die juristischen Schlagzeilen seine fußballerischen weit übertreffen. Er spielt mittlerweile beim Halleschen FC in der Amateur-Oberliga.

bilal alkatout