Was guckt sie?

Wie werden Frauen im Fernsehen dargestellt, und was wollen sie sehen? Danach fragen Barbara Sichtermann und Andrea Kaiser in einer interessanten mediensoziologischen Analyse. von jens thomas

Der erste Gedanke: Wird jetzt alles wieder schlechter? Haben Emanzipation und Feminismus in Zeiten zunehmender Joblosigkeit und darauf folgenden Sinnkrisen einfach ausgedient? Oder ist das alles irgendwie komplizierter geworden heute? Hat sich da zwar einiges getan an der Geschlechterfront, werden Geschlechterstereotypen dafür nunmehr subtiler vermittelt?

Barbara Sichtermann, Sozialwissenschaftlerin und Journalistin, und Andrea Kaiser, Fernsehkritikerin und Autorin, haben diese und ähnliche Fragen nun in »Frauen sehen besser aus – Frauen und Fernsehen« aufgeworfen. Welche Rolle spielt die Frau heute rund ums geliebte Fernsehen, wie wird sie dargestellt, welche Sendungen präferiert sie, was schauen Frauen, was Männer? »Frauen und Fernsehen – kein Thema mehr?« lautet die knifflige Einleitungsfrage.

Um es vorwegzunehmen: Es ist ein Thema. Schon das Fernsehverhalten der Geschlechter unterscheidet sich, Frauen sehen nicht nur mehr fern (im Schnitt 25 Minuten am Tage), sondern im Gegensatz zu den Männern auch Sendungen, so etwa Soaps, in denen Beziehungen thematisiert wie auch dramatisiert werden. Männer dagegen zieht es noch immer vermehrt zum Sport an die Bildschirme. Und doch hat sich vieles getan rund um den Bildschirm, wie bei der Berufswahl beispielsweise: Frauen waren beim ZDF im Jahre 2003 bei 40 Prozent der Hauptabend-Fernsehfilme Autorinnen oder Co-Autorinnen von Drehbüchern. Und generell rücken sie in den Sektoren Koordination und Organisation nach vorne, gerade in redaktionellen Bereichen sind Frauen mit den Männern teilweise gleichauf.

Das sind die guten Nachrichten. Schnell aber machen Sichtermann und Kaiser deutlich, dass der Schein trügt. So gibt es noch immer klassische Männer- und Frauenberufe, Frauen führen beispielsweise kaum Regie. Auch sind die Chefs der Chefinnen meist wiederum Männer, und Humor erscheint im Fernsehen noch immer als durchweg männlich. Die Schreiber von Gags und Sitcoms sind überwiegend Männer, und weibliche Comedy-Stars gibt es kaum. »Das Gelächter der Geschlechter«, darauf wies schon die Sprachwissenschaftlerin Helga Kotthoff hin, ist letztlich auch ein Symbol von Dominanz und Macht. Oder mit den Worten der Komikerin Maren Kroymann: »Wer die Welt komisch hinstellt, definiert sie auch.«

Dass Männer die Welt definieren, spiegelt sich auch bei der Betrachtung von KommentatorInnen wider. Zwar sind Frauen heute nicht selten Talkmaster und Moderatorinnen, seitdem mit Wibke Bruhns 1971 im ZDF erstmals eine Frau die Nachrichten verlas. Doch tragen sie insgesamt eher vor, schlüpfen in eine Art Verkäuferinnenrolle, denn sie haben (beinah) nie das letzte Wort: Von 224 Kommentaren im Jahre 2003 waren lediglich 28 von Frauen. Und auch wenn Frauen mittlerweile in die Politiktalks Einzug gehalten haben, gilt letztlich: Frauen fragen, Männer antworten. So wie bei Sabine Christiansen.

Die beiden Autorinnen unterstreichen in ihrem Werk vor allem eines: Frauen sind keineswegs mehr die am Herd Verweilenden und die zu Hause Bleibenden. Seit die »Frauenfrage« fürs Fernsehen 1975 erstmals empirisch ausführlich von Erich Küchenhoff in seinem Buch »Die Darstellung der Frau und die Behandlung von Frauenfragen im Fernsehen« aufgeworfen wurde, hat sich die Situation erheblich verbessert. Küchenhoff stellte damals fest, dass Frauen in allen Bereichen benachteiligt sind. Heute dagegen mischen Frauen in vielerlei Hinsicht mit und erscheinen im fiktionalen Fernsehen – trotz sexistischer Darbietungen wie der RTL-Reihe »Bachelor« oder einer Werbeindustrie, die weiterhin stark auf antiquierte Rollenklischees setzt – in vielfältigen Rollen. Sie nehmen mal die Waffe in die Hand wie die Tatortkommissarin Lena Odenthal, oder sie rebellieren, wie die Tochter Sarah der Lindenstraßen-Familie Beimer. Dennoch werden Männer noch immer als die beruflich Erfolgreicheren präsentiert, und sie tappen auch nicht in die »Faltenfalle«. Frauen dagegen sollen jung sein oder spielen besorgte Ehefrauen, heimliche Geliebte, überforderte Mütter oder andere Menschen in komplizierten Gefühlslagen. Ihre Welt ist, so die Autorinnen, »das Privatleben«.

Sichtermann und Kaiser analysieren dieses Phänomen nicht aus (post)strukturalistischer Perspektive in der Tradition Judith Butlers und fragen auch kaum nach den Ursachen. Nur selten betten sie ihre Ergebnisse beispielsweise in den Kontext der heutigen Arbeitsmarktsituation ein, und sie fragen auch nicht, warum Fußball zum Beispiel als männliche Sportart gilt und welche Diskurse eine solche Konstruktion erst erzeugen. Die Autorinnen fragen hier vielmehr nach dem »Wie« und liefern dazu eine detaillierte Beschreibung aktueller weiblicher Rollenbilder ab.

Das zeigt vor allem, dass alles irgendwie komplexer geworden ist. So zum Beispiel, wenn der Heldin des Computerspiels »Lara Croft« trotz des pompösesten Busens seit Erfindung der Animation auch »männliche« Attribute wie martialischer Kampfesmut zugeschrieben werden und sie dadurch keineswegs zum Opfer stilisiert wird. Doch diese Entkopplung einer Korrespondenz von Weiblichkeit und Schwäche scheint wiederum nicht ohne die übertriebene Darstellung von weiteren Geschlechtsattributen zu gehen. Modernität und Vorgestrigkeit überlappen sich heutzutage.

Der Postfeminismus ist da, und der Kampffeminismus am Ende. So jedenfalls lassen sich die Erkenntnisse aus »Frauen sehen besser aus« interpretieren. Denn Frauen wollten überwiegend nicht mehr lamentieren und protestieren, sondern von den Errungenschaften des einstigen Geschlechterkampfes profitieren. »Von femi-nist zu femi-nice«, folgern Sichtermann und Kaiser. Es sind Emanzipationskulissen, die im Fernsehen bis heute erschaffen wurden, in denen Frauen mitunter wirksam sind, hinter denen Männer aber noch immer am längeren Hebel sitzen. Und da gilt es eben besonders genau hinzuschauen.

Barbara Sichtermann, Andrea Kaiser: Frauen sehen besser aus – Frauen und Fernsehen. Kunstmann, München 2005, 192 S., 18,90 Euro