Streichelzoo Bundesliga

Fußball ist eine ernste Sache, die albernen Maskottchen stören. von christian helms

Sie mogeln sich auf die offiziellen Mannschaftsfotos und stehen bei der Seitenwahl grinsend im Mittelkreis. Sie zeigen sich stets bester Laune und hampeln selbst beim vierten Gegentor noch vergnügt vor der Fankurve herum. Sie heißen »Fritzle« (VfB Stuttgart), »Jünter« (Borussia Mönchengladbach) oder »Herthinho« (Hertha BSC Berlin) und gehören mittlerweile ebenso zum Bundesligaalltag wie vergebene Torchancen zu einem Spiel des SC Freiburg.

Wohlgemerkt, es geht hier nicht um die Generationen von Geißböcken, die seit Jahrzehnten fleißig die Tartanbahnen des Müngersdorfer Stadions beschmutzen; sie werden schließlich immer »Hennes« getauft. Vielmehr geht es um die fragwürdige Mode, einen mittellosen Studenten in die dickbäuchige Knuddelversion eines mehr oder weniger vereinsnahen Tieres zu stecken und fortan »unser Maskottchen« zu nennen. Das Verhältnis zwischen den Gute-Laune-Kreaturen und dem Anhang des Vereins ist nämlich längst nicht so entspannt, wie es sich die Marketingabteilungen erhofft haben.

Immer wieder heißt es, dass man die zukünftigen Kunden, also die heutigen Kinder, frühzeitig an den Verein binden wolle. Doch genau hier liegt der Denkfehler. Denn diese Rechnung geht spätestens dann nicht auf, wenn der Vater gemeinsam mit dem Sohn in der S-Bahn den späten Ausgleichstreffer der Gastmannschaft beschweigen und ihn damit in die Gefühlswelt des Fußballfantums einführen möchte, der Nachwuchs aber nur irritiert einwirft: »Der Dino hat voll klasse getanzt!« Ein verantwortungsvoller Familienvater wird an dieser Stelle laut werden: »Du hast überhaupt nicht verstanden, worum es heute ging. Du gehst ohne Abendbrot ins Bett!«

Kein Wunder, dass es vereinzelt schon zu Übergriffen auf die degoutanten Glücksbringer gekommen ist. Zwei Beispiele: In den neunziger Jahren, als noch eine übergewichtige Hummel regelmäßig durch das Hamburger Volksparkstadion brummte, schwirrte sie einmal etwas übermütig zu nah an den Fanzaun, so dass eine Handvoll hasserfüllter HSV-Anhänger mit hasserfüllten Gesichtern und flinken Fäusten das Innenleben des gelb-schwarzen Insekts rasch blau und grün prügelte. Jahre später streckte der Düsseldorfer Tormann Carsten Nulle den Krefelder »Grotifanten« nach einem verlorenen Pokalspiel der Fortuna nieder, weil dieser sich nicht das Grinsen verkneifen konnte. Wie sollte er auch ?

Wäre es also im kommenden Jahr der Weltmeisterschaft nicht sinnvoller, Polizeieinheiten aus den Stadien abzuziehen, um stattdessen »Goleo 06«, (FC Deutschland), den König des fußballerischen Plüschdschungels, vor der tumben Wut minderbemittelter Krawalltouristen zu schützen? Um dem Löwen aufzulauern, benötigt man schließlich nicht mal ein Ticket.

Natürlich wären derlei Ausbrüche von Gewalt weder zu rechtfertigen noch zu billigen. Doch seien wir ehrlich: Auf den Stehtribünen hält sich das Entsetzen in Grenzen: »Endlich bekommt das blöde Vieh etwas ab. Ist schließlich keine Spaßveranstaltung hier.« Zumindest nicht im eigentlichen Sinn. Ich jedenfalls möchte die Geschicke meiner Kicker mit meinesgleichen begleiten und Freude und Schmerz nicht mit bedenklichen Kunstfiguren teilen. Die Meisterschale ist schließlich auch nicht aus Plüsch.