Mit eisernem Besen durchfegen

Der französische Innenminister bedient sich beim Vokabular der Rechtsextremen und stellt demokratische Standards in Frage. von bernhard schmid

Ist bei Sarko eine Sicherung durchgebrannt?« titelte die Boulevardzeitung France Soir am Freitag. Die wenig schmeichelhafte Schlagzeile bezieht sich auf Innenminister Nicolas Sarkozy und seine Versuche, mit rechten Parolen die Sympathie der Bevölkerung zu gewinnen.

In der nördlichen Pariser Trabantenstadt La Courneuve wurde am vorletzten Sonntag der elfjährige Sidi-Ahmed Hammache erschossen. Zwei Migranten, einer aus Tunesien und einer von den Komoren, waren in einer dort gelegenen Plattenbausiedlung in Streit geraten. Der eine war mit der Schwester des anderen zusammen, was ihrem Bruder nicht passte. Angeblich fühlte sich der komorische Liebhaber bedroht und begann zu schießen. Der Junge, der das Pech hatte, sich zufällig in der Nähe aufzuhalten, wurde von zwei Kugeln tödlich getroffen. Seit Donnerstag sitzt der Komorer sowie sein Bruder in Untersuchungshaft, ebenfalls ein Bruder des Tunesiers.

Mit Bandenkriegen und Drogenhandel hat dieser Zwischenfall offensichtlich nichts zu tun. Dennoch nutzte Innenminister Sarkozy die Empörung um den Tod des Jungen, um noch am gleichen Tag zu verkünden: »Wir werden das Quartier säubern.« Angesprochen fühlen sollten sich »Gewalttäter, Dealer und Sans papiers«. 24 Stunden später durchkämmten zwei Hundertschaften der Polizei die Siedlung. Die Ausbeute fiel jedoch mager aus, was vielleicht daran liegen könnte, dass die Polizeiaktion angekündigt und allgemein erwartet worden war. Bei den präsentierten Fundstücken stach vor allem ein rot lackiertes Moped ins Auge.

Einige Bewohner der Trabantenstadt begrüßten dennoch das Vorgehen, da »wenigstens etwas getan werde« gegen die Verrohung im Alltag. Sie bemängelten jedoch den »Showcharakter« der Operation. Andere Bewohner kritisieren, dass sie »kollektiv stigmatisiert« würden, und warnten vor einer Zunahme der polizeilichen Schikanen vor allem gegen jugendliche Migranten. Auch die eher konservative Richtergewerkschaft USM kritisierte Sarkozy. Das Wort »Säuberung« sei ein historisch belasteter Begriff und sein Gebrauch sei zu vermeiden. »Jemand, der einen kleinen Jungen tötet, muss festgenommen und verurteilt, aber nicht ›gesäubert‹ werden.«

Drei Tage später hatte der Richterverband noch mehr Gründe für Kritik. Sarkozy erklärte, er habe in der Kabinettssitzung »vom Präsidenten verlangt, er solle den Justizminister fragen, was mit dem Richter passiert sei, der es gewagt hat, ein solches Monster unter Auflagen freizulassen«. Mit dem Begriff »Monster« bezeichnete er den mutmaßlichen Wiederholungstäter Patrick G., der verdächtigt wird, Mitte Juni eine Joggerin in einem Waldstück östlich von Paris ermordet zu haben.

Vor 21 Jahren hatte er eine Tat begangen, die dem Mord an der Joggerin in vielen Punkten ähnelt. 2003 war er nach 17 Jahren Haft unter Auflagen frei gekommen. Er galt in seiner elsässischen Justizvollzugsanstalt als »Musterhäftling«, hatte in der Haft geheiratet und Abitur gemacht.

»Der Richter muss bezahlen«, forderte Sarkozy. Dabei hatte ein dreiköpfiges Richterkollegium nach Anhörung mehrerer Psychiater die Entscheidung getroffen. In solchen Fällen liegt die Rückfallquote im Promillebereich und damit niedriger als die statistische Wahrscheinlichkeit, dass ein bisher nicht straffälliger Bürger ein Verbrechen begehen wird.

Solche Feinheiten interessieren Sarkozy aber offenkundig ebenso wenig wie das demokratische Prinzip der Gewaltenteilung, über das er sich mit seiner Forderung nach Bestrafung des Richters hinwegsetzt. Am Donnerstag sagte er im Parlament ganz offen, dass es ihm mit seinen Ausfällen darum geht, rechtsextreme Wähler zu beeindrucken: »Wir werden durch unser Vorgehen die extreme Rechte, die Armut und die Gewalt zurückdrängen.«