Uniform statt Turban

Mit sozialen Versprechungen und Appellen an nationalreligiöse Ressentiments konnte Mahmoud Ahmadinejad die Wahlen im Iran für sich entscheiden. von jörn schulz

Auch bei Wahlen in einer Diktatur kann es Überraschungen geben. 1997 hatte kaum jemand den Sieg des Reformislamisten Muhammad Khatami erwartet. Bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen dagegen galten die reformorientierten Kandidaten und der als »gemäßigter Pragmatiker« beschriebene Haschemi Rafsanjani als Favoriten. Und wieder kam alles ganz anders. Der Hardliner Mahmoud Ahmadinejad siegte am Freitag in der Stichwahl mit knapp 62 Prozent.

Der unterlegene Rafsanjani sprach von Wahlbetrug, will das Ergebnis aber nicht anfechten: »Das überlasse ich Gott.« Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Rafsanjani, dessen Machtbasis in den staatlichen Institutionen nicht schwächer ist als die Ahmadinejads, sich den Wahlsieg durch Manipulationen hat nehmen lassen.

Mangels einer freien Presse und zuverlässiger Meinungsumfragen stützten sich viele Einschätzungen auf iranische Weblogs, die überwiegend von Oppositionellen geschrieben werden. Sie gaben die Meinung einer unzufriedenen Mittelschicht wieder. 65 Millionen Iranern ohne Internetanschluss ist es jedoch nicht möglich, ihre Informationen aus unabhängigen Medien zu beziehen.

»Warum wir iranischen Blogger Unrecht hatten«, erklärte Nema Milaninia bereits vor der Bekanntgabe des Wahlergebnisses auf der Webseite Free Thoughts on Iran: »Die große Mehrheit der Journalisten, einschließlich der Blogger, hat sich auf die Ziele und die Kämpfe der unzufriedenen Teheraner Jugend konzentriert statt auf die unzufriedenen Armen im Iran.« Zudem habe man die Mobilisierung des militärischen und paramilitärischen Apparats unterschätzt. Journalisten, Analytiker und Oppositionelle stimmen weitgehend darin überein, dass es die Armen und die Uniformierten waren, die Ahmadinejad den Wahlsieg bescherten.

Ahmadinejad war Mitglied der Revolutionsgarden und der Basij-Miliz. Als Bürgermeister von Teheran zahlte er Prämien für religiöse Observanz an Stadtteilgruppen und schuf sich so eine solide Basis. Im Wahlkampf versprach er, Nahrungsmittel zu subventionieren und Mietzuschüsse zu zahlen.

Ahmadinejad gilt als Hardliner, er ist jedoch kein Geistlicher und wird nicht mit den korrupten Praktiken des Regimes identifiziert. Rafsanjani dagegen gilt als Mann der Moscheen und der Geschäftswelt. Die von ihm versprochenen Privatisierungen waren kein Wahlkampfschlager. Dass er am Tag vor der Wahl versprach, jeder iranischen Familie umgerechnet 11 000 Dollar aus den Privatisierungserlösen zukommen zu lassen, half ihm nicht mehr.

Ahmadinejads Sieg bedeutet nicht, dass arme Iraner kein Interesse an persönlicher Freiheit haben. Doch die spärlichen Liberalisierungsmaßnahmen der Reformislamisten hatten für sie geringe Bedeutung. Die größere Toleranz gegenüber Satellitenschüsseln nützt denen wenig, die sich keine leisten können. Offenbar hat Ahmadinejad Ressentiments gegen das Luxusleben der Oberschicht nutzen und auch nationalreligiöse Ressentiments ansprechen können. »Wir wollen keine Ausdehnung der Freiheiten nach einem westlichen Modell. Wir wollen etwas Eigenes, etwas Lokales«, sagte der 19jährige Basiji Mohammad Shakiba dem Korrespondenten der Washington Post.

Der hohe Ölpreis gibt Ahmadinejad die Chance, seine Wähler mit Geld zu belohnen. Doch die von ihm gewünschte staatskapitalistische Verwaltung der Ölrente bringt zwangsläufig Korruption und Klientelismus hervor.

Dass der Präsident des nachrevolutionären Iran erstmals kein Geistlicher ist, spricht für einen allmählichen Kontrollverlust der Ayatollahs. Die innere Dynamik begünstigt jedoch nicht den Übergang zur Zivilherrschaft, sie treibt das Regime in die Richtung einer religiös legitimierten Militärdiktatur.