Nazis im Doppelpack

Berlin stehen zwei rechtsextreme Aufmärsche bevor. Die NPD will gegen den SPD-Parteitag demonstrieren, Kameradschaften rufen zum »Antikriegstag«. von arne norden

Sie können nicht davon lassen. Nach dem Debakel am 8. Mai, als ihr groß angekündigter Aufmarsch in Berlin wegen eines großen Aufgebots der Polizei und Tausenden von Gegendemonstranten nicht stattfinden konnte, wollen sich die NPD und die so genannten Freien Kameradschaften Ende August wieder in Berlin auf die Straße wagen. Unter dem Slogan »Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!« beabsichtigt die NPD, den Parteitag der SPD am 31. August im Hotel Estrel zu stören. Sie wolle sich »asozialer Politik und heuchlerischen Wahlkampfparolen« entgegenstellen, heißt es auf ihrer Internetseite. Der Landesvorsitzende der NPD, Claus Schade, hat die Veranstaltung angemeldet.

Drei Tage später wollen »autonome Nationalisten« unter der Parole »Kampf dem US-Imperialismus! Nie wieder Krieg!« durch die Innenstadt ziehen. Sie erklären den 3. September kurzerhand zum Tag »gegen imperialistische Kriegstreiberei und Aggressionskriege«, freilich ohne den historischen Zusammenhang, den deutschen Überfall auf Polen im Jahr 1939, zu erwähnen. Gleichzeitig mit der Demonstration wird unter demselben Motto nach Dortmund geladen. Im Aufruf heißt es: »Wer heute gegen Krieg und Unterdrückung und für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit ist, muss zwangsläufig gegen die USA und gegen Israel sein.«

Der Text könnte über weite Strecken von linken Antiimperialisten stammen. So finden sich sämtliche Konflikte, an denen die USA seit 1945 beteiligt waren, akribisch aufgelistet. Nur an wenigen Stellen wird der völkisch-nationale Bezug hergestellt, wenn vom »nationalen Sozialismus« als einziger Alternative »zum kapitalistischen und imperialistischen System« die Rede ist.

Die Berliner Polizei will zur Demonstration der NPD derzeit keine Stellung nehmen. Man müsse erst die Veranstaltungen, die rings um das Estrel angemeldet seien, aufeinander abstimmen. Nur wenig offenherziger äußert sie sich zur geplanten »Antikriegsdemonstration«. Der Leiter der Polizeidirektion 6, Jörg-Michael Klös, rechnet damit, dass der für 300 Personen angemeldete Aufmarsch größer werden könne. Das hänge von den Gegenaktivitäten ab. Hinter der Demonstration stünden »rechtsextreme Größen« wie etwa Christian Worch. Klös vermutet, dass die Demonstration in der östlichen Peripherie Berlins stattfinden wird.

Die SPD habe die Ankündigung zur Kenntnis genommen, wolle aber die Genehmigung abwarten, sagte ein Sprecher der Parteizentrale der Jungle World. Die SPD befinde sich ohnehin in »offensiver Auseinandersetzung« mit der NPD. Darunter versteht sie Wahlkampfauftritte von Wolfgang Thierse und Franz Müntefering in Regionen mit hohem Stimmenanteil für die NPD und die Unterstützung von Initiativen wie etwa der Aktion Courage.

Das Motto der rechtsextremen Demonstration sei eine »populistische Position«, die NPD wolle den Parteitag der SPD für ihren Wahlkampf nutzen. Auch Proteste linker Gruppen werden als Profilierungsversuche gegen die SPD gewertet. Wenngleich deren Argumentation mitunter Ähnlichkeiten zur NPD aufweise, unterscheide die Partei zwischen Kritik an ihrer Politik und der Hetze der Neonazis. Linke müssten sich fragen lassen, wieso sie sich speziell gegen die SPD wenden. Am Estrel kam es bereits vor zwei Jahren zu linken Protesten. Damals stimmte ein Sonderparteitag der SPD der »Agenda 2010« und den Hartz-Gesetzen zu.

Berliner Antifagruppen vermuten, dass die SPD den Aufmarsch herunterspielen will. Dass der Parteitag am Mittwoch stattfindet, die NPD bislang nur verhalten für ihre Aktion wirbt und teilweise von einer »Mahnwache« die Rede ist, spricht dafür, den Blick auf den intensiver angekündigten »Antikriegstag« zu richten. Linke Initiativen wollen auf jeden Fall gegen beide Aufmärsche vorgehen. Das Bündnis »Gemeinsam gegen Rechts« koordiniert die Aktivitäten von zahlreichen Antifagruppen und Vertretern von Verdi, der PDS Neukölln, der Wasg und des Jugendverbands Solid.

Wegen der zeitlichen Nähe der Demonstrationen gibt es einen gemeinsamem Aufruf. Darin werden die Anschlussfähigkeit der Naziparolen an linken Antikapitalismus, aber auch die Indifferenz linker Kritik gegenüber nationaler Ideologie als Gefahren benannt. Mit Blick auf den 31. August heißt es: »Wir werden den Neonazis der NPD an diesem Tag zeigen, dass sie mit ihren sozialen Lügen und ihrer Hetze gegen MigrantInnen weder in Neukölln noch an irgendeinem Ort willkommen sind!«

Insbesondere im Süden Neuköllns existieren seit Jahren rechtsextreme Strukturen. Derzeit bildet sich ein Stadtteilbündnis, das mit einem mehrsprachigen Flugblatt in Neukölln dagegen vorgehen will. Gruppen wie die »Initiative Anders Arbeiten« kündigen »Antifaaktivitäten gemeinsam mit Sozialprotesten« an, was angesichts der Losung der NPD kein leichtes Unterfangen ist. Denn aus Protest gegen einen Neonaziaufmarsch abwechselnd Parolen gegen die Rechtsextremen und gegen die SPD zu skandieren, scheint schwer vorstellbar. Ein Hinweis auf die Ausgrenzungs- und Abschiebepolitik der SPD wäre da vielleicht passender.

Für die Linkspartei spielt das Ziel der NPD, der Parteitag der SPD, keine Rolle. Der Landesvorstand habe beide rechtsextreme Demonstrationen »auf dem Zettel«, sagt Pressesprecher Axel Hildebrandt. »Uns interessiert nicht, wohin sie marschieren, sondern dass sie marschieren, und sollte es dazu kommen, werden wir versuchen, die Aufmärsche zu verhindern.« Differenzen müssten da zurückstehen.

Rings um das Estrel wurden bereits Kundgebungen angemeldet, die als Anlaufpunkte für »dezentrale Aktionen« dienen können. Ähnlich wird es am 3. September aussehen. Nach bisherigen Informationen wollen Worchs »Freie Nationalisten« in Friedrichshain aufmarschieren. Gute Erfahrungen haben sie damit in jüngster Zeit nicht gemacht. Am 1. Mai 2004 scheiterte der Versuch, vom Stadtteil Lichtenberg aus dorthin zu ziehen, am Widerstand autonomer Antifas.

Die Themen der rechtsextremen Veranstaltungen zeigen, dass die Neonazis sich weiterhin darum bemühen, linke Begriffe und Parolen aufzugreifen und für sich zu besetzen. Mit der Aneignung linker Slogans wollen sie sich als radikale Opposition darstellen. Das historische Vorbild gilt ihnen als erfolgreich: Bereits die NSDAP ergänzte den ursprünglich auf die Kriegsbefürwortung der SPD im Ersten Weltkrieg gemünzten Spruch »Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!« um die Zeile: »Wer macht uns frei? Die Hitler-Partei!«

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