Ohren ab!

BND bespitzelt Journalisten

Der Bundesnachrichtendienst hat jahrelang Journalisten abgehört, bespitzelt und überwachen lassen. Das überrascht nicht: Skandale, die die Schlapphüte jeglicher Couleur verantworten, sind eher die Regel und nicht die Ausnahme. Jetzt hat es unter anderem Erich Schmidt-Eenboom erwischt. Der publizierte 1993 das Buch: »Schnüffler ohne Nase. Der BND – die unheimliche Macht im Staate.« Ein Fazit des Werks: Obgleich man sich im Westen über das Ministerium für Staatssicherheit der DDR ereiferte, existieren hier »analoge Struturen«. Insbesondere die Pannen, der Dilettantismus und die Schlamperei, die der Journalist detailliert schilderte, müssen den BND geschmerzt haben.

Der BND besitzt eine eigene Kontrollkommission, die herausfinden soll, welche Quellen etwas »nach draußen« haben durchsickern lassen. Und dieses Referat handelte in den neunziger Jahren nach dem bei allen geheimen Diensten beliebten Motto: legal, illegal, scheißegal.

Es gibt kein rationales Argument für die Annahme, die Praxis der Schlapphüte habe sich heutzutage geändert. Der Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, Ernst Uhrlau, schloss nicht aus, dass auch heute noch Journalisten überwacht werden, die im Geheimdienst-Milieu recherchieren.

Der Chef des BND, August Hanning, wird jetzt befragt werden, wann und ob er von der Aktion gewusst hat. Und nach ein paar Wochen wird man alles wieder vergessen haben – bis zum nächsten Mal.

In den siebziger Jahren hatte sich die Republik noch nicht daran gewöhnt, dass jemand für illegale Aktionen des Staatsapparats und der »Sicherheitskräfte« zwar verantwortlich war, das aber folgenlos blieb, bis auf eine kurzzeitige Medienschelte. 1975 spickte der Verfassungsschutz, die deutsche Skandalbehörde an sich, die Wohnung des Atomphysikers Klaus Traube mit Abhörwanzen – Codename: »Operation Müll«. Der damalige Innenminister Werner Maihofer (FDP) hatte die Aktion genehmigt und trat zurück, nachdem der Spiegel Beweismaterial publiziert hatte. Damals wurde der Begriff »Lauschangriff« geprägt.

Die rot-grüne Regierung hat die gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass der elektronische Lauschangriff auf die Kommunikation heute legal ist. Die Affäre um die Durchsuchung des harmlosen Debattenmagazins Cicero beweist: Es kann jeden treffen, nicht nur linke Online-Magazine wie Labournet oder Anti Atom Aktuell. Die Presse sitzt jedoch im Glashaus und wird im aktuellen Fall nicht allzu dicke Steine werfen. Günter Wallraff sagte im letzten Jahr in einem Interview: »Der ehemalige Kanzleramtschef und Bundesminister Horst Ehmke hatte Einblick in eine Liste von mehr als 100 Journalisten, vom einfachen Polizeireporter bis zum Chefkorrespondenten und Chefredakteur, die regelmäßig Geld vom Bundesnachrichtendienst erhielten.« Mit den geheimen Diensten ist es wie mit feministischer Theologie: Man kann nicht glaubwürdig eine Reform dessen fordern, das per se nicht reformfähig ist. Ceterum censeo: BND und Verfassungsschutz abwickeln!

burkhard schröder