Rache ist Blutwurst

Fleischskandal

von doris akrap

Der deutsche Beitrag zum guten Geschmack ist bekanntlich nicht weiter nennenswert. Ausländische Produkte für das leibliche Wohl klingen schon dem Namen nach stets viel reizvoller, als es ein deutsches Nahrungsmittel je sein könnte.

Aus Asien kamen Sushi und die Zugvögel, schön roh und zart. Wenigstens solange bis die Vogelgrippe ihren Rachefeldzug gegen Europa antrat und die kross gebratene Thai-Ente aus der Erdnusssoße befreite. Aus England kam das Rare Steak. Innen so schön und so blutig, dass der Rinderwahnsinn und die Traberkrankheit die Ehre der verrückt gewordenen Tiere zurückforderte. Und was kam aus Deutschland? Blutwurst! Jetzt besser bekannt als Gammelfleisch.

Keine indonesischen Wellensittiche in Massenhaltung, keine indischen Leichen, die an Rinder verfüttert werden, und keine kranke Leber, nichts dergleichen Aufregendes, sondern schlichte »Überlagerung« prägt den deutschen Fleischskandal. Die Werbung vom echten und ehrlichen Stück Fleisch aus Deutschland war noch eingespielt worden, als es galt, die Tod und Verderben bringenden ausländischen Bazillenschleudern zu bekämpfen.

Doch die deutsche Wurst ist auch nicht mehr ganz sauber. Während die Angriffe des gemeinen Zugvögelvirus so ausgewählt illustren Zielen wie kroatischen Schwänen und chinesischem Menschenmaterial galten, weht hierzulande der Gestank verfaulender Putenbrüste übers Land. Tag für Tag wird ein neues Bundesland infiziert. Der Fachausschuss Vieh und Fleisch fordert eine »Task Force« und ein länderübergreifendes Schnellwarnsystem gegen die »Fleischmafia«.

Aber ist das Gammelfleisch nicht eigentlich Biofleisch? Schließlich verbirgt sich hinter den finsteren Machenschaften der »Überlagerung« doch nichts anderes als das sich selbst und dem natürlichen Verfallsprozess überlassene Fleisch. Das organisierte Erbrechen, ein bio-chemischer Angriff zu Discountpreisen? Kein teures Anthrax, sondern Terrorismus mit Stallgeruch?

Wer steckt wirklich hinter dieser biofaschistischen Variante des zürnenden Apoll, der den Maultieren und dem Heer die verderbliche Seuche schickt? Vielleicht waren es die Tier- und Lebensschützer wie der Theologe Eugen Drewermann, der Tiere als Partner auf dem gemeinsamen Weg in die Unsterblichkeit betrachtet. Ist Gammelfleisch das Memento Mori, das die Beschleunigung der irdischen Vergänglichkeit vorantreibt?

Vielleicht ist das modernde Aas ein klammheimlicher Angriff der Friedensbewegung. Denn schon Leo Tolstoi wusste, dass es so lange Schlachtfelder geben werde, wie es Schlachthäuser gibt. Ist das Gammelfleisch also die letzte Schlacht gegen den Schlachter?

Hier und da torkelt schon eine fette Ratte durch den Hausflur. Schon blitzen die Totenschädel hinter den rosa Masken gesunder Schweine. Alles wartet auf den counter strike der Salmonellen. Haben sie den verfaulenden Braten gerochen? Die Maul- und Klauenseuche nutzt die Chance, um ihr eigenes Terrain zurückzuerobern, und fordert das gammlige Roastbeef zum Duell heraus. Verschimmelter Käse und schlechte Milch beteiligen sich am Aufstand. Die bedauerlichen Fleischlappen aus der 30-Prozent-Rabatt-auf-alle-Frischfleischprodukte-Theke stehen als Zombies vor den Toren der Stadt.

Doch ob dieses Mal die Stadttore geschlossen werden?