Brav verurteilt

Reaktionen auf Osthoff-Entführung

von udo wolter

Noch ist nicht klar, ob die Entführer der deut­schen Archäologin Susanne Osthoff jiha­dis­tische Islamisten, Terroristen aus dem ba’athistischen Untergrund oder Kriminelle aus der Entführungsindustrie sind, die im irakischen Chaos prächtig gedeiht. Dennoch beeilten sich in der vergangenen Woche Vertreter verschiedener islamischer Dachverbände in Deutschland, die Entführungen im Namen des Islam zu verurteilen und als »unislamisch« zu brandmarken. Angeführt wurde die Initiative vom Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Nadeem Elyas, der sich persönlich zum Austausch für die Entführte anbot. Aber auch wenn es grundsätzlich zu begrüßen ist, dass islamische Verbände den Terror im Irak verurteilen, sind einige kritische Fragen angebracht.

Wieso muss die Entführung von Osthoff mit einer theologischen Begründung verurteilt werden, statt einfach ihren verbrecherischen Charakter anzuprangern und die sofortige Freilassung zu verlangen? Und warum muss Elyas betonen, dass »die deutsche Bevölkerung gegen den Angriffskrieg im Irak demonstriert hat, und die deutsche Regierung eine militärische Beteiligung trotz massivem Druck und unter Inkaufnahme eigener Interessennachteile abgelehnt hat«? Wäre die Entführung von amerikanischen oder britischen Aufbauhelfern, die keine erklärten Kriegsgegner sind, weniger verurteilenswert?

Dies sind nicht nur Spitzfindigkeiten. Die islamischen Verbände und Funktionäre haben mit ihren Stellungnahmen zuvorkommend Erwartungen bedient, die nicht zuletzt von den deutschen Medien an sie gerichtet werden. Dieser Erwartungshaltung wird von den Verbänden auch entsprochen, um eigene politische Interessen zu befördern.

Die meisten der von der Presse aufgegriffenen Erklärungen wurden am Rande der Jahrestagung der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD), die der Muslimbruder­schaft nahe steht, von Funktionären wie dem Vorsitzenden der IGD, Farouk al-Zayat, oder Oguz Ücüncü, dem Generalsekretär der islamistischen Milli-Görüs-Gruppe, abgegeben. Auch Elyas, der nur eine Minderheit der in Deutschland lebenden Muslime repräsentiert, wird, etwa vom ARD-Magazin »Report«, eine politische Herkunft aus dem Umfeld der Muslimbrüder nachgesagt.

Es hat also viel mit dem Kampf um Repräsentanz und politischen Einfluss im »deutsch-islamischen Dialog« zu tun, wenn sich dieses Spektrum bemüht, mit Stellungnahmen etwa dem Verband Ditib zuvorzukommen, der der staatlichen türkischen Religionsbehörde nahe steht und immer noch die meisten Moscheen in Deutschland repräsentieren dürfte.

Der Hintergrund, vor dem sich dieses Gerangel abspielt, ist der kulturalistische Blick auf die deutsche Einwanderungsgesellschaft, unter dem etwa Türken inzwischen vor allem als Muslime wahrgenommen werden. Die Verurteilung der Entführung einer Deutschen im Irak gerät so fast zu einer »muslimischen Angelegenheit«. Das Problem dabei ist, dass in diesem Zusammenhang islamistische Po­­lit­strategen ihre Distanzierung von den übelsten jihadistischen Gewalttaten einsetzen können, um öffentlicher Akzeptanz für die Islamisierung »ihrer« Communities in Deutschland zu gewinnen.

Während am Rande der Tagung der IGD die Funktionäre ihre Verurteilungen der Entführung in die eifrig auf sie gerichteten Mikrofone sprachen, spielte der Fall Osthoff auf der Tagung selbst keine Rolle. Dort wurde stattdessen der Auftritt des ägyptisch-britischen »Pop-Islamisten« Amr Khaled gefeiert, der die Jugend mit einem cool daherkommenden Lifestyle-Islamismus zu begeistern versteht.