Die Achse Moskau-Teheran

Der Iran ist ein wichtiger Partner Russlands. Seine weltpolitische Isolation könnte einige lukrative Geschäfte zum Scheitern bringen. von martin schwarz, wien

Die regelmäßigen Besuche des russischen Atomenergie-Ministers Alexander Rumjanzew bei der Internationalen Atom­energiebehörde (IAEA) am UN-Sitz in Wien gehören zu den Highlights der Wiener UN-Korrespondenten. Pressekonferenzen mit dem russischen Riesen nämlich sind unterhaltsam, Rumjanzew ist stets gut gelaunt, das Rauchverbot in den Räumen der Wiener Uno-City ist dort außer Kraft gesetzt, wo er auftaucht. Meist schafft es der Minister auch – für russische Politiker eher ungewöhnlich –, relativ verbindliche Aussagen zu treffen, erzählt lang und breit über die Perspektiven der iranisch-russischen Kooperation in Nuklearfragen und ist insgesamt ein Glücksfall für die an technokratische Verschwiegenheit gewohnten UN-Journalisten. Nur bei einem lässt sich Rumjanzew nicht in die Karten schauen: bei der Frage, ob Russland im UN-Sicherheitsrat einen möglichen Beschluss von Sanktionen gegen den Iran unterstützen würde. Noch, heißt es dann, wird das Problem Iran ja im Gouverneursrat der IAEA verhandelt, also stelle sich die Frage nicht. Doch EU und USA haben erhebliche Zweifel daran, dass Russland die Allianz gegen das Atomprogramm der Mullahs unterstützen würde.

Freilich: Auch Russland war vergangene Woche dabei, als die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates den Iran davor gewarnt haben, die Forschungsarbeiten am eigenen Atomprogramm wieder aufzunehmen, was dem US-amerikanischen Außenministerium zufolge »die Einheit und den Zusammenhalt« der fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder demonstriere. Die Mitwirkung Moskaus an der Einheit und dem Zusammenhalt hört aber exakt dort auf, wo die russische Atomtechnologie zum Exportgut wird. Tatsächlich hat Russland ein Inte­resse daran, dass der Iran nicht selber forscht. Aber nicht, weil damit die Mullahs der Atombombe näher rücken könnten, sondern weil damit die russisch-iranische Kooperation in Nuklearfragen gefährdet und russisches Know-how überflüssig werden könnte.

Bereits im Jahr 2000 kündigte Russland einen mit den USA geschlossenen Pakt, der die Isolation des Iran in Militärfragen vorsah. Man hatte in Moskau die Iraner als Kunden jener Nukleartechnologie identifiziert, die man im ehemaligen europäischen Einflussbereich nun nicht mehr an den Mann bringen konnte. Seitdem schwankt Moskaus Verhältnis zu den Mullahs zwischen kaufmännischer Hoffnung und politischer Verzweiflung. Insbesondere Irans neuer Präsident Mahmud Ahmadinejad gefährdet mit seinen politischen Amokläufen die Argumentationslinie der Russen, die Hilfe für die Iraner in Nuklearfragen diene »der Sicherheit in der Region« und sei – unter strengster Beobachtung der Inspektoren der IAEA – militärisch unproblematisch.

Nur einen Tag nachdem Russland im Oktober des vergangenen Jahres einen iranischen Aufklärungssatelliten mit einer russischen Rakete in den Weltraum befördert hatte, begann Ahmadinejad seine mittlerweile wiederholten und immer wieder verschärften anti-israelischen Ausfälle. Nur wenige Tage zuvor hatte der Iran erstmals an einer Tagung der als »Gegen-Nato« klassifizierten und von Russland wesentlich getragenen »Shanghai-Gruppe« teilgenommen. Und russischem Bestreben war es zu verdanken, dass der Iran in der Gruppe, die aus Russland selbst, China, Kasachstan, Usbekistan, Kirgisien und Tadschikistan besteht, den Beobachterstatus erhalten hatte.

Zwar ist Moskau über den Wahlsieg Ahmadinejads wenig erbaut, dennoch haben der iranische Präsident und Russlands Präsident Wladimir Putin telefonisch öfter über eine Ausweitung der Kooperation gesprochen. Moskaus Kalkül: In Nuklearfragen könnte man mit dem Iran Geschäfte machen und gegenüber dem Westen als Exekutor politischen Containments gegenüber Teheran auftreten. Genau in dieses Kalkül passt auch der russische Vorschlag, die Anreicherung von Uran – einer der wesentlichsten Streitpunkte im Konflikt mit USA und EU – für den Iran einfach zu übernehmen. Die aus iranischem Urangas hergestellten Brennstäbe sollen weltweit – eben auch an den Iran – verkauft werden. Ein feiner Deal: Russland wird als Provider ziviler Nukleartechnologie wieder gebraucht, und die Bedenken des Westens werden zerstreut. Doch für Pragmatismus ist die derzeitige Führungsgarnitur in Teheran nicht übermäßig empfänglich. Die Beherrschung des vollständigen Nu­klearkreislaufs gehört zu den nationalen Zielen des Iran, und insbesondere unter Ahmadinejad wird daran wohl nicht gedeutelt werden. »Für den Iran bedeutet sein Atomprogramm mehr als nur Wirtschaft oder Politik. Das ist faktisch ein Symbol der Unabhängigkeit der Islamischen Republik, eine gesamtnationale Idee«, sagt Radschab Safarow, Chef des russischen Zentrums für moderne Iran-Studien in Moskau.

Der Spielraum für Moskau wird also enger, und vielen im Kreml schwant schon, dass die Unterstützung des Baus des Atomkraftwerks Bushehr mit einem Auftragsvolumen von 600 Millionen US-Dollar bis Ende 2006 der vorerst letzte große Auftrag sein wird, den man sich international leisten kann. Zwei Jahre lang sollen außerdem russische Techniker ihre iranischen Kollegen im Handling eines Atomkraftwerkes unterweisen. Dabei würde wohl nicht erst eine Verurteilung des Iran durch den UN-Sicherheitsrat für ein vorläufiges Ende der Geschäfte sorgen, sondern schon die Weiterleitung des Problems durch die IAEA an den Sicherheitsrat.

Bevor aber der gute Kunde in Teheran endgültig ausfällt, wickelt Moskau schnell noch einige höchst bedenkliche Geschäfte mit dem Polit-Paria ab: Erst Ende vergangenen Jahres hat Russland mit dem Iran die Lieferung von 29 hochmodernen Luftabwehrraketen vereinbart, die nach Befürchtungen westlicher Sicherheitsexperten rund um iranische Nuklearzentren stationiert werden könnten, um einen möglichen israelischen Präventivschlag aus der Luft zu verhindern. Es ist das größte Waffengeschäft zwischen Moskau und Teheran seit fünf Jahren. Lapidarer Kommentar des russischen Verteidigungsministers Sergej Iwanow: Das Geschäft werde das Kräfteverhältnis in der Region ja nicht beeinträchtigen. Das mag womöglich stimmen, und 600 Millionen Euro Auftragsvolumen sind ja auch ein gutes Argument, gleichzeitig aber wird der Iran die neuen Raketen zur Stärkung seiner Position gegenüber dem Westen zu nutzen wissen.