Sweet Home Antifa

Von Ivo Bozic

Happy Family II

Wozu brauche ich Tanten, Onkel, Frau und Kind? Ich hab’ ja die Antifa. Irgendeine Politgruppe und dazu die gesamte Szene. Man kennt sich seit Jahren, mit vielen habe ich schon in dieser oder jener WG oder einem Hausprojekt zusammengewohnt. Mit der Hälfte der Szene habe ich schon am Frühstückstisch gesessen. Und mit nicht wenigen auch die Nacht davor verbracht.

Für so manchen Antifa ist es ganz normal, zu einer Party zu gehen, wo zwei Ex-Freundinnen anwesend sind und fünf Frauen, mit denen mal irgendetwas lief. Da das auf solch einer Party den meisten so geht, Männern wie Frauen, kann man ohne weiteres von ausgedehntem Szene-Inzest sprechen.

Selbstverständlich geht es wie in jeder guten Familie auch in unserer nicht nur um Sex. Gemeinsame Unternehmungen und Freizeitgestaltung, gegenseitige Unterstützung, Arbeitsteilung und ein soziales Netz gehören auch dazu. Und so treffen wir uns nicht nur beim WG-Spieleabend, in der Demokette, auf Partys, bei Umzügen und Gruppentreffen, sondern fahren auch mal zusammen in Urlaub, pumpen einander Geld und schanzen uns Jobs bei dieser oder jener Stiftung, Gewerkschaft, Kneipe oder Security-Firma zu.

Manchmal gibt es politische Verwerfungen oder Gruppen spalten sich, oder irgendjemand, der mit irgendjemandem bekannt ist, mit dem man selbst bekannt ist, bekommt einen Sexismusvorwurf oder einen Antisemitismusvorwurf oder einen Antideutschenvorwurf. Da muss man dann durch. Aber Blut ist ja bekanntlich dicker als Wasser. Man trifft sich fortan nicht mehr beim Plenum und in der Demokette, sondern nur noch bei Partys, Umzügen und WG-Spieleabenden.

Eigentlich kann nichts unsere Familienidylle stören. Außer einer konkurrierenden Familie. Wenn jemand mit seiner Freundin oder seinem Freund zusammenzieht oder gar ein Kind bekommt, dann ist er oder sie natürlich raus. Nein, nein, kein Rausschmiss oder so. Man läuft sich bloß nicht mehr so häufig über den Weg. Ist doch ganz natürlich. Der Umzug eines Szenepärchens in die gemeinsame Wohnung ist in der Regel der letzte Umzug, bei dem man die beiden zu Gesicht bekommt. Zwei Jahre später auf dem My-Fest lernt man dann den kleinen Jonas oder die kleine Paula kennen. Süß! Und keiner nimmt irgendwem seine Abkehr von der Antifa-Familie übel, da sind wir unglaublich tolerant. Schließlich gibt es noch genug Genossinnen und Genossen, mit denen man eine Demokette oder ein WG bilden, eine Party schmeißen oder Monopoly spielen kann, und auch beim nächsten Umzug steht man nicht alleine da.

Und außerdem gibt es wie in jeder Familie auch bei uns Nachwuchs. Die Jungs und Mädels von der Jugend-Antifa sind inzwischen im geschlechtsreifen Alter und haben auch schon ganz vernünftige Ansichten zu Politik und Leben und so. Zudem geben sie uns das gute Gefühl, noch nicht zum alten Eisen zu gehören.

So viel Familie hat Ursula von der Leyen noch nie gehabt, und wenn sie alle Kinder, Omas, Opas und Kusinen zusammenrechnet. Die soll sich an uns mal ein Beispiel nehmen, diese individualistische Egotante!

ivo bozic