Da lacht der Spitzel

Obwohl der Bundesnachrichtendienst wegen der Bespitzelung von Journaliste in der Kritik steht, soll er mehr Rechte bekommen. von jörg kronauer

Selbst der Rheinische Merkur wirkte nicht besonders erfreut. »Noch mehr Rechte für den BND«, schrieb das christlich-konservative Blatt, als das Bundeskabinett am 11. Juli ein Gesetz mit einem knappen, prägnanten Namen beschlossen hatte: das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz (TBEG). Es spricht den deutschen Geheimdiensten mehr Befugnisse zu und schränkt die Überwachung der ohnehin schwer zu kontrollierenden Institution weiter ein. Der Rheinische Merkur resümierte: »Bürgerrechte gelten dieser Großen Koalition wenig.«

Das neue Gesetz gehört in die Reihe der Maßnahmen, die mit Verweis auf den 11. September 2001 beschlossen wurden – angeblich, um gegen den internationalen islamistischen Terrorismus vorzugehen. Es ergänzt das Terrorismusbekämpfungsgesetz, bekannter unter den Bezeichnungen »zweites Sicherheitspaket« oder »Schily II«, das noch Ende 2001 mit derselben Begründung durch den Bundestag gebracht wurde.

Bereits das zunächst auf fünf Jahre befristete Terrorismusbekämpfungsgesetz ermöglicht den deutschen Diensten zahlreiche Möglichkeiten der Überwachung, unter anderem den Zugriff auf Telefonverbindungsdaten. Auch erlaubt es dem Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst, Kontoauskünfte bei den Banken einzuholen. Tritt das TBEG in Kraft, dann erhalten der Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst Einblick in die Daten von Flugreisenden, die nach der bisherigen Gesetzeslage nur vom Verfassungsschutz eingesehen werden durften. Auch soll es den Spitzelapparaten möglich werden, bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nachzufragen, wo eine überwachte Person ihr Konto unterhält. Das vereinfacht die jetzt schon legale Kontoabfrage ungemein.

Bislang mussten die Dienste lästige Verfahrensregeln einhalten, um legal an die Daten von Banken, Telefonunternehmen und Fluggesellschaften zu gelangen. Nötig war dafür die Zustimmung der vom Bundestag eingesetzten G 10-Kommission, benannt nach Artikel 10 des Grundgesetzes, der das Post- und Fernmeldegeheimnis schützen soll. Zum TBEG kündigt das Bundesinnenministerium in der ihm eigenen Sprache an: »Bei den Auskunftsvoraussetzungen werden Wertungsinkonsistenzen praxisorientiert beseitigt.« Es sei ja wohl nicht tragbar, dass »die schlichte Auskunft über eine Flugbuchung« dasselbe Genehmigungsverfahren erfordere wie das Abhören eines Telefongesprächs. In Zukunft benötigen die Geheimdienste für den Einblick in Bank- und Fluggastdaten nur noch die Genehmigung des für sie zuständigen Ministeriums.

Neben zahlreichen weiteren neuen Befugnissen für den Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst ist vor allem die Ausdehnung der Überwachung auf weitere Personengruppen von Bedeutung. War es bislang möglich, die Daten von Personen abzufragen, denen man »völkerverständigungswidrige Bestrebungen« vorwerfen konnte – was man im einzelnen auch immer darunter verstehen soll –, so ist das in Zukunft auch bei so genannten Extremisten möglich. Das Gesetz, mit dem angeblich der internationale Terrorismus bekämpft werden soll, setzt somit unter anderem auch viele Linke der Willkür der Geheimdienste aus.

Dass die Terrorbekämpfung den willkommenen Anlass bot, die Befugnisse der Geheimdienste, wie lange zuvor geplant, zu erweitern, das ließ sich schon im Jahr 2001 gut erkennen. »Der Referentenentwurf des Innenministeriums bestand überwiegend aus Vorschlägen, die schon vor Jahren abgelehnt worden waren«, schrieb damals Burkhard Hirsch, ein Innenpolitiker der FDP. »Bundesregierung und Koalitionsfraktionen brachten den komplizierten Gesetzentwurf gleichzeitig in Bundesrat und Bundestag ein«, berichtete er im »Grundrechte-Report 2002«, empört über das ungewöhnlich hektische Vorgehen. Noch am Abend vor der »einzigen Sitzung des federführenden Innenausschusses legten die Koalitionsfraktionen 36 zum Teil außerordentlich umfangreiche Änderungsanträge vor und nahmen dann ihre eigenen Vorschläge an«, schrieb Hirsch. »Das Plenum entschied noch in derselben Woche in zweiter und dritter Lesung.«

Ähnlich verärgert reagierten auch andere Politiker der FDP auf die Gesetzesergänzung. Er sei empört, »dass die Regelungen jetzt ausgeweitet werden sollen, anstatt die Grundrechtseingriffe zu reduzieren«, teilte der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Max Stadler, mit. Nach Ansicht der ehemaligen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist die Ausweitung der Geheimdienstbefugnisse »durch nichts gerechtfertigt«. Auch die Grünen empörten sich. Das TBEG sei ein »sicherheitspolitischer Dammbruch«, schimpfte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck.

Allerdings haben die Grünen das Gesetz selbst ermöglicht. Sie brachten nicht nur das Terrorismusbekämpfungsgesetz Ende 2001 gemeinsam mit der SPD durch den Bundestag, sondern bereiteten auch seine aktuelle Ergänzung mit vor. Bereits im Frühjahr 2005 kursierte ein vertraulicher Bericht der damaligen rot-grünen Bundesregierung, denn es war klar, dass das Terrorismusbekämpfungsgesetz nicht nur länger als fünf Jahre gültig sein, sondern auch erweitert werden sollte. In diesem Bericht hieß es Pressemeldungen zufolge, dass es nicht ausreiche, wenn die Dienste lediglich Bankkonten einsehen könnten. Sie müssten auch bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erfragen können, wo ihre Beobachtungsobjekte ihre Konten unterhielten. Volker Beck war damals offenbar einverstanden: »Der Einblick in die Kontobewegungen ist der weiter reichende Eingriff, deshalb kann man den Geheimdiensten auch Zugriff auf die Stammdaten gewähren«, sagte er der Netzeitung.

Ein zufälliger Patzer des grünen Rechtspolitikers war das kaum. Schon beim Amtsantritt der rot-grünen Bundesregierung war klar, dass mit den deutschen Militäreinsätzen in aller Welt auch die Bedeutung der Geheimdienste zunehmen würde. Wer auf allen Kontinenten um Einfluss kämpft, benötigt genaue Kenntnisse über die entsprechenden Staaten und über seine Gegner. Dem heutigen Außenminister und früheren Leiter des Kanzleramts und Regierungsbeauftragten für die Nachrichtendienste, Frank-Walter Steinmeier, wird die »Renaissance des BND« zugeschrieben, die der Auslandsgeheimdienst zur Zeit der rot-grünen Regierung erlebte ( Jungle World, 48/05). Dass die Dienste angesichts des gestiegenen Interesses an ihrer Arbeit neue Rechte verlangen würden, damit war zu rechnen.

Dass die Erweiterung der Befugnisse ausgerechnet zu einer Zeit erfolgen soll, in welcher der BND wegen zahlreicher mutmaßlicher Gesetzesbrüche in der Kritik steht, zeigt, was sich die Sicherheitsbehörden inzwischen alles erlauben können. »Unfassbar« nennt es Max Stadler, dass trotz mutmaßlich illegaler Bespitzelung von Journalisten »gerade jetzt die Befugnisse der Geheimdienste ausgeweitet werden sollen«. Bereits im Mai warnte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der Auslandsgeheimdienst dürfe sich nicht zum »Staat im Staate« entwickeln. Eine allzu übertriebene Formulierung war das nicht.