Sie kommen alle wieder

Zehn Jahre nach seiner ersten Niederlage im Profiboxen will Henry Maske wieder in den Ring steigen. von christian helms

Das Gesetz »They never come back« gilt im Boxsport schon lange nicht mehr. Seit der Amerikaner Floyd Patterson vor mittlerweile 46 Jahren den Schweden Ingemar Johansson k.o. schlug und sich als erster Profi den Schwergewichtstitel zurückholte, sind etliche Boxer mit dem Versuch, nach mehr oder weniger langer Pause an frühere Siege anzuknüpfen, erfolgreich gewesen. Und spätestens, als der 45jährige George Foreman mehr als zwei Jahrzehnte, nachdem er im Dschungel von Kin­shasa seinen Weltmeistergürtel an Muhammad Ali hatte weiterreichen müssen, im November 1994 erneut den Titel gewann, scheinen im Box­sport auch die Gesetze des Alterns keine Rolle mehr zu spielen.

Finanzielle Nöte hatten den Oldie aus Texas damals zurück in den Ring getrieben; die großartige Vision eines schräg stehenden Grills, aus dem das ungeliebte Fett in eine Auffangschale tropfen kann, sollte er erst später haben. »The Lean Mean Fat Reducing Grilling Machine« ist heute ein weltweiter Verkaufsschlager und vielleicht auch der Grund, weshalb »Big George« nicht auch heute noch mit seinem mächtigen Punch die Gesichter deutlich jüngerer Männer bearbeitet.

Auch Henry Maske hat es eigentlich nicht mehr nötig, noch einmal in den Ring zu steigen. Als Lizenz­nehmer von vier Schnellrestaurants ist aus dem einstigen Berufsboxer inzwischen ein erfolgreicher Unternehmer geworden, der sich darüber hinaus auch noch gesellschaftlich engagiert.

Er hatte dem Boxsport damals aus der schmudde­ligen Rotlichtecke herausgeholfen und war schließlich vor zehn Jahren als umjubeltes gesamtdeutsches Sportidol abgetreten. »Time to say good-bye« – auch nach der missglückten elften Titelverteidigung ließ sich der »Gentleman« nicht zu einem Comeback überreden und rettete, wenn schon nicht seine makellose Kampfbilanz, zumindest seine Würde in ein Leben nach dem Sport.

Der »Mythos Maske« lebte weiter, leicht verklärt erinner­ten sich die Boxfans fortan an einen Modell­athleten, der sich mit bis dahin nicht für möglich gehaltener Eleganz in der anrüchigen Welt aus Schweiß und Muskeln be­wegt hatte. Der in den frühen Neunzigern ähnlich hohe Einschaltquoten erzielte wie sonst nur Fußball, Thomas Gott­schalk oder ein junger Rennfahrer namens Michael Schumacher. Der stellvertretend für die halbe Republik die von RTL gestellte »Frage der Ehre« beantwortete und Graciano Rocchigiani, der Maske als Sinnbild für das Ungezähmte und die Grobheit des Boxens gegenübergestellt wurde, bezwang. Der damals unzählige Abi­turfeiern mit einem angemessen klebrigen Soundtrack versorgte. Und dem es – eine wahre Seltenheit im Profisport – gelang, den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören zu erwischen.

Mehr als zehn Jahre nach seinem Abschied wird Henry Maske, dann 43, in den Ring zurückkehren. Sein Gegner soll im Januar 2007 ausgerechnet Virgil Hill sein, der ihm im letzten seiner 31 Profi-Kämpfe 1996 die einzige Niederlage beigebracht hat. »Ich bin fassungslos«, kommentierte Maskes ehemaliger Promoter Wilfried Sauerland. »Bisher hatte ich gedacht, das sei ein Scherz. Aber jetzt macht er leider ernst.«

Als der 42jährige Hill im Januar dieses Jahres WBA-Weltmeister im ­Cruisergewicht wurde, fühlte sich Maske angeblich herausgefordert. »Ich dachte, das kann doch nicht wahr sein. Der ist doch im selben Monat geboren wie du.« Auf Maskes Home­page heißt es weiter: »Mein letzter Kampf hatte nicht den Ausgang, den ich mir für das Ende meiner Kar­riere gewünscht hätte. Der Grund, warum ich es noch einmal wagen will, liegt aber nicht nur darin, dieses Resul­tat zu überarbeiten, sondern vielmehr bin ich der Meinung, die Zuschauer, meine Fans hätten oder haben weitaus mehr verdient.«

Und um zu dieser Einsicht zu gelangen, benötigt der Mann ein ganzes Jahrzehnt? »Eine Revanche gegen Hill als Motiv für ein Comeback nach zehn Jahren ist unglaubwürdig«, meint auch Hagen Doering, Sportkoordinator bei Sauerland. »Sportlich tendiert so etwas gegen Null. Das hat nur noch Unterhaltungswert.«

Eine Neuauflage des Promi-Boxens – nur diesmal mit Promi-Boxern. Über den Unterhaltungswert dieser Veranstaltung lässt sich zudem streiten: Schon vor zehn Jahren bot ein Abend mit Henry Maske selten Spektakuläres. Seine saubere Technik und die strategische Kampfführung wurden zwar von fachkundigen Box-Ästheten bewundert, das boxerische Feuerwerk, das der pompöse Einmarsch und die bunte Lasershow versprochen hatten, blieb aber meist aus.

»Nicht nur die Leistung im Ring entscheidet. Es gehört mehr dazu, ein gewisses Charisma, das die Leute anspricht und veranlasst, sich mit einem Sportler zu identifizieren«, erklärte Maske selbst einmal. Eine kluge Gegnerwahl übrigens auch – nicht zufällig ging Maske dem als sportlich stärker eingeschätzten Dariusz Michal­czews­ki stets aus dem Weg, der ein halbes Jahr nach Maskes Karriereende demonstrativ dessen Bezwinger Virgil Hill besiegte.

Diese Nebensächlichkeiten hätten die Boxfans allerdings bereitwillig vergessen, die fabelhaften Heldentaten des Henry M., stets wunderbar ausgeleuchtet vom Kölner Privatsender, hätten alles überstrahlt. Auf die bizarre Pointe, dass der Brandenburger nun in einem späten Rückkampf seine verlorene Ehre retten müsse, wäre auch kein Zuschauer gekommen. Spätestens, wenn sich die bei­den Boxveteranen im Januar nach ein paar Runden erschöpft umklammern und die Bildregie den gelangweilten Klaus Wowereit entdeckt, der in der ersten Sitzreihe seinen schalen Sekt aus einem Plastikbecher schlürft, dürfte sich diese Rück­schau ein wenig eintrüben. »Die Leute werden hoffentlich unterscheiden können zwischen Kämp­fen mit sportlichem Wert und solchen mit alternden Stars. Das ist wie bei Schaukämpfen im Tennis: mehr Show als seriöser Sport«, so Wilfried Sauerland, der vielleicht auch deshalb so angefressen reagierte, weil er an diesem Fight nicht mitverdie­nen wird.

Die schlichte Wahrheit lautet: Mit kaum einem anderen Namen ist momentan im deutschen Box­sport ein derart großer Profit zu erzielen – und zwar für alle Beteiligten, Maske inklusive.

Die überflüssige Showveranstaltung Maske gegen Hill auf ihren finanziellen Aspekt zu reduzieren, wäre allerdings weder angemessen noch besonders originell. Zusätzlich trifft ihr Zustande­kommen nämlich eine interessante Aussage über den Zustand des Profiboxens in Deutschland. Der derzeit auch auf sein Comeback hintrainierende »Weiche Riese« Axel Schulz war noch zu Maskes Zeiten an George Foreman, dem gedopten Südafrikaner Francis Botha und seiner eigenen Unfähigkeit gescheitert, bevor ihn Wladimir Klitschko 1999 in den vorzeitigen Ruhe­stand prügelte. Die beiden Brüder aus der Ukraine konnten Maskes riesigem Schatten noch am ehesten entkommen, doch weder sie noch einer ihrer überwiegend namenlosen Nachfolger, in welcher Gewichtsklasse auch immer, lösten jemals wieder ein annähernd großes öffentliches Interesse aus.

Die letztlich nur logische Konsequenz der Fernsehproduzenten: das Retro-Event. Vielleicht treffen ja demnächst auch Boris Becker und Stefan Edberg auf dem RTL-»Centre Court« aufeinander. Und so abwegig ist ein Spiel unserer Fußball-Weltmeister von 1990 gegen das damalige argentinische Team doch auch nicht, jetzt, da Diego Maradona sich wieder be­wegen kann. Alles nur eine Frage des Geldes. »They ­always come back« – wer braucht schon neue Helden?