Raus aus dem Höllenloch

Nicht nur Menschenrechtler, sondern auch republikanische Politiker fordern die Schließung des Gefangenenlagers in Guantánamo. Doch das letzte Wort hat der Präsident. von william hiscott

Die Aussagewilligkeit wurde belohnt. Nachdem David Hicks, der »australische Taliban«, gestanden hatte, dass er an einem Trainingskurs von al-Qaida teilgenommen und sich unter deren Kämpfer eingereiht hatte, entschied sich das Militärtribunal in Guantánamo am vergangenen Freitag für eine relativ milde Strafe. Hicks, der zu den ersten, Ende 2001 nach Guantánamo transportierten »feindlichen Kämpfern« gehört, wurde zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Er muss jedoch nur noch neun Monate absitzen und wird zudem nach Australien überstellt. Unter öffentlichem Druck stimmte der australische Premierminister John Howard der Rückkehr von Hicks zu, dessen Vater vor allem froh ist, dass sein Sohn das »Höllen­loch« verlassen kann.

Das Militärtribunal hätte auch eine lebenslange Haftstrafe verhängen können. Doch die US-Regierung scheint daran interessiert zu sein, zumindest jene Gefangenen loszuwerden, deren Schicksal öffentliches Interesse weckt. Manche Kabinettsmitglieder würden das Gefangenenlager lieber gänzlich räumen. Verteidigungsminister Robert Gates bekräftigte am Donnerstag der vergangenen Woche vor einem Kongressausschuss seine Ablehnung der exterritorialen Militärgerichte. »Egal wie transparent, egal wie offen die Prozesse sind, sofern die Prozesse in Guantánamo stattfinden, sind sie für die internationale Gemeinschaft nicht glaubwürdig«, sagte er. Er plädiert für die Verlagerung der Prozesse in die USA.

Bereits zu Beginn seiner Amtszeit im Dezember 2006 hatte Gates die Schließung der gesamten Anlage gefordert. Zunächst unterlag er in der regierungsinternen Auseinandersetzung, insbesondere das Justizministerium sträubt sich dagegen, »feindliche Kämpfer« in die USA zu verlegen. Gates verhinderte jedoch den von seinem Vorgänger Donald Rumsfeld geplanten Neubau eines Gerichtsgebäudes in Guantánamo.

Seitdem hat sich öffentliche Kritik an den Zustän­den in Guantánamo verstärkt. Im Kongress gibt es nun eine demokratische Mehrheit, der Widerstand gegen die Militärtribunale wächst. Selbst einflussreiche Republikaner wie Senator Arlen Specter wollen nun die Habeus-Corpus-Rechte der 385 Gefangenen gegenüber der Regierung durchsetzen.

Bereits im Jahr 2005 wies das Oberste Gericht den Kongress an, die Zustände auf Guantánamo zu »verrechtlichen«. Daraufhin wurde das System der Militärtribunale beschlossen. Bald wird das Oberste Gericht wohl auch über eine Klage von 45 Gefangenen urteilen, die ein rechtsstaatliches Verfahren fordern, und es gilt als wahrscheinlich, dass die Regeln der Militärtribunale nicht den Beifall der Richter finden. Doch nach Angaben des Chefanklägers, Oberst Morris Davis, werden nur gegen 80 Gefangene überhaupt Prozesse vorbereitet. Es ist unklar, was mit jenen geschehen soll, gegen die offenbar selbst nach den die Anklage begünstigenden Regeln nicht genügend Beweismaterial vorliegt.

Dass viele der Gefangenen seit fünf Jahren, oftmals in Isolationszellen, in Guantánamo inhaftiert sind und die meisten weiterhin nicht einmal erfahren sollen, was ihnen eigentlich vorgeworfen wird, wird in der US-Öffentlichkeit immer häufiger kritisiert. »Entweder der Kongress oder die Gerichte«, so ein Leitartikel im Philadelphia Inquirer, müssten »die Werte der Rechtsstaatlichkeit und der unparteiischen Rechtsprechung – jene Werte, die diese Nation von ihren Feinden unterscheiden – wiederherstellen«.

Die Entscheidung über die Zukunft von Guantánamo trifft George W. Bush. Dass sogar viele Republikaner seine starre Haltung kritisieren und sein Justizminister Alberto Gonzales durch einen Skandal geschwächt ist, könnte den Präsidenten veranlassen, seine Politik zu ändern. Andernfalls müssten die meisten Gefangenen wohl warten, bis in 22 Monaten ein neuer Präsident das Weiße Haus bezieht.