Sag mir, wo die Botschaft ist, wo ist sie geblieben?

Drei Akkorde und die Wahrheit: Mit seinem neuen Album »My Name Is Buddy« kehrt Ry Cooder zur Folklore der nordamerikanischen Arbeiterbewegung zurück. von jan süselbeck

Red Cat Till I Die« heißt ein Song. Gleich auf der ersten Seite des Booklets stößt man auf die Zeichnung einer alten Ausgabe von Karl Marx’ »Kapital«. Ry Cooder ist vor kurzem 60 Jahre alt geworden. Viele Hörer kennen den US-amerikanischen Slide-Gitarristen als den bescheiden auftretenden Produzenten der 1997 erschienenen Platte zu dem Film »Buena Vista Social Club«, die seither hartnäckig totgenudelt wurde. Doch wie es der erwähnte Songtitel und die Zeichnung bereits andeuten, hat Cooder sein neues Album »My name is Buddy« der alten Arbeiterbewegung gewidmet.

In einem putzigen Begleitbuch zur CD hat Vincent Valdez die Geschichte des roten Katers Buddy illus­triert. Die Tierfigur reist in dieser Parabel als kämpferischer Gewerkschafter durch die Staaten, begleitet von den ulkigen Figuren Lefty Mouse und Reverend Toad. »Heute will niemand mehr Arbeiter genannt werden«, stellt Cooder in einer Erläuterung seines Songzyklus fest. »Aber was geschah mit der Botschaft der Einigkeit? Der Solidarität? Der Fairness und Gerechtigkeit? Was geschah mit der Idee ›we are many, they are few?‹«

Um es gleich zu sagen: Konkrete Antworten auf diese Fragen gibt Cooders beschaulich arrangiertes Album nicht. Tendenziell ist seine Botschaft aber die, dass die genannten Tugenden verloren gegangen sind. Der »Archivar des amerikanischen Blues und Folk«, als den man Cooder immer wieder gern bezeichnet hat, besinnt sich einmal mehr auf die Traditionen engagierter Protestsänger vom Schlage Woodie Guthries und des Gewerkschaftsaktivisten und Liedermachers Joe Hill. Cooder hat dafür unter anderem die renommierten Banjospieler Mike und Pete Seeger zu einer Session im Wohn­zimmer ermuntert. Er hat Roland White, der meisterhaft die Bluegrass-Mandoline spielt, und alle möglichen anderen alten Musikerkollegen für seine Aufnahmen zusammengerufen.

Die Folge ist, dass die Lieder einem vor lauter lustigen Banjo-Pickings, munteren Country-Fiedeln, Harmonikas und jubilierenden Flöten nur so in den Ohren schallen. Cooder adaptiert alte amerikanische Lieder, die zwischen Spiritual und irisch angehauchtem Folk, zwischen Jazz und Blues pendeln. Dazu trägt er seine harsche Gesellschaftskritik mit einer lieben Märchenonkelstimme vor, die beim ersten Hören fast schon tauglich für einen Kindergeburtstag wirkt. So wird das US-Wahlsystem in dem entspannten Jazzsong »One Cat, One Vote, One Beer« wohl nicht nur in Erinnerung an lang vergangene Zei­ten sarkastisch kommentiert: »Joe, I just don’t think they’re doing this voting fair and square! (…) ’Cause democracy is in our hands, but it’s slipping through our fingers just like sand.«

Die beschwingte Hobo-Stimmung dieser Musik wie auch die Figur des nomadischen Katers Buddy verweist auf klassische Cooder-Platten wie sein Solodebüt von 1970. Schon auf dem Cover ließ sich der moderne Wandermusiker selbst vor einem silbern schimmernden Wohnmobil bei Sonnenuntergang in der Wüste ablichten. Das amerikanische Lob des Aufbruchs und des Unterwegsseins zieht sich durch Cooders Gesamtwerk, gespiegelt in burlesken Zeilen wie diesen, die man auf dem Album »Borderline« von 1980 findet: »Every woman I know is crazy ’bout an automobile/and here I am standin’ with nothin’ but a rubber heel.«

Seit dem Beginn seiner Solokarriere hielt Cooder an seiner Spezialisierung fest, spielte die »authentische Musik der einfachen Leute«. Oft beteiligten sich altgediente Instrumentalisten aus der jeweiligen Region. Verfremdende Änderungen des »Masterminds« Cooder waren allerdings nie ausgeschlossen. Sich selbst hielt der versierte Multi-Instrumentalist jedoch bei allem per­sönlichen Können eher bescheiden oder selbstironisch im Hintergrund. Damit ist er einer der wenigen Gitarristen der Rockgeschichte, die nahezu alles spielen können, ihre Virtuosität und Stilvielfalt aber nie selbstherrlich in den Vordergrund ihrer Musik gestellt haben.

Bereits in den sechziger Jahren war Coo­der als Studiomusiker bei Captain Beefheart und den Rolling Stones zum gefragten »Musician’s Musician« geworden. Sein minimalistischer Soundtrack zu Wim Wenders’ Roadmovie »Paris, Texas« von 1985, dessen schnarrendes Hauptmotiv auf wenigen akustischen Slidegitarrennoten basiert, ist das Beste am ganzen Film. Der Künstler setzte Maßstäbe, die heute noch für elegische Soundtracks gelten. In dem Film »Babel« von 2006, der für seine Musik preisgekrönt wurde, kann man das gut hören.

Cooders Kunst sollte nicht als tumbe Brauch­tumspflege missverstanden werden, als die Suche nach der »ursprünglichen Reinheit« völkisch begriffener Kulturen: Einfache Musik war und ist für ihn stets ein Ergebnis der Mischungen, geboren in Armut, Dreck und Not. »Ich war immer an der Umgangssprache der amerikanischen Musik interessiert«, ergänzt Cooder in seinem Kommentar zu »My Name Is Buddy«. »Wie die Leute in verschiedenen Städten saßen und Lieder schrieben und ihre Instrumente spielten. Ich wollte immer wissen, wie sie bei diesen Songs ankamen, wer ihnen beibrachte, Gitarre zu spielen, ihre Geige. Wie sie lernten, sie zu halten. Und wie sich das alles, noch vor allen Aufnahmetechnologien, in ganz Amerika verbreitete.«

So vermischen sich auch auf »My Name Is Buddy« Kirchenmusik, Gospels und traditioneller Blues, verstanden als Formen sozialkritischer Botschaften. Im Kern sei es den Straßen­musikern immer um eine Artikulation ihrer Probleme und ihrer Wut auf die Ungerechtigkeit des Kapitalismus gegangen, betont Cooder: »Viele dieser Lieder trugen Warnungen für den ›working man‹ in sich – besonders die aus dem 19. Jahrhundert. In den Liedern ging es um aktuelle Themen. Sie waren Vehikel für Leute, die etwas sagen wollten. Sonst ist es sinnlos, sie zu singen.«

Möchte man »My Name Is Buddy« in Cooders Lebenswerk einordnen, so sei jedoch vor voreiliger Euphorie gewarnt. Die Platte ist nicht unbedingt ein Meisterstück. Man hört eher ein Album voller wehmütiger Rückblicke, wobei es ironischerweise auch vor sanften Elementen der Kommerzialisierung nicht unbedingt zurückschreckt, etwa in dem gerad­linigen, rassismuskritischen Lied »Sundown Town (The Reverend Tom Toad)« oder dem treibenden »Three Chords And The Truth«. Nach weiten Reisen durch die Weltmusik, nach Westafrika, Hawaii und Lateinamerika kehrt Cooder zur nord­amerikanischen Folklore zurück.

So beschwingt die Musik auf dieser CD größtenteils klingt, so resignativ geben sich viele Texte nicht nur der Songs, sondern auch des aufwändig gestalteten Booklets. »If you black, you better get back«, heißt es schlicht in »Sundown Town«. »If you brown, don’t you hang around / If you red, you might be dead / If you ain’t white, man, you just ain’t right.« Fröhlich tönt dazu eine Melodie, doch die Botschaft dahinter ist ein politischer Angriff.

Ry Cooder: My Name Is Buddy (Nonesuch 2007)