Das liebe Vieh

Brennesselrezepte und Fleischersatz: Die rechtsextreme Szene entdeckt den Tierschutz für sich. von andreas speit

Der Name der Gruppe klingt skurril: »Na­tionale Sozialisten – AG Tierrechte«. Die rechtsextremen Tierrechtler versprechen: »Wir werden unsere Stimme und Fäuste gegen die grausame Ausbeutung der Tierwelt durch den Menschen erheben.« Auf ihrer Website, die mit nicht rechten Tierrechts- und Veganerseiten verlinkt ist und offenbar von Kadern in Nord­rhein-Westfalen betreut wird, empfehlen sie, in Reform- und Bioläden »leckere Produkte« zu kau­fen, »die komplett frei von tierischen Elementen sind«.

Der »Mensch tötet aus reinem Luxusbedürf­nis heraus andere Lebewesen, um sie zu essen oder für Produkte zu verwerten«, meint die AG. »Zum Glück« müsse man aber nur seine »eigene Bequemlichkeit ablegen«, dann könnten auch Schuhe und Bekleidung, hergestellt ohne tierische Elemente, gefunden werden. Das Hauptziel der Gruppe ist »die gesetzliche Gleichstellung von Mensch und Tier«. Überall sollten sich »nationale Sozialisten« zu »regionalen und lokalen Tierrechtsarbeitsgruppen« zusammenschließen.

In Laupheim in Baden-Württemberg blieb der Appell Mitte März nicht unbeachtet. Vor dem »Circus Kaiser« verteilten Neonazis eine Flugschrift unter dem Titel: »Zirkus – Amüsement auf Kosten der Tiere«. Proteste von Tierschützern ist der Zirkus gewohnt. Eine halbe Stunde vor der Show schlugen rechtsextreme Freunde der Tierwelt jedoch auf den Senior­zirkusdirektor Edmund Kaiser ein, als er um ein Flugblatt bat. »Das ist einer von denen«, soll nach Edmund Kaiser junior einer der Schläger gerufen haben. Dann wurde sein 60jähriger Vater von hinten angegriffen. Die Polizei ermittelt gegen sechs Personen und bestätigt, dass es sich um »poli­zeibekannte Rechtsextremisten« handele. Auf dem Flugblatt war die Webadresse der AG zu lesen.

Nach dieser Aktion wurde in den Internetforen der Tierrechtsszene verstärkt über die rechtsextreme Gruppe debattiert. Ein User mit dem Namen »Fuchs­herz« meinte, die »rechtsradikalen Jungs« dürften nicht den »Tierschutz missbrauchen«. Einer »Luise« hingegen sagten die Forderungen der »Nationalen Sozialisten« zu, sie meint: »Wir brauchen jede helfende Hand.« »Yougitee« fragte sich, wie das zusammenpasse: »einerseits der Einsatz für Tiere und andererseits Diskriminierung von Ausländern«.

Für die rechtsextreme Gruppe jedenfalls passt der »vegane Lebensstil« gut mit dem »nationalen Sozialismus« zusammen. Die »vegane Ernährung« sei ein »erheblicher Schritt« hin zum »natürlichen Leben der Tiere« und zur »gesünderen« Entwicklung »des Volkes«. Sie führt aus: »Gerade die Reichsregierung unter Reichskanzler Hitler erließ viele Gesetze zum Schutz der Tierwelt.«

Die Waffen-SS und später das »ganze deutsche Volk« sollten schließlich »rein ve­getarisch ernährt werden«. »Muss ich mich für andere Rassen (…) einsetzen, wenn ich mich für die Belange der Tiere und unsere Umwelt einsetze?« fragen sie und haben auch gleich die Antwort parat: »eindeutig: Nein!«

Die tierrechtlichen Ziele der rechtsextremen Gruppe entsprechen alles in allem den gängigen Forderungen der Tierrechtsszene: Sie fordert ein Verbot von Tierversuchen, die Auflösung von Zirkussen und Zoos, das Verbot von Pelzen, Leder und Schurwolle und ein Verbot des aus religiösen Gründen betriebenen Schlachtens und des Imports von koscherem Fleisch. In einem Jargon, der auch in der Tierrechtsszene üblich ist, spricht die Grup­pe vom »Holocaust gegen die Tierwelt«.

Antisemitische Anspielungen gegen das Schächten finden sich zwar nicht in der Wort­wahl, in den Darstellungen der Web­site aber umso mehr. Auf der Seite prangt die Zeichnung einer Schächtung. Herren mit langen Nasen und fiesem Blick schlachten eine Kuh, die angstvoll dreinschaut. Redok, einem Webprojekt mit Recherchen und Berichten zur extremen Rechten, fiel auf, dass die Abbildung dem nationalsozialistischen Machwerk »Der Giftpilz« entnommen ist. Dieses Kinderbuch gab Ernst Hiemer im Jahr 1938 heraus. Er war von 1938 bis 1941 der »Hauptschriftleiter« der Propagandazeitschrift Stürmer. Im Original lautete die Bildunterschrift: »Wieder stürzt das Tier zum Boden. Langsam stirbt es. Die Juden aber stehen herum und lachen dazu.«

Gegen die rituelle Schlachtmethode agitieren seit 1945 immer wieder neonazistische Parteien – von der NPD bis zur DVU. Beim »Wikinger-Versand« kann ein Button bezogen werden: »Schächten ist Tierquälerei«. Den Kampf für Tierrechte griff bereits im Jahr 2005 Fallen Rain auf. In dem Heft, das unregelmäßig erscheint, werden Tierrechte, Brennesselrezepte und Fleichersatzprodukte besprochen und die »Nationalen Sozialisten für Umwelt- und Naturschutz« vorgestellt. Dieses »nationale Umweltheft« gibt »Christian« aus Edemissen in Niedersachsen heraus. In dem Magazin Tierbefreiung kritisiert Sebastian Vollnhals, dass die Tierrechtsorganisation »Peta« der Zeitschrift ein Interview gegeben hat. »Peta« indes warnte selbst vor einigen Jahren in einer Kampagne vor dem »Holocaust auf deinem Teller«.

Die skurrilen rechtsextremen Tierschützer sind nicht die ersten ihrer Art. Schon Paul Förster, von 1893 bis 1898 ein Abgeordneter der rechten Deutschen-Sozialen Reformpartei, kämpfte mit Schrif­ten und Vorträgen gegen die Unterschei­dung von »Menschen- und Tierrechten«. Der Geg­ner von Impfung und Vivisektionen hoffte, »der Vegetarismus« werde eine »dem jüdischen Treiben gefährliche, volkserneuernde Macht«, und schimpfte über die Tierschützer, die dem Tier nicht die »natürlichen Rechte« der Menschen zusprächen. »Falsche Lehr- und Zuchtmeister«, die eine »schrankenlose Humanität« verantworteten, hätten den Verzehr des »blutigen Gaumen- und Magenfutters« und die »wissenschaftliche Thierfolter« durchgesetzt, schrieb er und meinte damit Juden. Die »AG Tierrechte« bei den »Nationalen Sozia­listen« sorgt sich darum, dass »bei manchen das Hassgefühl gegen die nationalsozialistische Bewegung die Liebe zur Tierwelt« überwiegen könnte.