Unser Freund, der König

Der saudi-arabische König ist von den europäischen Regierungen freundlich aufgenommen worden. Kritik an den massiven Menschenrechtsverletzungen war nicht erwünscht, dafür konnte der staatliche britische Rüstungskonzern ein Geschäft über mehrere Milliarden Euro abschließen. von fabian frenzel, leeds

Es gab einen saudischen Staatsorden für Kanzlerin Angela Merkel und einen Besuch bei Papst Benedikt XVI.: Bei seiner Europa-Tour in den vergangenen zwei Wochen sorgte König Abdullah von Saudi-Ara­bien, der mit einer Gefolgschaft von 600 Mann (und vier Frauen, seinen Ehefrauen) in zehn Flugzeugen unterwegs war, für einige kleine Überraschungen. Der Vatikan unterhielt bislang nicht einmal diplomatische Beziehungen zum Wüstenstaat, denn dort ist öffentliches Beten für Christen bei Gefängnisstrafe verboten, von offi­ziel­len Messen oder der Errichtung christlicher Sakralbauten ganz zu schweigen. Und auch den Orden eines Landes, in dem ­Frauen fundamentale Menschenrechte vorenthalten werden, ausgerechnet einer Staats­chefin zu verleihen, scheint widersprüchlich.

Vielleicht aber bedankte sich der 83jährige König Abdullah damit schlicht für die vielen lobenden Worte, die er in Deutschland für »seine wichtige Rolle« im Nahen Osten erhalten hatte. Ohne größere Proteste und Eklats konnte er sich bei seinem Besuch in Berlin als Mann des Friedens in der Region inszenieren. Lediglich vor dem Hotel Adlon, wo etwa 200 Zimmer für den König angemietet worden waren, demonstrierten einige Menschen gegen seine autoritäre Herrschaft.

Der Empfang Abdullahs in Großbritannien eine Woche zuvor war da schon holpriger ausgefallen. 20 Jahre lang hatte es keinen offiziellen Staatsbesuch gegeben, und obwohl die Queen den roten Teppich ausrollen ließ und eine Pferde­parade für den königlichen Kollegen organisierte, blieb der Besuch von Kontroversen überschattet. Schon vor seiner Ankunft hatte König Abdullah in der BBC die britische Regierung offen für ihre Unfähigkeit kritisiert, den im eigenen Land gewachsenen Terrorismus zu bekämpfen. Saudi-Arabien habe Hinweise geliefert, die die Anschläge vom 7. Juli 2005 in London hätten verhindern können, behauptete der König. Britische Regierungssprecher wiesen dies umgehend zurück, man habe keinerlei Informationen über die Anschläge erhalten. Der britische Außenminister David Miliband sagte nach den Vorwürfen ein Treffen mit seinem saudischen Amtskollegen ab – aus familiären Gründen. Aus diplomatischen Kreisen hieß es, der König versuche, von der vielen Kritik abzulenken, die in der britischen Öffentlichkeit an seiner Person und der Politik seines Landes geäußert wurde.

Der Vorsitzende der oppositionellen Liberaldemokraten, Vince Cable, sowie einige Labour-Abgeordnete hatten zuvor angekündigt, das offizielle Besuchsprogramm zu boykottieren. Der linke Labour-Abgeordnete John McDonnell sagte, er finde es unbegreiflich, dass Ministerpräsident Gordon Brown die Politik der Militärs in Burma oder in Zimbabwe kritisieren und über die saudische Diktatur schweigen könne. Menschenrechtsgruppen erinnerten daran, dass Homo­sexualität in Saudi-Arabien mit dem Tode bestraft werden kann und Einwanderer ohne Rechte und unter sklavereiähnlichen Bedingungen leben. Dutzende Demonstranten begleiteten eine Kutschfahrt Abdullahs mit Rufen wie »Mörder« und »Folterer«. Sie forderten zudem, den Korruptionsvorwürfen hinsichtlich eines britisch-saudischen Rüstungsgeschäfts erneut nachzugehen.

Brown übte sich in Zurückhaltung und vermied jede offene Kontroverse mit dem saudischen König. Man teile gemeinsame Werte, ließ er über Staatssekretärin Kim Howells der Öffentlichkeit mitteilen. Die Queen sekundierte, diese Werte könnten beiden Staaten zum beiderseitigen Vorteil gereichen. Die oppositionellen Konservativen unterstützten die Regierung und bezeichneten den Boykott der Liberalen als kindisch.

Für die britische Politik gilt Saudi-Arabien seit langem als wichtiger strategischer Partner, beide Länder sind zudem enge Verbündete der USA. Sie propagieren eine schnelle Lösung des Nahost-Kon­flikts durch stärkeren Druck auf Israel und wollen eine militärische Invasion der Amerikaner im Iran unbedingt verhindern. Interessen­über­schneidungen und Abhängigkeiten gibt es zudem in wirtschaftspolitischen Fragen.

Ein britischer Regierungssprecher erklärte in Hinblick auf die Boykottaufrufe, wenn etwas falsch sei am saudisch-britischen Verhältnis, dann, dass es zu wenig Kontakt gebe. Der Handel mit Saudi-Arabien, das vom hohen Ölpreis profitiert und einen ökonomischen Boom erlebt, müsse ausgeweitet werden. Saudi-Arabien ist einer der wichtigsten Öl-Lieferanten des Inselstaates, dessen eigene Nordsee-Reserven zur Neige gehen. Während des saudi-arabischen Staatsbesuchs überschritt der Benzinpreis in Großbritannien im landesweiten Durchschnitt das erste Mal in der Geschichte die symbolisch aufgeladene Schwelle von einem Pfund (1,50 Euro) pro Liter.

Ein Teil der vielen Petrodollars wird nun nach Großbritannien zurückfließen. Der inoffizielle Höhepunkt des Staatsbesuchs war die Unterzeichnung eines Vertrags über den Verkauf von 72 Eurofightern durch das staatseigene Rüstungskonsortium BAE Systems an die Saudis. Der Vertrag, dessen Details geheim sind, soll bis zu 30 Milliarden Euro wert und für die britische Rüstungsindustrie von enormer Bedeutung sein. Um den Vertragsabschluss nicht zu gefährden, hatte der ehemalige Ministerpräsident Tony Blair im Dezember vorigen Jahres sogar Ermittlungen der britischen Antikorruptionsbehörde (SFO) gestoppt. Die SFO war Vorwürfen nachgegangen, denen zufolge BAE Systems im Jahr 1985 Schmiergelder von bis zu einer Milliarde Dollar an saudische Unterhändler gezahlt haben soll. Blair erklärte, es sei nicht im »nationalen Interesse«, die Korruptionsvorwürfe weiterzuverfolgen.

Nach vielen Protesten gelang Kritikern von der Antikorruptionsinitiative Corner House am vergangenen Freitag ein wichtiger Durchbruch. Blairs Entscheidung wird nun vo m obersten Gericht Großbritanniens geprüft. Sollte der High Court den Klägern Recht geben, wird der Fall bei der SFO wieder eröffnet. Dem britisch-saudischen Verhältnis wird dies nicht zuträglich sein.

Am Montag teilte dann der europäische Flugzeughersteller Airbus mit, dass mit den Saudi Arabian Airlines eine Grundsatzvereinbarung über die Lieferung von 22 Mittelstreckenjets des Typs A320 unterzeichnet wurde. Der Auftrag enthält Optionen für weitere 18 Maschinen.