Eine Farce dank »Fars«

Eine iranische Nachrichtenagentur behauptet, der deutsch-iranische Fußballer Ferydoon Zandi habe seinen zyprischen Club verlassen, weil dieser einen israelischen Trainer verpflichtete. Doch der Sportler spielt
schon länger nicht mehr auf der Mittelmeerinsel. von alex feuerherdt

Eine Meldung der iranischen Nachrichtenagentur Fars sorgte in der vergangenen Woche für helle Aufregung: Der deutsch-iranische Fußballer Ferydoon Zandi soll den zyprischen Erstligaclub Apollon Limassol aus Protest verlassen haben, weil ein israelischer Coach unter Vertrag genommen wurde. »Nachdem der Verein nach schwachen Ergebnissen einen Trainer vom zionistischen Regime einstellte, hat Zandi, übereinstimmend mit der Politik der Islamischen Republik, das Training verlassen und das Team nicht mehr begleitet«, zitierte die Deutsche Presse-Agentur (dpa) die Agentur Fars in einer Meldung, die dann prompt in mehreren Tageszeitungen gedruckt wurde. Das klang nach einem zweiten »Fall Ashkan Dejagah«: Der für den VfL Wolfsburg spielende Profi, wie Zandi im Besitz sowohl der deutschen als auch der iranischen Staatsangehörigkeit, löste unlängst eine heftige Diskussion aus, als er sich weigerte, mit der U21-Auswahl des Deutschen Fußballbundes in Israel anzutreten. Gab es nun also um den in Emden geborenen, früheren Bundesligaspieler Zandi den nächsten Boykott­skandal?

Nein, denn Fars hatte die Nachricht schlicht und ergreifend frei erfunden. Der 28jährige ist schon seit dem vergangenen Sommer nicht mehr für Apollon Limassol tätig und sucht seitdem einen neuen Verein. Die Meldung über sich las er in einer schleswig-holsteinischen Lokalzeitung. »Ich wohne zurzeit in Hamburg, halte mich selbst fit und werde wohl in den nächsten Tagen einen Vertrag im Ausland unterschreiben«, sagte er anschließend zu Bild. Und er ergänzte: »Falls ich noch bei Apollon unter Vertrag wäre, sähe ich kein Problem, unter einem israelischen Trainer zu spielen. Fußball ist Fußball, Politik ist Politik.«

Bei Fars handelt es sich um eine Nachrichtenagentur, die sich selbst als »unabhängig« bezeichnet und in den deutschen Medien häufig mit dem Zusatz »halbamtlich« versehen wird. Sie steht jedoch unzweifelhaft dem Mullah-Regime nahe und ist eines seiner Sprachrohre. Gegründet wurde Fars im Februar 2002, nach eigener Darstellung mit dem Ziel, »die Prinzipien und Ziele der Islamischen Revolution zu fördern und im nationalen Interesse zu handeln«. In diesem Sinne gehören auch Propagandameldungen zum Repertoire – wie die über Zandis angebliche Weigerung, einen israelischen Coach zu akzeptieren.

Der Spieler ist bislang durchaus nicht als islamischer Eiferer in Erscheinung getreten. Geboren als Sohn einer deutschen Mutter und eines iranischen Vaters, wuchs er in Schleswig-Holstein auf. Das Fußballspielen begann er mit sechs Jahren beim Emdener Stadtteilverein Blau-Weiß Borssum; der erste Proficlub war der SC Freiburg, für den er zwischen 2000 und 2002 zehn Bundesligaspiele bestritt. Seine weiteren Stationen im bezahlten Fußball hießen VfB Lübeck, 1. FC Kaiserslautern und TuS Koblenz; zu Beginn dieses Jahres wechselte er dann für ein halbjähriges Gastspiel nach Zypern.

Zandi bestritt 55 Erst- und 62 Zweitligaspiele; außerdem lief er achtmal für die deutsche U21-Auswahl auf, bevor er sich Anfang des Jahres 2005 entschied, für die A-Nationalmannschaft des Iran zu spielen. Seitdem brachte er es auf 18 Länderspiele, zwei davon während der WM 2006 in Deutschland. Das Land der Vorfahren seines Vaters hatte er zuvor nach eigenen Angaben lediglich einmal als Kleinkind besucht. »Für mich war es gar nicht die Frage, ob ich für Iran oder für Deutschland antrete, sondern: Will ich überhaupt für Iran spielen?« sagte Zandi dem Spiegel im Januar 2005. Er habe nicht gewusst, »ob es moralisch die richtige Entscheidung ist«, doch Freunde hätten ihm erzählt, »wie schön es dort ist und dass sie immer wieder gerne dort hinfahren«. Das habe für ihn schließlich den Ausschlag gegeben.

Persisch spricht Ferydoon Zandi nach eigener Auskunft leidlich gut, mit dem Schreiben hingegen tue er sich noch schwer. Er sei konfessionslos, glaube jedoch an Gott, und »was die Mentalität und viele Wertvorstellungen betrifft, passe ich sicher zum Islam«, sagte er im Oktober 2005 in einem Interview mit dem Fußballmagazin 11 Freunde. Politik interessiere ihn hingegen »nur am Rande«, und Fragen zu Israel weicht er aus: »Da will ich lieber nichts groß zu sagen.« Es gebe »nun mal diesen Konflikt zwischen Israel und dem Iran«, doch »persönlich bin ich mir sicher, dass alle iranischen Spieler zum sportlichen Wettkampf mit einer israelischen Mannschaft bereit wären«. Das tangiere aber »politische Dinge, auf die wir Sportler keinen Einfluss haben«.

Zandi spielt mit dieser Bemerkung darauf an, dass der islamische Staat seinen Sportlern den Wettbewerb mit israelischen Aktiven verbietet und bei Zuwiderhandlung mit dem Ausschluss aus dem Kader sowie weiteren Sanktionen droht. Bei den Olympischen Spielen 2004 trat der hoch favorisierte iranische Judoka Arash Miresmaeili deshalb nicht gegen den Israeli Ehud Vaks an. Und als der deutsche Rekordmeister Bayern München in der Saison 2004/05 in der Champions League gegen Maccabi Tel Aviv spielte, fehlte der inzwischen für Hannover 96 spielende iranische Nationalspieler Vahid Hashemian in beiden Spielen gegen den israelischen Club. Die offizielle Begründung lautete, der Stürmer sei verletzt. Dass das nur vorgeschoben war, lag gleichwohl nahe: Der iranische Verband hatte Hashemian mit Konsequenzen gedroht, sollte er mit den Münchnern gegen Maccabi antreten.

Offenen Widerspruch gegen das Vorgehen der Mullahs äußert kein iranischer Sportler. Die Karriere steht im Vordergrund, und nicht wenige fürchten zudem Repressalien gegen im Iran lebende Familienmitglieder und Freunde. Dabei stellt sich die Frage, was der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad und seine Gefolgschaft eigentlich täten, wenn ein nennenswerter Teil der iranischen Aktiven deutlich machte, weder mit den Plänen des Regimes zur Vernichtung Israels noch mit der massiven Repression im Inneren einverstanden zu sein. Der Iran erhofft sich aus Gründen der Reputation sportliche Erfolge, doch die sind nur mit den besten Athleten zu haben. Und wenn die sich kollektiv dem politischen Ansinnen der Islamisten verweigerten, hätten diese vermutlich ein Problem.

Bislang jedoch gab es lediglich einen iranischen Fußballer, der gegen eine israelische Mann­schaft gespielt hat: Mehrdad Minavand lief im Juli 2000 für den österreichischen Erstligisten Sturm Graz zum Champions-League-Qualifikationsspiel gegen Hapoel Tel Aviv auf. Das wurde in der iranischen Presse scharf kritisiert, und in der Folge flog Minavand nicht mit zum Rückspiel nach Israel. Seine Länderspielkarriere konnte er fortsetzen; sie endete 2003 nach 67 Einsätzen. Im April 2007 wurde Minavand von der iranischen Polizei während einer privaten Party verhaftet. Der Vorwurf lautete: »unislamisches Verhalten« – auf der Feier wurde Alkohol konsumiert, und die anwesenden Frauen trugen kein Kopftuch. Den Terror der Mullahs gibt es auch jenseits des Fußballplatzes.