Zwischen den Mauern des Schluckaufs

Martin Mosebach wurde im vergangenen Jahr mit dem Büchnerpreis ausgezeichnet, obwohl er den schlechtesten Roman der Welt geschrieben hat. »Ruppertshain« heißt er, und Peter Dierlich musste ihn lesen.

»Wir werden auf die Straße gesetzt«, sagte Antonia, eine schöne Frau von fünfzig Jahren, zu ihrem Freund Albrecht von Skrba, der seit vielen Jahren bei ihr zu Gast war, und ihrem Sohn Ivanovich, der dick und ebenmäßig wie Napoleon aussah. Mit ihnen am Frühstückstisch saß Hans Joachim, ein sportlicher junger Mann. Er war mit Ivanovich in die Schule gegangen und besaß keinerlei Bedeutung. Auf welche Bemerkung sich Antonias sorgenvolle Worte bezogen, ist nicht weiter wichtig. Sie meinte aber wohl, das Haus, in dem dies Eßzimmer lag, demnächst verlassen zu müssen, ein stattliches, älteres Landhaus, das in einem großen Park lag, nahe von Frankfurt in den Taunusbergen bei dem Dörfchen Ruppertshain.

Dieser kurze Text stellt einige Fragen: Lässt es sich denn wirklich nicht vermeiden, dass jemand seit vielen Jahren bei einer Frau von fünfzig Jahren zu Gast ist und dass ein anderer, während alle auf die Straße gesetzt werden, an einem Tisch sitzt und keine Bedeutung besitzt? Kann jemand dick aussehen, ohne dick zu sein? Sollte man auf Reime in Prosatexten nicht lieber verzichten? Muss das Esszimmer in einem Haus liegen, das in einem Park liegt? Und lägen das Haus und der Park nahe bei Frankfurt oder in der Nähe von Frankfurt nicht besser als nahe von Frankfurt?

Es handelt sich hier um den ersten Absatz des Romans »Ruppertshain« von Martin Mosebach, erschienen 1985 im Verlag Hoffmann & Campe. Und es muss sich um ein Beispiel elaborierten literarischen Stils handeln, denn Mosebachs stilistische Meisterschaft wird von vielen Kritikern gerühmt. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, die ihm im vergangenen Jahr den Büchnerpreis verlieh, hält ihn für einen Schriftsteller, »der stilistische Pracht mit urwüchsiger Erzählfreude verbindet«, für »einen genialen Formspieler auf allen Feldern der Literatur«. Mosebach sei ein »hemmungsloser Bewahrer von Stil und Form«, glaubt Hubert Spiegel, der Leiter des Literaturressorts der FAZ, »ein genuiner Erzähler und ein Essayist von ungewöhnlicher stilistischer und intellektueller Brillanz«. Sein Prosastil gehöre »zum Elegantesten, was die deutschsprachige Gegenwartsliteratur zur Zeit zu bieten hat«. Für Spiegels Kollegen von der Zeit, Ulrich Greiner, ist Mosebach »unbestreitbar einer der intelligentesten, einfallsreichsten und sprachmächtigsten Dichter der Gegenwart«. Dieser Superlativ wurde in der FAZ von Michael Maar sogar noch überboten: »Seine Prosa, farbig funkelnd, klangschön, wissensprall und voller Witz, schreibt ihm heute niemand nach.«

Der Roman erschien 2004 noch einmal im Deutschen Taschenbuchverlag in einer »ungekürzten, vom Autor neu durchgesehenen Ausgabe«, die im Folgenden zitiert wird.

Was der Autor geschrieben hat, muss er dabei wohl auch gelesen haben, dann hat es hoffentlich ein Lektor gelesen, und nun noch einmal der Autor und am Ende womöglich noch ein anderer Lektor. Und immer noch hält Skrba sich im ersten Absatz seit vielen Jahren bei einer Frau von fünfzig Jahren auf, immer noch sieht Ivanovich dick aus, ohne dass man erfährt, ob er auch dick ist, immer noch reimt sich aussah auf Gast war, immer noch liegt das Zimmer in einem Haus, das in einem Park liegt, nahe von Frankfurt. Nur eines hat sich geändert: Mit ihnen am Frühstückstisch saß Hans Joachim, ein sportlicher junger Mann. Er war mit Ivanovich in die Schule gegangen und hatte keinerlei Bedeutung. Hans Joachim sitzt immer noch am Tisch, aber die Bedeutung, die er ehedem nicht besaß, hat er nun nicht mehr. Sein Schöpfer Mosebach scheint also etwas gemerkt zu haben. Man weiß zwar nicht genau, was er gemerkt hat und warum er ausgerechnet das gemerkt hat, was er gemerkt hat, und so vieles andere nicht, aber man kann doch nicht sagen, er sei ein Autor, der gar nichts merkt. Zwar glaubt man immer noch nicht, in diesem Text der Vollendung der Form zu begegnen, aber man hat doch den Eindruck, dass Mosebach an ihr arbeitet.

Lesen wir also weiter. Die Handlung soll dabei nicht interessieren: Antonia, die Hauptfigur, wohnt mit ihrer Mutter Stella, ihrem Liebhaber Albrecht von Skrba, ihrem Sohn Ivanovich und seinem Freund Hans Joachim, mit dem Faktotum Anton, dem Aupairmädchen Marie-France und der Krankenschwester Julia in dem besagten Haus in dem besagten Park und wartet darauf, dass ihr Gatte Heinrich stirbt. Als es so weit ist, hinterlässt er nur Schulden. Der Bankier Batzenberg und sein Partner Erwin Czibulski fassen nun den Plan, im Ruppertshainer Park eine Bungalowsiedlung zu errichten. Antonia rettet ihren Anhang am Ende vor der Obdachlosigkeit, indem sie sich auf ein Verhältnis mit Czibulski einlässt.

Auch die Personen kann man getrost vergessen. Eine von ihnen wird auf der Seite 35 so vorgestellt: »Arras ist ja schon fast Flandern«, sagte Ivanovich zu Hans Joachim, als er seinem Schulfreund Marie-France beschrieb, »und dementsprechend hat das Mädchen eben auch diesen phantastischen flämischen Pferdehintern.« Sein Blick schweifte in die Ferne. Vor seinen Augen schienen die rabenschwarzen Fabriken, die platte Landschaft, die heruntergewirtschafteten Städte des nordfranzösischen Kohlenreviers aufzusteigen. »Kleinbürgerliche Verhältnisse, proletarischer Hintergrund, Mutter allerdings Arzttochter, mißtrauisch, total zynisches Milieu«, dabei sah er Hans Joachim wild an, »das Mädchen selber völlig unbeeindruckbar, intelligent, noch nicht sehr erfahren«, hierbei lächelte er genießerisch, »insgesamt ein ganz anderer Schlag als das, was hier so rumläuft.« Dieser Ivanovich, der seinen Blick schweifen lässt, um im nächsten Moment den wilden Mann zu spielen und im übernächsten genießerisch zu lächeln, und dabei redet wie ein preußischer Offizier, obwohl er doch ein Großbürgersohn aus den achtziger Jahren sein will, in dessen Zimmer ein Porträt von Che Guevara hängt, ist keine glaubhafte Romanfigur, sondern eine Knallcharge. Selbst in einer schwachen Satire hätte er keine Existenzberechtigung, denn an ihm stimmt einfach nichts.

Was aber die Sprache, den Stil, die eigentliche literarische Qualität dieses Werks betrifft, so sind auf seinen 476 Seiten erstaunliche Entdeckungen zu machen.

Harmlos fängt es an: Er litt unter dem fremdartigen Ton, den seine Frau ins Haus gebracht hatte, vielleicht deshalb um so mehr, als er die bodenständigen Stimmen seiner Heimat noch deutlich im Ohr hatte. (8) Ebenso deutlich klingt das wiederholte Wörtchen »hatte« im Ohr des Lesers, und es klingt nicht schön.

So lange er denken konnte, hatte Heinrich den Park von Ruppertshain geliebt, ein Gelände, das nun wie eine Insel inmitten der unendlichen See beschränkter Häuschen, die heute Villen genannt werden, lag. (9) Den Irrtum, ein Relativsatz müsse immer unmittelbar auf sein Beziehungswort folgen, bekämpfen Deutschlehrer schon in der zweiten Grundschulklasse. Wer aber in der vierten noch nicht fähig ist zu sagen, dass der Park in einer See beschränkter Häuschen liegt, die heute Villen genannt werden, dessen Versetzung gilt als gefährdet. Und warum muss der Park eigentlich erst ein Gelände heißen, bevor er wie eine Insel in der See liegen darf?

Mit dem Partizip Perfekt sollte man vorsichtig umgehen, denn es lässt sich nicht ohne unschöne Verrenkungen in aktivischem Sinn gebrauchen. Auf der Seite 10 ist von einem hoch ins Kraut geschossenen Salat die Rede, und im nächsten Satz findet sich eine pelzig ausgeschlagene Thujahecke. Das Partizip Präsens vermiede die unangenehme Frage, wo man so etwas wohl macht: Salat ins Kraut schießen und eine Hecke mit einem Pelz ausschlagen.

»In Mexiko übrigens, wenn ich mich recht erinnere«, erwähnte Skrba nun noch vorsichtiger. (18) Kenner unterscheiden allerdings zwischen transitiven und intransitiven Verben und freuen sich deshalb an solchen Stellen über simple und schöne Wörter wie zum Beispiel »sagen«.

Antonia, die in ihr Schminkgeschäft so intensiv wie ein Kabukischauspieler versunken schien, hielt, indem sie den eifrigen Jungen mit einem Seitenblick streifte, durchaus für denkbar, daß er zu Hause friesisch-japanische Tee-Zeremonien veranstaltete, er wirkte so häuslich. (18) Schon die Abwesenheit des Pronomens »es« macht aus diesem Satz ein hässliches Gebilde. Obendrein wird die Tatsache, dass Antonia irgendetwas für denkbar hält, von der Konjunktion »indem« auf den Moment des Seitenblicks verkürzt, in den sie aber nicht hineinpasst.

Antonia verhielt sich anders als wahrscheinlich viele Frauen in ihrem Alter. (19) Aber wahrscheinlich viele Frauen gibt es gar nicht. Gäbe es sie, dann müsste Antonia sich auch ganz gewiss anders verhalten können als wahrscheinlich viele Frauen. Wer das nicht versteht, schreibt bei der nächsten Überarbeitung seines Romans einfach: Antonia verhielt sich wahrscheinlich anders als viele Frauen in ihrem Alter.

»Wir sind wohl doch eine hoffnungslos degenerierte Rasse.« Bei dem Wort Rasse fiel Antonia ihr Hund ein, den sie leidenschaftlich liebte und der doch gerade hinsichtlich seiner Rasse kein Paradetier war. (23) Bei diesem Wort fällt doch wohl jedem ein, wie er es sich ohne Mühe mindestens einmal ersparen kann. Die Frage aber, warum Antonia sogar ihren Hund leidenschaftlich liebt, muss ohne Antwort bleiben. Vielleicht ist sie ein bisschen überdreht, vielleicht glaubt ihr Autor Mosebach, die Liebe könne ohne Leidenschaft nicht sein.

Heinrich war sogar davon überzeugt, daß Anton nicht einmal wußte, ob Heinrich überhaupt irgendwo Geld verdiente oder ob dessen periodische Abwesenheit während des Tages von Besuchen im Dampfbad oder im Kaffeehaus herrührten (!). Je mehr er sich in seinem Büro und unterwegs abstrampelte, desto gerührter betrachtete er den alten Mann, den das alles nichts anging, weil seine Anteilnahme nicht über den Klingelknopf hinausging, den er mit Sidol und einem schwarzen Lappen jede Woche blank wienerte. (27) Die Abwesenheit des Geldes? Mosebach verschmäht die einfachen Possessiva, er hat es gern komplizierter, und deshalb geht es ihm so leicht schief. Er mag auch das schöne schlichte Personalpronomen nicht, deshalb muss er seine Figuren öfter bei ihren Namen nennen, als es gut ist. Und wie da Heinrichs Abwesenheit zusammengerührt wird mit der Betrachtung des alten Mannes, den nur angeht, was nicht hinausgeht, das … ja, das schreibt ihm hoffentlich niemand nach.

Eine der Fragen, die Mosebach im ersten Absatz seines Romans stellt, ohne es zu wollen oder zu wissen, wird auf der Seite 38 endlich beantwortet, und zwar in der Form eines so genannten rührenden Reims: Ivanovich war einfach fett und hatte für den Rat, Sport zu treiben und etwas für seinen Körper zu tun, nur Hohn parat.

Sie wollte gerade ihre Mutter und Marie-France allein lassen und war dabei, die Treppe zum Gartenzimmer hinunterzugehen, als sie innehielt, weil ihr auf einmal einfiel, welchen Anblick sie unten vorfand, der auch jetzt, in ihrem ausgeglichenen Zustand, für sie den Inbegriff des Unerträglichen darstellte. (41) Abgesehen davon, dass hier schon wieder, an der Wahrnehmung des Autors vorbei, ein Reim sich schmiedet und dass es höchst fragwürdig scheint, ob man einen Anblick vorfinden kann: Wenn der Anblick sich schon bietet, während Antonia auf der Treppe steht, so kann ihr das doch gleichzeitig nicht auch noch einfallen!

Antonia langweilte das Schachspiel wie jedes andere Spiel, begrüßte es aber im Prinzip, wenn Ivanovich Albrecht nach Schachregeln bekämpfte. (41) Wenn dieser Satz einen Sinn haben soll, muss »Antonia« zugleich Akkusativ und Nominativ sein. So etwas hat es aber, seitdem der Mensch den Griffel erfand, noch nicht gegeben.

Ivanovich wäre wütend nach Frankfurt aufgebrochen und tagelang nicht zurückgekehrt, und Albrecht wäre so geschwächt aus dem Auftritt hervorgegangen, daß von ihm auch keine rechte Freude mehr zu erwarten war. (42) Der Konjunktiv II, der mit »hätte«, »schwürest«, »erschöllen« und ähnlichem Kram, ist nicht immer ganz einfach, wie man sieht.

Die kleinen Buben wurden noch kleiner, zugleich aber auch von bedeutungsvoller Erregung ergriffen, ähnlich den Affekten, die in Schillers »Tell« während der Apfelschußszene die Herzen bewegen. (48) Auch dass ein und dasselbe Wort nicht zugleich Hilfsverb und Vollverb sein kann, muss man einem Büchnerpreisträger noch erklären.

Der einzige, der nicht vor dem alten Schulmann zitterte, war Ivanovich, und das, obwohl es vorkam, daß er sein Fahrrad an der Mauer abstellte und andere streng verbotene Sachen tat. (48) »Dass etwas hässlich sei«, glaubt Ulrich Greiner von Mosebach zu wissen, »ist für ihn keine Geschmackssache, sondern ein Argument von Rang.« Und das, obwohl er die Wörter genauso in seine Romane hineinschreibt, wie er sie in den »Tagesthemen« gehört hat.

Ivanovichs kommunistische Phase schaffte eine gewisse Entspannung zwischen Vater und Sohn. (52) Der Katholik Mosebach liest demnach die Bibel so: Und Gott schaffte den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schaffte er ihn; und schaffte sie als Mann und Weib (1. Mose 1, 27).

Auf der Seite 59 werden einige Lieblingswörter Antonias genannt, die sie aus ihrer böhmischen Heimat nach Hessen mitgebracht hat und die, wie einst Geßlers Hut, ringsum im Park und Haus von Ruppertshain den Träger der Oberhoheit verbal verkörperten. Dabei ist der Träger der Oberhoheit selbst doch schon ihre Verkörperung. Und er wird nun noch einmal verkörpert? Und zwar verbal, wie von einem Hut? Wenn Mosebach hier schon wieder den »Wilhelm Tell« zitiert, so gibt es dafür übrigens keinen anderen Grund, als dass er halt so furchtbar gebildet ist.

Ivanovich kam auf einmal der Gedanke, daß die Unruhe, deren Schwester Julia nicht hatte Herr werden können und wegen der Ivanovich und Antonia hinaufgekommen waren, wahrscheinlich diese Übergabe zum Ziel hatte. (61) Kompliment! Den Genitiv des weiblichen Relativpronomens kriegt nicht jeder hin. Hier gelingt er sogar schon im ersten Versuch; allerdings geht’s im zweiten dann doch wieder daneben. »Derentwegen« müsste es heißen, und »heraufgekommen«.

Während Antonia und die Ihren in der Ruppertshainer Immobilie sitzen und darauf warten, dass sie von Bodenspekulanten fortgejagt werden, verkürzen sie sich die Zeit mit einem Gesellschaftsspiel. Und zwar …. Nein, Mosebach soll es selber sagen: Eine Eigenheit des Monopoly ist jedoch, daß ihm kein absehbares Ende gesetzt ist; bis einer allein alles Geld, alle Häuser und Hotels besitzt und die Besitzlosigkeit aller anderen Spieler mit jeder Bewegung über das Spielfeld nur noch zunimmt, weil sie dem Monopolisten beständig Miete zahlen müssen, ohne Aussicht, je wieder ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften, wird oft erst nach Stunden erreicht. (69) Bis einer alles Geld besitzt, wird erst nach Stunden erreicht. Da kann man der Neuen Zürcher Zeitung nur zustimmen: »Mosebachs Satzbaukunst zeugt von formvollendetem Stil.«

Antonia, die den Hörfehler sehr gut hätte aufklären können, fürchtete für den Fortgang des Spiels und tippte sich deshalb, zu Hans Joachim gewandt, gegen die Stirn, indem sie: »Der ist doch völlig meschugge« flüsterte. Gleich einem Kapitän, der kostbare Ladung zur Rettung seines leckgeschlagenen Schiffs über Bord gehen läßt, war sie, nur damit es weiterging, zu einem kleinen Verrat an ihrem ältesten Paladin bereit. (67) Einen Irrtum kann man aufklären, einen Fehler allenfalls korrigieren. Trotzdem handelt es sich hier um ein schönes Beispiel klassischer Dialogkunst, das den Vergleich mit einer ähnlichen Passage aus einem kanonischen Werk des 19. Jahrhunderts nicht zu scheuen braucht. »›Auf dem Frühstückstisch‹, erwiderte Matwej, blickte seinen Herrn teilnahmsvoll fragend an und fügte, nachdem er einen Augenblick gewartet hatte, mit einem verschmitzten Lächeln: ‹Leute vom Fuhrgeschäft waren da› hinzu.« So steht es in »Anna Karenina«. Oder jedenfalls so ähnlich.

Er kam etwa auf das begehrteste Feld und lehnte dennoch ab, dort ein Hotel hinzusetzen, denn er wollte den Mitspielern demonstrieren, wie häßlich dies Gelegenheit-Ergreifen, Schnäppchen-Machen und Schäfchen-auf-das-Trockene-Bringen doch sei. (69) Wieder fehlt das Pronomen »es«, wie an unzähligen anderen Stellen in diesem Roman. Bindestrichkonstruktionen, die das komplizierte-Gedanken-Formulieren sehr erleichtern, sind vielleicht nur eine Geschmackssache. Aber brächte man seine Schäfchen trotzdem nicht besser ins Trockene als auf das Trockene? Sie grasen ja für gewöhnlich nicht auf hoher See.

Auf der Seite 70 erinnert Ivanovich sich an ein Bündel Geld, das sein Vater ihm gegeben hat und das nun allein zu seiner Verfügung stand. Plötzlich war ihm, als sei der grasgrüne Spielplan das verkleinerte Modell des Parks, in dem sein Elternhaus stand. Mit welcher Lust sie das alles in ärmliche Parzellen zerstückeln würden, dachte er und freute sich an dem Gedanken einer allgemeinen Verwüstung und Habgier, warum sie nicht schon längst auf die Idee gekommen seien? Ivanovich versank in Gedanken. Auf die Idee? Warum denn nicht auf den Gedanken?

Die beiden jungen Männer gehen daran, eine vom Sturm gefällte Pappel zu zerlegen. Hans Joachims Hilfsbereitschaft besaß aber Grenzen. Als er genug hatte, ließ er die Säge sinken wie ein Virtuose seine Violine und überließ Ivanovich die grobe Arbeit des Abfahrens. (71) Schön ist die Alliteration, schöner die Wiederholung des Wörtchens »ließ«, am schönsten aber der köstliche Vergleich.

Schwester Julia war nicht die einzige, die im Hause Pflichtgefühl besaß. (73) Nun ja, man wird nicht annehmen, sie habe es unter ihrem Bett versteckt, denn man ahnt schon, was Mosebach meint.

Die Blicke, die sich an den schwankenden Kronleuchter hefteten, erwarteten offenbar, daß von dort eine Rachegottheit hinabschweben würde. (77) Die Blickenden sitzen aber unter dem Kronleuchter, also kann die Gottheit nur herabschweben.

Das glaubte Antonia wirklich, denn sie war der festen Überzeugung, daß man nicht nur dem Haus, nein auch dem Park, dem Parktor sogar ansehe, daß sie Haus, Park und Parktor eines Sterbenden seien. Das lag allerdings auch daran, daß die Monate der Krankheit in einen Winter gefallen waren, in dem die durch die Dichter beschworenen Leichentuchassoziationen sich von selbst einstellten, weil es viel schneite. (81) Man beachte die kunstvolle Wiederholung der Worte »Haus, Park und Parktor«! Leider wird sie von dem fünffachen »das« bzw. »daß« entwertet. Und Assoziationen - so viel könnte man noch im Volkshochschulkursus »Deutsch für Büchnerpreisträger« lernen - werden nicht durch Dichter, sondern von Dichtern beschworen.

Und wenn Antonia auch die Ruhe ihres Hauses in ihrer Empfindung zu stark empfand, denn ein Haus, in dem sie und Ivanovich wohnten, würde schwerlich jemals ganz zur Ruhe kommen, war der Glaube, ihr Leben sei stiller geworden, doch nicht ganz ohne realen Boden. Heinrich lebte, aber er sprach nicht mehr oder jedenfalls so wenig, daß ein Vergleich zu seiner früheren geräuschvollen Gesprächigkeit nicht mehr möglich war. Die wenigen Worte, die er zwischen den Mauern eines Schluckaufs hervorbrachte, waren wie Lidschläge, schwache Zeichen eines Stummen, die Antonia mehr zu erraten als zu verstehen hatte. (81) Was Antonia in ihrer Empfindung empfindet, oder wo sonst auch immer, warum sich Heinrichs Schweigen mit seiner früheren Gesprächigkeit nicht vergleichen lässt, obwohl die Feststellung, er spreche jetzt weniger, doch schon ein Vergleich ist, warum die wenigen gesprochenen Worte stattdessen mit etwas verglichen werden, das sie ganz gewiss nicht sind, nämlich stumme Zeichen, und wie man ein Zeichen errät, ohne es zu verstehen, möchte man nun eigentlich gar nicht mehr wissen. Lieber stellt man sich einen gemauerten Schluckauf vor, denn er taugt zur Metapher für Mosebachs Stil.

Ivanovichs Reden klangen, als ob er ein sich in Ordnungsritualen ergehender, zwanghafter alter Gelehrter sei, dessen Arbeit schon gestört werde, wenn das Papiermesser nicht am richtigen Fleck liege. (84) Mosebach scheint zu der Ansicht zu neigen, ein guter literarischer Stil entstehe ganz unvermeidlich, wenn man nur oft genug den Konjunktiv Präsens gebraucht. Das geht natürlich nicht ohne Fehler ab, und nicht ohne Lächerlichkeiten. So heißt es auf der Seite 94 von dem Hund Toby: Seinen Bewegungen in ihrem täppischen Eifer war anzusehen, daß er am liebsten überall auf einmal sein wollte, weil der Aufenthalt am eingestürzten Pavillon mit seinem verrotteten Laub ebenso anziehend sei wie ein Besuch am Teich. Zwanghaft kann übrigens nur ein Verhalten sein, nicht aber eine Person.

Selbstverständlich stritt Antonia sich selbst und auch Albrecht gegenüber jedes Neidgefühl auf das junge Glück erbittert ab. (85) Diese rhetorische Figur verdient längst einen eigenen Namen. Wie wäre es mit »Eierlöffel«? Denn sie entsteht aus dem weit verbreiteten Irrtum, ein Eierlöffel sei kein Löffel, sondern ein Ei. Und so schieben sich die Leute immer wieder einen Löffel unter, um ihn auszubrüten. Heraus kommen dann Beitrittsverhandlungen zur EU, Erinnerungslücken an die Kindheit oder eben Gefühle auf das Glück. Wie aber soll man so etwas nennen: Er fühlte sich frei und neidlos auf fremdes Glück (364)?

Was sie nicht ertrug, waren die Phasen der Zerknirschung, in denen Ivanovich sich immer wieder badete. (89) Da man jedoch in einer Phase nicht baden kann wie in Wasser oder in Eselsmilch oder womöglich auch wie in der eigenen Zerknirschung, bedeutet dieser Satz, dass Ivanovich jene Phasen damit verbringt, seine Badewanne mehrmals zu besteigen und zu verlassen. Aber ist es das, was Mosebach sagen will?

So manches empfindet der Mensch in seinen Empfindungen. Es soll aber auch Empfindungen geben, die selbst etwas finden. Das Beispiel liefert wieder einmal Antonia: In Wahrheit hatte sie Charlotte und ihren Mann schon eine Weile bemerkt und mit jenem Vergnügen beobachtet, das die Bewegungen sich unbeobachtet glaubender Menschen bereiten, eine Empfindung, die ihr Gegenstück in der Befangenheit derjenigen findet, die plötzlich entdecken, daß sie schon eine Weile nicht allein sind. (113) Das sei fein beobachtet, könnte man sagen. Man könnte allerdings ebenso gut der Meinung sein, die Banalität des Gedankens werde nur noch von der Ungeschicklichkeit seines Ausdrucks übertroffen.

Die Tränenströme, die Ivanovich nun vergoß, trafen sie daher unvorbereitet. (137) Nein, keine Sorge! In Wirklichkeit treffen die Tränen sie gar nicht. Mosebach will hier bloß sagen, dass Marie-France es nicht erwartet hat, Ivanovich weinen zu sehen.

Obwohl das Mädchen von Ivanovichs Weinen wirklich erschreckt war, wagte sie nicht, sich über Antonia eine Meinung zu bilden, so sehr bildeten Mutter und Sohn an diesem Tag nach Heinrichs Tod eine eigene Welt. (137) Man möchte dieses Buch endlich sinken lassen wie ein Violinvirtuose seine Motorsäge, aber es sind noch dreihundert Seiten!

Nun war die wilde Jagd vorübergezogen, die Nebel stiegen auf, der Mond erschien über den Baumkronen und beleuchtete, was von dem hochgestimmten Treiben übriggeblieben war: die Menschen, die sie um sich sah. (142) Die Reimkunst macht Fortschritte und bewährt sich hier in lupenreinen Jamben.

Es war verblüffend, daß er sich nach all den Jahren eines hartnäckigen Neben-ihr-Ausharrens, das für sie so bedrückend sein konnte, nun doch als erster davongemacht hatte. (142) Man könnte auch sagen: eines hartnäckigen Ausharrens neben ihr. Aber Mosebach, dem klassischen Stilideal verbunden, fand das Vorbild für seine Variante wahrscheinlich in Mörikes bekannter Erzählung »Mozart beim Nach-Prag-Reisen«.

Plötzlich stand Toby neben ihr und schaute erregt auf die Linien, die sie mit dem Rechen in den sandigen Boden zog. Er glaubte, sie unterstützen zu müssen, und folgte dem Rechen voller Eifer mit der Nase. (144) Mosebach kann nichts für sich behalten, immer muss er alles sagen, was er weiß. Warum dürfen die Leser denn nicht erraten, dass Antonia einen Rechen dabeihat, wenn Toby ihm folgt?

Toby fuhr flüchtig mit der Schnauze über ihr Gesicht, das er streifte und auf diese Weise seine Küsse nur andeutete. (144) Man glaubt es nicht, aber es muss doch so sein: Toby deutet das Gesicht seine Küsse an. Es steht ja ganz unmissverständlich da.

Sie hatte dreißig Jahre lang den täglichen Drahtseilakt einer Ehe mit Heinrich und einer Liaison mit Albrecht bewältigt. (146) Dieser Satz ist zweifellos sehr gelungen. Könnte man ihn noch verbessern? Könnte der Drahtseilakt auch eine Gratwanderung, ein Spagat, ein Machtpoker oder ein Tauziehen sein? Nein, es ist schon am besten so, wie es ist. Der schlechteste journalistische Stil vermählt sich aufs Wunderbarste mit dem schönsten dichterischen.

Man sehe, erklärte Antonia im Hinblick auf Charlotte sogar, was es heiße, sein Schicksal in die Hand zu nehmen, eine Bemerkung, von der Antonia hoffte, sie werde kolportiert und werde damit anderes, weniger Großmütiges in Vergessenheit bringen - eine weltfremde Hoffnung allerdings, weil freundliche Bemerkungen in der Großstadtgesellschaft wie ein Sommerregen in der Sahara versickern. (147) Das Passiv und das Futur sind leicht miteinander zu verwechseln, denn beide bilden sich mit dem Hilfsverb »werden«. Goethe - um einen Dichter von Mosebachs Rang zu nennen - hätte vermutlich geschrieben, die Bemerkung werde kolportiert werden und anderes in Vergessenheit bringen. Auf den doppelten Anakoluth hätte er wohl ebenso verzichtet wie auf das Allerweltswort »damit«, das gar nichts ausdrückt, wenn es gebraucht wird wie hier, und das man deshalb überall einfügen oder, noch besser, überall weglassen kann.

Keine Krankheit und kein Unglück konnte den Erwachsenen erschrecken, denn es gab nichts, was er nicht gelassen hinnahm, weil er seit langem darauf vorbereitet war. Die Hoffnungen betrachtete der Erwachsene mit Ironie, doch ohne Verhärtung. (147) Auch die doppelte Verneinung ist für Mosebach offenbar zu schwierig. Worauf ist der Erwachsene vorbereitet? Auf nichts? Oder darauf, nicht gelassen hinzunehmen, was ihm begegnet? Ebenso unsinnig ist das »doch« im nächsten Satz. Hat man denn jemals von verhärteter Ironie gehört?

Seine Liebe schätzte das Vorkommen der Gegenseitigkeit realistisch ein. (147) So spricht der Dichter. Denn die Liebe ist manchmal eine Einbahnstraße, wie man weiß, manchmal stößt sie aber auch auf Erwiderung.

Batzenberg erholte sich nur schwer von der Enttäuschung, als er bei seinen Nachfragen von der Omnibusgesellschaft erfuhr, von der Einrichtung des offenen Anhängers sei ihnen nichts bekannt. (151) Da geht es der Omnibusgesellschaft wie dem FC Bayern München. Denn die werden in dieser Saison wieder Meister.

Haus und Park wurden immer kostbarer in den Augen der Gäste, die an den Wochenenden kamen und von der Verwilderung des Waldes und der Wiesen schwärmten. Wenn sie zum zweiten Mal erschienen, hatten sie manchmal einen Fotoapparat dabei. (153) Sie müssen also mehrmals zum zweiten Mal erscheinen. Oder will Mosebach sagen: Wenn sie zum zweiten Mal erschienen, hatten manche einen Fotoapparat dabei?

Antonia ahnte schon die ganze Zeit, während der sie sich für Batzenberg am Telefon verleugnen ließ, daß noch etwas auf sie zukommen werde. (154) Die Präposition »während« braucht den Genitiv. Man sollte deshalb einen Relativsatz nicht mit ihr beginnen, denn selbst wenn man es richtig macht, wird es nicht schön.

Mit kindlichem Erstaunen lauschte er ihrer deutlichen Sprache, die ihm offenbar auch dann Spaß machte, wenn sie sich über ihn lustig machte. (173) Wer aber Lauscher hat, die Sprache Mosebachs zu hören, wendet sich mit Widerwillen ab.

Antonia war weit davon entfernt, sich über Czibulski lustig zu machen, obwohl dessen kindliches Betragen auch ein weniger sarkastisches Temperament, als Antonia es besaß, zum Lachen gereizt hätte. (177) Warum nicht: sein kindliches Betragen? Warum nicht: als sie es besaß? Falsche Bezüge, die ausgeschlossen werden müssten, sind hier doch gar nicht möglich.

Er hatte bei seiner Ankunft zunächst gar nicht gleich begriffen, … (181) Und auch später, so ließe dieser Satz sich kongenial zu Ende bringen, begriff er es immer nie sofort.

Antonia sah mitten auf der Wiese den kleinen Traktor stehen, mit dem Hans Joachim das Gras gemäht und den er einfach dort zurückgelassen hatte, wo ihm die Lust am Mähen vergangen war. (187) Ja, so etwas kommt bisweilen vor: Beim Lesen hört man plötzlich auf zu lesen. Man zahlt gewissenhaft seine Steuern, aber nach Jahrzehnten sieht man die Notwendigkeit, Steuern zu zahlen, plötzlich nicht mehr ein. Auch diese Figur sollte in den Lehrbüchern der Stilistik verzeichnet werden, und zwar unter dem Namen »Aufsitzrasenmäher«.

Rote Flecken lagen noch auf seinen Wangen, als er in das Gartenzimmer trat, und seine Augen sahen klein aus. Nur das Haar stand nicht mehr ab, sondern klebte wieder sorgfältig an dem Kopf. (192) Wieder das Problem der Verben, die einmal transitiv und ein andermal intransitiv sein können. Das Haar wendete Sorgfalt an aufs Kleben am Kopf? Was für ein Unfug!

Sie war heute nicht fähig, ihren Zorn zu verschieben. (192) Das hat der Zorn so an sich, dass er sich nicht verschieben lässt. Man kann ihn übrigens auch nicht verschiffen oder an die Wand nageln.

Ivanovich hatte wohl wieder einen Feuerwehrball im Auge oder ein Apfelweinlokal, wo er zuviel Bratkartoffeln essen würde und Marie-France zahlen ließ. (225) Diese Kombination von Konjunktiv und Indikativ ist zwar originell, nur ergibt sie leider keinen Sinn.

… wie der Süchtige voll Ungeduld darauf wartet, sich unbeobachtet sein kostbares Pulver zu injizieren. (238) Pulver! Injizieren! Das muss die Welthaltigkeit sein, die an Mosebachs Romanen so sehr gepriesen wird.

Selbst die empfindlichen Gewissen werden von der ständig anwachsenden Flut der Wörter betäubt und wissen nicht, was zuerst da war: die Sätze oder der Sachverhalt, den sie beschrieben und allzuoft überhaupt erst hervorgebracht hatten. (241) Und ebenso wenig wissen die Gewissen wohl, ob das Ei zuerst da war oder die Henne, die es gelegt hat.

Auch, ja gerade dann, wenn es im Grunde nichts mehr zu verbergen gab, war es aus quasi sozio-hygienischen Erwägungen heraus geboten, den Schein zu wahren. (241) Dunkel erinnert man sich hier an eine Novelle von Schiller. Wie hieß sie gleich? »Der Verbrecher aus verlorener Ehre heraus«?

Sie bedauerte, daß das Sie-Sagen in ihrem Milieu nicht mehr natürlich klang. Einen Liebhaber, von dem jeder ahnte, niemand aber in letzter Gewißheit wußte, vor neugierigen Ohren zu siezen, war ein Vergnügen, das eine Affäre noch reizvoller machte. (241) Das »Sie« kann klingen, das Sagen nicht. Und von einem Liebhaber zu ahnen, ist auch nicht möglich.

Sie nahm Heinrich, dem sie seine Späße nie verboten hatte, noch nachträglich übel, in welcher Koalition sie sich mit ihm befand. (246) Derweil sitzt der Leser auf seinem Sofa und nimmt übel, wie erbärmlich dieses Geschreibsel ist.

Wenn Antonia dann stumm blieb und ihr Ei so gründlich schälte, als sei sie allein im Zimmer, kamen nach einer Weile wieder ein paar unschuldige Bemerkungen auf, von denen allerdings keine an Antonia gerichtet war, die von niemandem wirklich bemerkt zu werden schien. (248) Da sie aber nicht allein ist, muss es »wäre« heißen. Und die Bemerkungen, die aufkommen, während Antonia nicht bemerkt wird: Mosebach, wie er leibt und lebt und schreibt und webt.

Wie ein Vampir, der nach frischem Blut dürstet, darbte Ivanovich nach einem einzigen ungewöhnlichen Wort. (251) Womöglich kann man nach etwas dürsten, nach etwas darben kann man aber gewiss nicht.

Die Nachricht von der wissenschaftlichen Regsamkeit der Arbeiterkinder beschäftigte Albrecht von Skrba, weil er darin eine Verbindung zu seiner wichtigen Erkenntnis über die hereditär-genetischen Erkennungsmerkmale der alten Familien im Unterschied zu den Selfmade-Menschen zu erblicken glaubte, eine These, die er schon häufig vorzutragen begonnen hatte, von Antonia allerdings regelmäßig unterbrochen worden war. (255) Er merkt es nicht, er hört es nicht, und kein Lektor weit und breit, der ihm die Texte richtet.

Obwohl sie sich also der Handhabung Hans Joachims bei den kleineren Verkäufen fügte, … (266) Hans Joachim wird bei kleineren Verkäufen gehandhabt? Nein, gemeint ist Hans Joachims Handhabung kleinerer Verkäufe.

Hans Joachim warf Antonia vor, ihm nicht zu vertrauen, und Antonia hatte dem widersprochen, zeigte aber dennoch keine Anstalten, sich seinen Wünschen zu fügen. (267) Woher kommt dieses absonderliche Plusquamperfekt? Hat sie dem Vorwurf schon widersprochen, bevor er erhoben wird?

Antonia hatte erneut Gelegenheit, die beiden Gesichter ihres geliebten Freundes zu bestaunen. Die zänkische Gereiztheit, die er von der einen auf die andere Minute annehmen konnte, wenn er mit ihr allein war und an irgend etwas Anstoß nahm, blieb ihr immer noch fremdartig und unplausibel. (267) Zu den stotternden Alliterationen gesellt sich das zweifache »nehmen« und dazu der leidige Umstand, dass Antonia auch etwas Fremdartiges nicht fremdartig sein kann, sondern nur fremd.

Jetzt genügte es schon, daß Marie-France gedankenlos eine leere Zigarettenschachtel ergriff und mit abgewandtem Blick darin herumsuchte, daß Hans Joachim auf die Beine sprang und nach ihren Wünschen fragte. (284) Dass Hans Joachim auf die Beine springt, genügt auch? Wozu denn?

Antonia hätte nun noch an den Mangel an erotischer Anziehung denken können, den sie bereits bemerkt hatte, als Hans Joachim ins Haus gekommen war. (284) Warum denn nicht: Antonia hätte nun noch an den Mangel an erotischer Anziehung denken können, den sie an Hans Joachim bereits bemerkt hatte, als er im Haus angekommen war? Das wäre doch noch schöner.

Aber auch Stella hätte nicht sagen können, woher die Eifersucht gekommen war, die Antonia fünfzig Jahre lang nicht gekannt hatte und sie nun jede Minute des Tages beherrschte. (286) Das ist entweder großartig oder ganz schlecht. Der Leser hat die Wahl. Man darf zu Mosebachs Gunsten annehmen, er spreche hier von der Eifersucht wie von einer Person, der Antonia unbekannt ist. Wahrscheinlich aber kann er wieder den Nominativ und den Akkusativ nicht auseinanderhalten.

Als Antonia zum ersten Mal merkte, daß sie kein Auge von Marie-France lassen konnte, wenn Hans Joachim dabei war, gab sie sich sofort das Versprechen, daß Hans Joachim niemals merken dürfe, was sie empfinde. (286) Zu dem affektierten Konjunktiv passt aufs beste die Taubheit, die das zweifache »merken« nicht bemerkt.

Es gab weniges in ihrem Leben, was Antonia so tief bereute. (287) Sie bereut aber gar nicht, dass es weniges gibt, sondern es gibt weniges, das sie bereut.

Dieser Traum war von solch überwältigender Gegenständlichkeit, daß Ivanovich sich beim Erwachen nicht nur genau an ihn erinnerte, und das heißt, daß er nicht nur das reine Bild, sondern die ganze vielsagende, in dies Bild hineingepreßte Stimmung noch unversehrt in sich trug. (294) Hier ist doch wohl irgendwie der Satzbau beschädigt. Was jedem Halbalphabeten sofort auffällt, sehen Mosebach und seine Lektoren aber noch lange nicht.

Überhaupt hatten die beiden das Bedürfnis, viel allein zu sein, auch dies etwas, was es in Ruppertshain bisher nie gegeben hatte. (296) Nein, falsch! Was, das - das, was. Ist es denn so schwer?

Er wußte, daß er mit seiner Schokolade bei Marie-France schon einen Stein im Brett hatte. Je älter er wurde, desto mehr nahm seine Anteilnahme an erotischen Verwicklungen zu. Als Jüngling hatte er eine vornehme Triebschwäche besessen, die sich aber legte, als er in die Jahre kam, in denen sonst die Männer nur noch an ihre Arbeit denken. Verbunden mit dieser zweiten Jugend, die bei ihm die eigentliche war, hatte er sich, wenn er über die Liebe sprach, ein wissenschaftlich klingendes Vokabular zugelegt und nahm sich vor, Marie-France, in Ausnutzung ihres guten Verhältnisses, allein aus Gesundheitsgründen zu etwas mehr Abwechslung zu raten. (299) Das vierfache »nehmen«, das zweifache »legen« kennt man nun schon. Wer aber sagen kann, womit die zweite Jugend verbunden ist, kriegt einen Stein aus Schokolade.

Es kam neuerdings vor, daß Antonia sich von Albrecht und Ivanovich geradezu verfolgt vorkam. (299) So etwas kommt auch in besseren Romanen vor, in diesem aber so oft, dass man sich fragen muss: Findet Mosebach das witzig? Steckt dahinter eine absonderliche Poetik der Hässlichkeit? Dann sollte er sie einmal beschreiben.

So tat sie bald nichts mehr, um Ivanovich die Angst, sie werde beim ersten besten Augenblick in den Armen eines anderen liegen, zu nehmen. (303) Beim Augenblick oder in der Gelegenheit - wen schert es noch?

In Wahrheit war er jedoch keineswegs friedfertiger geworden, seine Aggressionen richteten sich jetzt nur gegen sich selbst, allerdings mit dem Unterschied, daß er sich bei anderen durch seine Gutmütigkeit und seine Vorliebe für absurde Situationen manchmal überraschend wieder beruhigte, während diese Gaben bei ihm selbst versagten. (304) Da hat wohl jemand den Begriff der Autoaggression missverstanden. Wer sich durch seine Gutmütigkeit beruhigt, täte es vielleicht besser wegen oder dank derselben. Und eine Vorliebe ist keine Gabe.

Dies altmodische, aber zugleich ungebrochen ehrabschneidende Schimpfwort wurde von Antonia auf eine sehr persönliche Weise gebraucht. (307) Ungeschnitten ehrabbrechend? Nein, auch nicht besser.

Marie-France jedenfalls behandelte ihre Beziehung zu Hans Joachim als gleichsam in Parenthese zum Kontext ihres Lebens stehend. (309) Dieser Satz ist, um einen bewährten Bürokraten zu zitieren, stilmäßig unaushaltbar.

Auch Antonia fiel diese Ähnlichkeit auf, und nachdem Heinrich tot war, sprach sie schon in anderen Tönen. (311) Und was tut sie, als er aufgehört hat, tot zu sein?

Vor allem entzückte sie die Vorstellung, daß Toby auch mit auf das Bild käme, wenn man ihn dazu bringen könne, wie der Courbetsche Jagdhund seine Herrin nicht in überschwenglicher Ergebenheit mit den Augen aufzufressen. (311) Das ist die sagenhafte Mosebachsche Bildung: von Courbet weiß er zu parlieren, aber den Konjunktiv beherrscht er nicht.

Sie hatte hier im Eßzimmer gestanden und den Kartenspielern im Gartenzimmer zugehört und sei sich bewußt gewesen, daß es im ganzen Haus keinen Raum gab, in dem sie sich sicher verbergen könne. (320) Ob er jemals einen Roman gelesen hat, bevor er selbst anfing zu schreiben? Es können nur Übersetzungen aus dem Analphabetischen in die Gebärdensprache gewesen sein.

«Das war der letzte Tag meiner Gefangenschaft«, pflegte sie zu sagen, wenn sie sich an den nun einsetzenden Prozeß erinnerte, der in Wahrheit aber fließender verlief, als daß man ihn mit einem genauen Datum hätte verbinden können. (320) Dieser Komparativ ist schon dumm genug, obendrein passt er nicht in die syntaktische Konstruktion.

Denn ihr fielen immer nur die weniger witzigen Antworten Berbaums ein, wenn sie damit paradieren wollte, das heißt enorm witzige Antworten natürlich, wenn man dabeigewesen war und die ganze Situation, die Blicke, die Mienen, die exquisite Stimmung mitbekam. (334) Jetzt also die Zeitenfolge, auch ein schwieriges Kapitel.

Wenn er nur wüßte, daß sie die Hypothekenzinsen nicht bezahlen konnte, wäre dieser Verdacht gewiß endgültig ausgeräumt, aber sie wußte nicht, ob sie ihm diesen Einblick in ihre Verhältnisse gewähren sollte. Antonia übte, während sie mit Czibulski sprach, die mißtrauische Vorsicht des Verhafteten, der weiß, daß jedes seiner Worte zu seinem Nachteil ausgelegt werden könne. (336) Das dreifache »wissen«, der alberne Konjunktiv … Zum Glück sind es nur noch hundertvierzig Seiten!

Im übrigen war Gesundheit eine Form des Glücks, die Batzenberg mit dem Blutdruck eines Vierzigjährigen in reichem Maße teilhaftig wurde. (339) In der Erstausgabe steht: der Batzenberg … teilhaftig wurde. So viele Kasus gibt es ja nicht, deshalb wird Mosebach gewiss irgendwann den richtigen treffen.

Der Schein ruhte jetzt an Batzenbergs Herz, während Czibulski den Wagen ausnahmsweise so langsam nach Frankfurt lenkte, daß Batzenberg nichts zu monieren blieb, denn Czibulski war zu abgelenkt, um die kurvenreiche Strecke von Ruppertshain nach Königstein »in Ideallinie zu nehmen«, wie er sich gern ausdrückte. (348) Beim Lenken abgelenkt zu sein, hat schon manchen das Leben gekostet. Und auch über Czibulski, Batzenberg und den anderen darf man zum Glück bald den Buchdeckel zuklappen.

Sie glaubte ihm kein Wort, aber sie war ernsthaft beunruhigt, weil sie ihn zu kennen geglaubt hatte. (352) Es ist einfach nicht zu glauben!

Als Beweis seines guten Charakters muß erwähnt werden, daß Hans Joachim die Hingegebenheit, die ihm Antonia entgegenbrachte, eigentlich nicht für möglich hielt. (354) Goethe und Karl May hätten wahrscheinlich von Hingabe gesprochen und sich gefragt, ob es nicht eher auf einen schlechten Charakter schließen lässt, wenn jemand das Gute nicht für möglich hält. Aber sie haben ja auch den Büchnerpreis nicht gekriegt, und zwar zu Recht.

Er war der Liebling der Barmädchen, freigebig wie ein Goldgräber und fand kein Ende, seine Gäste, darunter auch den jungen Heinrich, mit guten Sachen zu traktieren. (362) Da Heinrich aber nicht unter den Gästen traktiert wird, sondern bloß unter den Gästen ist, die traktiert werden, muss es heißen: darunter auch der junge Heinrich.

Mit Onkel Otto war Heinrich auch nach Paris gereist, eine Reise, die er Ivanovich gegenüber tausendmal erwähnte, ohne, außer vielsagendem Augenrollen, einen einzigen verständlichen Hinweis abzugeben, was eigentlich diese Reise so über die Maßen reizvoll gestaltet habe. (362) Er reist eine Reise, die eine reizvolle Reise ist. Kann man es noch klangschöner sagen?

Das wäre eigentlich Ivanovichs Aufgabe gewesen, der nun aber nicht mehr für das Kartoffelfeuer, das Glück seiner Kindheit, zu erwärmen war. (363) Und auch dem Frost zeigt er vermutlich die kalte Schulter.

Antonia hätte es auf die Dauer nie ertragen können, die von Hans Joachim Betrogene zu sein. (371) In der Erstausgabe steht: nie auf die Dauer. Das Problem hat Mosebach also erkannt, deshalb sei ihm die Lösung hier verraten: auf die Dauer nicht.

Selbstverständlich gab es für Hans Joachim frische Brötchen, die dessen Erwachen versüßen sollten. (387) Eigentlich wird das einfache Possessivum nur dann durch das Demonstrativum ersetzt, wenn ein Missverständnis vermieden werden soll. Aber es gibt wohl auch Leute, die in der Lage sind zu sagen: Das ist mein Sohn, ich liebe diesen sehr.

Auf der Seite 392 ist von Albrechts einziger Stehlampe mit dem schiefen, fleckigen Lampenschirm die Rede. Sie erinnert an den Moment, als eine Tür im Luftzug leise an den Türrahmen schlug, ohne ins Schloß zu fallen. (228) Man sollte diese rhetorische Figur, unzweifelhaft ein Stilmerkmal des guten Stils, zu Mosebachs Ehren künftig den »Lampenschirm« nennen.

Sie glaubte, das Doppelte an Kraft für den Tag zu verbrauchen als noch im Herbst. (395) Aber wahrscheinlich die Hälfte als im nächsten Sommer.

Am Morgen danach hatte er der ersten Versuchung nachgegeben, Heinrichs Letzten Willen um der Befriedigung einer Gefühlsaufwallung willen über Bord zu werfen. (403) Dieser Satz klänge vielleicht noch schöner, wenn Heinrich nicht Heinrich, sondern Wilhelm hieße und wenn der Wille nicht über Bord geworfen, sondern in den Wind geschlagen würde.

Als Ivanovich allein zurückblieb, kam ihm vor, als falle er nach innen zusammen. Seine Persönlichkeit löste sich in Rauch auf, er spürte weder sein Gewicht noch den Boden, auf dem er stand. Der Zustand, in dem er sich befand, entzieht sich der Beschreibung. (403) Ach, entzöge sich doch alles der Beschreibung, und Mosebach beschriebe nichts!

Was ihn am tiefsten beeindruckte, war weniger die Untreue des Mädchens als vielmehr sein eigenes Verhalten. (410) Das eine beeindruckt ihn mehr am tiefsten und das andere weniger am tiefsten. Und was macht unterdessen die Welt?

Die Welt wird dann ganz einfach, weil schlaglichthaft deutlich wird, daß eine Vielzahl unordentlicher Phänomene sich auf einen einzigen Punkt zurückführen lassen. Dieser Punkt war in Antonias Fall ein Mann, Heinrich, mit dessen Tod ihr Leben schwierig geworden war, und ein zweiter Mann, Erwin Czibulski, der dazu bestimmt war, ihr die Ruhe zurückzugeben. (421) Wie war das? Eine Vielzahl lassen sich auf einen einzigen Punkt zurückführen, und dieser einzige Punkt sind zwei Männer?

Etwas Kindisches lag in diesem Lamentieren, man sah einen dickbackigen Säugling vor sich, der gereizt mit dem Löffel in den Brei schlägt, anders als Batzenbergs Jammerton, der etwas Sterbendes besaß, das dünne Greinen des immer mehr zusammenschrumpelnden Tithonus. (423) Nun gut, das überrascht niemanden. Wann hätte man auch je gesehen oder gehört, wie ein Jammerton in den Brei schlägt?

Ivanovich war unzugänglicher, und ohne seine alte Streitsucht ließen sich kaum mehr Berührungspunkte mit ihm finden. (431) Der Zusammenhang erklärt leider nicht, warum mehr Berührungspunkte entstehen sollten. Also meint Mosebach vermutlich, dass sich kaum noch Berührungspunkte finden lassen.

Nur Czibulski schien davon nichts gemerkt zu haben. Antonia dachte, daß es ihm irgendwann wie Schuppen von den Augen fiele, aber dies Ereignis trat nicht ein. (437) Und schon wieder ein falscher Konjunktiv.

Sie belauerte sich ebenso ängstlich wie jüngere Frauen, die vor dem Spiegel Ausschau nach den ersten Falten halten. (443) Wann hört es endlich auf?

Daß Antonia das Heiratsprojekt nicht in Betracht zog, an dem Stella mit solcher Überwindung gearbeitet hatte, wobei die Anstrengung sich einzig auf die Entscheidung bezog, ausnahmsweise auf Antonias Schicksal Einfluß zu nehmen, war verletzend. (444) Himmel! Noch dreißig Seiten!

Es kam ihr vor, als suche Albrecht bei ihr ein wenig Schutz, als er begann, sie zu besuchen. (444) Das hätte Mosebach noch besser formulieren können, zum Beispiel so: … als es immer öfter vorkam, dass er sie besuchte.

Stella merkte, daß Marie-France sich nicht über ihre Frage ärgerte, und fühlte sich ermutigt, in ihrer Inquisition fortzufahren, für die sie nun die Form des Selbstgespräches wählte. »Sie haben uns für eine Reihe von Wochen verlassen«, sagte Stella also, »und haben mir nicht adieu gesagt. Ich glaube nicht, daß bei Ihnen die guten Manieren wie Reflexe funktionieren, halte Sie aber auch nicht für völlig herzlos. Ich bin der Überzeugung, daß Sie sich nur deshalb nicht verabschiedet haben, weil Sie keine Gelegenheit dazu hatten.« (445) Was es nicht alles gibt: sogar Selbstgespräche, in denen das Gegenüber ständig in der zweiten Person apostrophiert wird.

Antonia staunte allein schon darüber, wie sich Anton von der Stelle bewegte. Sein Trippelschritt schien auf der Stelle zu treten, und dennoch war er in Blitzesschnelle im Wald verschwunden. (449) Von der Stelle, auf der Stelle, aber dann in Blitzesschnelle… Dieser Roman ist wahrhaftig so klangschön, dass man ihn singen kann!

Ihre Gefühle für den Herrn Anton drückten sich daher weniger in einer Enttäuschung über die Treulosigkeit eines alten Hausgenossen aus als in der Freude, Anton entlarvt zu haben. Ihr erster Einfall, Anton von einem auf den anderen Tag ohne Erklärung aus dem Haus zu weisen, kam ihr nach längerem Nachdenken wirkungslos vor, denn wenn Anton fort war, ließ es ihn womöglich kalt, was Antonia über ihn dachte. (451) Weil das Pronomen »es« so oft fehlt, findet man es natürlich auch dort, wo es überflüssig ist.

Nachdem er bei Batzenberg seine Pflicht getan hatte, nahm Anton Verbindung mit seiner Cousine auf und fragte sie ohne Umschweife, ob sie ihn bei sich aufnehmen werde. (452) So steht es geschrieben, unübersehbar wie zwei flämische Pferdehintern, und er sieht es doch nicht.

Nachdem sich Czibulskis Besuche häuften, glaubte Stella auf weitere Spekulationen über den neuen Cicisbeo verzichten zu können. (467) Der falsche Gebrauch der Konjunktion »nachdem« mag in Mosebachs hessischer Heimat geläufig sein. Da dieser Satz aber auch noch einen Cicisbeo an seiner gepuderten Perücke herbeizieht, klingt er ungefähr so schön wie jener Ausruf, den man bisweilen in Duisburger Wohnküchen vernimmt: »Mama, komm schnell! Dein Bien-aimé geht beim Kühlschrank bei!«

Sie war sich klar, auf wen die Anspielung gemünzt war, und war wütend, daß Stella ihr auf den Kopf zusagte, was sie selbst noch nicht recht zu denken wagte. (468) Klar war sie sich klar. Aber dass Mosebach sich selbst auch klar ist, muss man bezweifeln.

Es war Neumond, und nicht das kleinste Licht lag auf der Landschaft. Der Park von Ruppertshain zeigte auch hierin noch einmal seinen inselhaften Charakter, denn in der Ebene, wo Frankfurt lag, wurde es niemals mehr richtig dunkel. Im Park hingegen hatte die Dunkelheit an Neumondtagen noch apokalyptischen Charakter. (471) Der Park hat einen Charakter und die Dunkelheit auch. Auf der nächsten Seite ist sogar das Gespräch zweier Romanfiguren eine Charaktereigenschaft des Mondes: Antonia empfand die Unterhaltung, die Czibulski mit ihr in ihrem rosengeschmückten Schlafzimmer führte, als charakteristisch für den unsichtbaren Mond.

«Erwin Czibulski wird in einem Denkmal wohnen«, sagte Ivanovich und grinste unverschämt zu Batzenberg hinüber, der ausdruckslos und fahl den Konferenztisch beherrschte und nur kurz zu Czibulski hinübersah, bevor er den nächsten Punkt behandelte. Czibulski war so unbeherrscht, daß er nicht antworten konnte, als Batzenberg ihn ansprach. (473) Batzenberg beherrscht den ganzen Tisch, aber Czibulski ist unbeherrscht. Wie geht das zu?

Czibulski trat aufs Gas und fuhr durch die Nacht auf den holprigen Wegen des Parks wie über einen Rallye-Parcours, was auch Batzenberg immer zu Protesten veranlaßte und Antonia besonders verabscheute. (476) Und schließlich noch ein Nominativ, der ein Akkusativ ist.

Sie hat sich einfach furchtbar erschreckt, dachte Czibulski, denn sonst ist sie natürlich eine wundervolle Frau. (476) Erschrocken und ungläubig schließt man am Ende dieses Buch. Die Frage, warum Mosebach so schreibt, vermag allein Jens Jessen zu beantworten, der Leiter des Feuilletons der Zeit: »Es ist, als wüsste er, dass er für den Verlust an Zivilisiertheit, den er beklagt, einen Ton braucht, der diese verlorene Zivilisiertheit selber enthält. Mosebach ist geradezu dazu verdammt, die alteuropäische Delikatesse in seinen Romanen selbst herzustellen. Er muss das, wovon niemand mehr weiß, im Gefäß seiner Bücher noch einmal alchemistisch erzeugen.« In der Tat wusste man von einer Delikatesse, wie sie in diesem Roman erzeugt wird, bisher nichts. Wenn man auch nicht genau bestimmen konnte, was guter Stil eigentlich ist, ahnte man doch wenigstens, dass er aus grammatischen Fehlern, aus sinnlosen Alliterationen, aus hässlichen Assonanzen und Wortwiederholungen und aus der Unkenntnis der Wirklichkeit nicht entsteht und dass er einen Autor braucht, der eine intime Beziehung zur Sprache unterhält und in jedem Moment weiß, was er tut. Wie der Fall Mosebach lehrt, kann man sich aber auch ohne Sprachgefühl und -verstand den Ruf eines großen Stilisten erwerben. Ein dreiteiliger Anzug genügt.

Am 5. Februar kommentiert Peter Dierlich im Rahmen der »Verbrecherversammlung« die schönsten Passagen aus Mosebachs Roman »Das Beben«. »Monarch«, Skalitzer Str. 134, 10999 Berlin, Beginn: 20.30 Uhr