Heiße Luft in Sarkozys Afrika

Ein Umschwung zeichnet sich in der französischen Afrika-Politik ab. Überraschend steht Frankreich dem tschadischen Oppositionellen Yorongar hilfreich zur Seite. von bernhard schmid, paris

Einen gelungenen Coup hat die französische Regierung mit ihrer Ankündigung gelandet, dem tschadischen Oppositionellen Ngarlejy Yorongar Asyl zu gewähren. Ein entsprechendes Versprechen hatte Premierminister François Fillon vor knapp einem Monat im Fernsehsender Europe 1 abgegeben – als in der Öffentlichkeit noch unklar war, ob der Oppositionspolitiker sich überhaupt noch am Leben befindet. Inzwischen ist er wieder aufgetaucht. Und ausgerechnet die frühere Kolonialmacht Frankreich, die im Februar dem tschadischen Regime unter Präsident Idriss Déby Itno militärisch unter die Arme gegriffen hat (Jungle World 08/08), nimmt ihn auf.

Yorongar ist am 6. März über Kamerun nach Frank­reich eingereist. In seinen ersten Erklärungen betonte er allerdings, er wünsche so schnell wie möglich nach N’Djamena zurückzukehren, und er werde Präsident Idriss Déby nicht »das Geschenk machen«, im Exil zu bleiben. Er kritisierte ferner Frankreich für seine Rolle im Tschad. Präsident Nicolas Sarkozy solle damit aufhören, das autokratische Regime von Idriss Déby zu stützen, und Frankreich solle »nicht länger den Gendarmen« bei Konflikten in dem afrikanischen Land spielen.

Allerdings zeigte Yorongar sich zurückhaltend, indem er nicht den Abzug der französischen Truppen aus dem Tschad forderte. 1 200 Soldaten der »Opération Epervier« (Sperber) sind dort stationiert sowie das ungefähr ebenso starke französische Kontingent an der europäischen Truppe Eufor, die sich im Grenzgebiet von Tschad, Sudan und Zentralafrikanischer Republik aufhält. Vielmehr erklärte Yorongar dem Sender Europe 1, eine »sauberere militärische Präsenz« auf dem Kontinent liege »im Interesse der Glaubwürdigkeit Frankreichs«.

Mit seinen Äußerungen liegt Yorongar wohl gar nicht so weit von den mutmaßlichen Zielen der französischen Außenpolitik entfernt. Denn auch in Frankreich hat man die Nase voll davon, von manchen afrikanischen Autokraten, die man bislang stets an der Macht gehalten hat, für deren persönliche Zwecke in innenpolitische Konflikte hineingezogen zu werden. Eine etwas reduzierte Präsenz in Afrika, um französische oder europäische »fundamentale« Interessen abzusichern, ohne aber alternden Potentaten als Quasi-Lebensversicherung zu dienen, käme durchaus auch Sarkozys Vorstellungen entgegen. Ende vergangenen Jahres waren insgesamt 11 000 französische Soldaten, ein Drittel der Armee im Auslandseinsatz, auf dem afrikanischen Kontinent stationiert.

Außenminister Bernard Kouchner hatte Ende Februar zunächst den heftigen Zorn der US-amerikanischen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erregt, als er im Fernsehsender LCP-Sénat versicherte, der Oppositionsführer Yorongar halte sich »noch versteckt, aber ziemlich glaubwürdige Zeugen« – die freilich ungenannt blieben – »versichern, dass er noch am Leben sei«. An anderer Stelle ließ er durchsickern, dass »die französische Seite« glaube, Yorongar halte sich im Nachbarland Kamerun auf. Yorongar war am 3. Februar von der Präsidentengarde verhaftet oder genauer gesagt entführt worden und blieb zunächst mehrere Wochen lang »verschwunden«. Kouchner war der erste, der von seinem Wiederauftauchen gehört haben wollte. Menschenrechtsorganisationen und die Familie Yorongars zweifelten seine Worte offen an.

Und doch hatte Außenminister Kouchner Recht, denn Yorongar war damals auf dem Weg nach Kamerun. Details über die Bedingungen seiner Ausreise sind offiziell nicht bekannt. Augenzeugen, die sich damals im Tschad aufhielten, berichten jedoch gegenüber Jungle World, die französische Armee habe Yorongar aufgegriffen und vor den Häschern des Regimes gerettet. Der Oppositionspolitiker war am 12. Februar zu einer Hinrichtung oder Scheinhinrichtung auf einen Friedhof von N’Djamena geführt worden. Eine zum fraglichen Zeitpunkt vorbeikommende französische Armeepatrouille griff ihn jedoch auf. Noch fehlt aber jegliche Spur von einem zweiten Anführer der zivilen und demokratischen Opposition, der zusammen mit Yorongar gekidnappt und auf einem Militärstützpunkt festgehalten worden war. Viele Beobachter glauben inzwischen, Ibni Oumar Mahamat Saleh, der Sprecher einer Koalition von Oppositionsparteien, der allen Anzeichen nach schwer misshandelt worden ist, sei tot.

Ende Februar unternahm Präsident Sarkozy selbst einen Abstecher nach N’Djamena, auf der Durchreise zu seinem Staatsbesuch in der Republik Südafrika. Dabei versuchte er sich in einer schwierigen Übung. Er bezeichnete einerseits das Regime des tschadischen Präsidenten als »legitim«, das im Dezember 1990 mit französischer Billigung durch einen Putsch an die Macht gekommen ist. Gleichzeitig fügte er jedoch hinzu, dies gebe Déby nicht die Berechtigung dazu, »jeden Quatsch« anzustellen. Sarkozy erreichte die Einrichtung einer »Untersuchungskommission« über das Schicksal der »verschwundenen« Oppositionspolitiker.

Einen Tag später sicherte Sarkozy in seiner Rede vor dem südafrikanischen Parlament in Cape Town zu, Frankreich werde »sämtliche Militärabkommen mit früheren Kolonien in Afrika« überarbeiten und künftig für Transparenz in den gegenseitigen Beziehungen sorgen. Dazu gehöre, dass die militärischen Kooperations- respektive Verteidigungsabkommen, die Frankreich mit mehreren afrikanischen Regimes verbinden und die – wie im Fall des Tschad – oft geheime Klauseln enthalten, nun erstmals in Gänze veröffentlicht werden sollen. Er kündigte gar eine völlige »Neubegründung« der französisch-afrikanischen Beziehungen, auf veränderter Grundlage, an. Frankreichs Verhalten im Tschad, wo die dort stationierte Armee »nicht in die jüngst stattgefundenen Kämpfe eingegriffen« habe, stellte Sarkozy dabei als geradezu modellhaft hin und betonte die angebliche Neutralität des offiziellen Frankreich gegenüber dem dortigen Konflikt. Die Franzosen hätten sich dort, so Sarkozy, »verboten, auf Afrikaner zu schießen«.

Dies ist zwar nur bestenfalls die halbe Wahrheit, in Anbetracht der französischen Munitionslieferungen über Libyen an den Tschad und der militärischen Beteiligung an den Kämpfen um den Flughafen von N’Djamena. Und was seine Zusicherungen betrifft, so dürfte es sich dabei um viel heiße Luft handeln. Aber der politische Punkt wurde gesetzt, egal ob es sich nun um ein neues Afrika-Programm oder eher doch um fromme Sprüche handelt.

Ungemach droht Frankreich unterdessen aus einer anderen Ecke. Der seit 41 Jahren amtierende und damit dienstälteste afrikanische Präsident, Omar Bongo Ondimba, unumstrittener Herrscher über den Ölstaat Gabun, zürnt. Der Grund dafür ist, dass im Februar und Anfang März erstmals zwei gabunesische Staatsbürger von französischem Boden aus abgeschoben wurden. Bislang waren die Bürger des erdölreichen und mit nur 1,2 Millionen Einwohnern bevölkerungsarmen Staats, die zumindest für afrikanische Verhältnisse in der Regel relativ wohlhabend sind, von den hässlichen Seiten der französischen Einwanderungspolitik verschont geblieben. Nun fühlt sich die Bevölkerung in Gabun, wo es zu Protestdemonstrationen kam, erstmals betroffen.

Hinzu kam eine Woche später die Ausstrahlung einer Reportage im öffentlich-rechtlichen französischen Fernsehen über den Immobilienbesitz Omar Bongos in Paris, wo der Potentat allein 33 Villen besitzt. Omar Bongo kündigte an, französische Geschäftsleute, die ohne gültigen Aufenthaltstitel in Gabun wohnen, nun seinerseits abzuschieben. Dafür erhielt er von vielen Afrikanern, die sich zumindest amüsiert zeigen, Applaus.