Feminismus und Popkultur

Arbeit ist keine Party

Die Popkultur ist das neue Aktionsfeld des Feminismus. Doch sollte sich der Popfeminismus nicht in seiner Nische einrichten, sondern seine Möglichkeiten für die Abschaffung des kapitalistischen Reproduktionszusammenhangs nutzen.

Die kapitalistischen Produktionsverhältnisse mögen öde sein, die daran angeschlossenen Arbeitsverhältnisse zum Kotzen. Die vergangenen Kämpfe gegen Arbeit und Kapital mögen mit wehenden Fahnen im Gewerkschaftsmatsch stecken geblieben sein und die identitären Auseinandersetzungen im Gender Mainstreaming; aber kann der Rückzug auf die popkulturellen Oberflächen die Kämpfe wieder radikalisieren?

Pop ist zwar als Symptom der erweiterten Reproduktion ein großartiger Ausgangspunkt für die notwendige politische Praxis, aber warum sollte sich Feminismus vom Pop aus bestimmen? Um in den Oberflächenstrukturen kapitalistischer Re­produktion besser repräsentiert zu sein? Um Alternativen anzubieten? Um anschlussfähiger zu werden? Um sich eine Nische im System zu erkämpfen, von der aus dann widerspruchsfreier zu kämpfen ist?
Im Popfeminismus bestimmt der Pop das Aktionsfeld, auf dem der Feminismus sich formiert. Dieses Leben im Pop kann dem feministischen Begehren sowohl zum Vorteil wie zum Nachteil werden. Zum Vorteil wird es dort, wo der Feminis­mus den Pop nicht für den coolsten Platz im Kapitalismus hält, sondern als selbst gewählten Aus­gangspunkt der eigenen Praxis begreift. Die Frage, die sich an dieser Stelle herauskristallisiert, ist: Man hat der politischen Aktion einen Weg in die Kultur gezeigt, aber wie kommt man da wieder heraus?
Als Spartenphänomen innerhalb der kapitalistischen Welt hat Pop keinen an sich progressiven Charakter. Versteht man ihn jedoch als historischen Status der kulturellen Reproduktionsverhältnisse, als Symptom der Kulturalisierung der kapitalistischen Produktion im Postfordismus, er­öffnet er eine Massenbasis.
Zum Nachteil wird Pop für den Feminismus dort, wo er seine Rolle im Spartenprogramm annimmt und hilflos zusieht, wie seine Codes für andere Sparten gewinnbringend in Affirmation gewendet werden. Trotzdem trägt auch Pop ein Allgemeines an sich, das, mit Karl Marx gesprochen, die Mittel zu seiner eigenen Abschaffung be­reitstellt. Wie allem im kapitalistischen Reproduktionszusammenhang kann man auch dem Pop nur seine Abschaffung von Herzen wünschen.
So sehr eine Nischenexistenz im Pop zunächst ein wenig Entspannung von der Einsicht in die Brutalität der Verhältnisse verspricht, so sehr erfüllt sie jene Funktion, die das Spartenprogramm in der pluralen, kulturalisierten Ökonomie hat. Die Nische setzt sich selbst in ein fest definiertes Verhältnis zum Mainstream, das in der dominanten politischen Ökonomie nur in den Begriffen der Konkurrenz zu beschreiben ist. In jenem Konkurrenzverhältnis bleibt den Protagonistinnen nicht viel mehr, als Alleinstellungsmerkmale auszubilden, in denen Devianz, Politizität und Militanz von vornherein mit der Goldwaage abgemessen und jederzeit abfragbar gemacht werden.

Das Begehren darf aber beim eigenen Fach in der Indie-Ecke nicht aufhören. Es muss den ganzen Laden übernehmen. Denn sonst macht auch das Kleinbürgertum, von dem man sich auf diesem Weg trennen wollte, so völlig alleingelassen nichts anderes als zuvor, nämlich weiter. Wie also aufhören mit dem Weitermachen?
Geht man, mit Adorno, davon aus, dass die fortschreitende Vergesellschaftung aller Lebensbereiche unter dem Kapitalismus als Ordnung aller Punkte gleich nah zum Zentrum zu bezeichnen ist, so hat das weit reichende Folgen für die daraus resultierende Praxis. Denn dieses Zentrum selbst ist kein Ort, sondern ein Verhältnis, der Wert, diejenige abstrakte Größe, die die gesellschaftliche Vermittlung herstellt. Das gilt nicht nur auf ökonomischer Ebene und im Angesicht der Arbeitsteilung, sondern ebenso auf kultureller Ebene und im Angesicht der Vermittlung der Subjekte und Objekte. Für die Frage, von wo aus im politischen Kampf gegen die Gesellschaft der Schlag am besten angesetzt werden kann, bedeutet das praktischerweise: überall. Von jedem Punkt der Gesellschaft aus lässt sich das Allgemeine ansteuern, von jedem Punkt aus kann das Begeh­ren über sich hinauswachsen und von jedem Punkt aus lässt sich nicht mehr nur die Konsolidierung, sondern die radikale Rekonstituierung fordern. Eine radikale Kritik der Gesellschaft kann ebenso an der Dekonstruktion des Sexes ansetzen wie an der des Staates. Beide jedoch müssen sich stets über die Produktionsverhältnisse, die sie miteinander verbinden, vermitteln.

Betrachtet man die queere Popkuschelecke durch die weniger rosa gefärbte Brille der politischen Ökonomie, so manifestiert sich einfach nur ein neues Feld, dessen identitäre Zuschreibungen vielleicht befreiter riechen, dessen Infrastrukturmaßnahmen sich aber oft an Subsistenz­wirt­schaf­ten der gehypten Alternativökonomien orientieren. Dass man aber mit diesen Formen der Kleingärtnerei, seien sie noch so gut gegendered, die geschlechtliche Monokultur nicht angreifen kann, beweist ein kurzer buchhalterischer Blick. Zwar ist es ganz wundervoll, wenn ›wir‹ erkannt haben, dass die ganze Gesellschaft eigentlich queer ist, aber für die Praxis bedeutet das erst mal gar nichts. Schließlich weiß man auch seit mehr als hundertfünfzig Jahren, dass der Kapitalismus ten­­­­denziell krisenhaft ist und nicht zum Wohle der Menschheit produziert, aber er reproduziert sich trotzdem auf stetig erweiterter Stufenleiter, während statt seiner ein Großteil der Menschheit im Staub kriecht.
Die kapitalistische Krise treibt man aus der Nischenexistenz keineswegs voran. Ist es nicht viel eher so, dass das Beackern eines eingehegten, queeren Darkrooms das Feld für eine Subsumierung unters Kapital erschließt und für die Warenform fit macht? Je expliziter der Differenzfun und je homogener die Zielgruppe, desto wirksamer sind die Versuche, eben jenes hippe, neue Feld mit attraktiven Angeboten ökonomischer Teilhabe zu gentrifizieren, und desto konsequenter ist die Selbstgentrifizierung der Kleingruppen­existenz.
Dagegen ergibt es Sinn, sich das Verhältnis von Arbeit und Party anzugucken, denn deren im Popfeminismus vielfach imaginierte De­ckungs­gleichheit funktioniert nicht. Man trifft die Partycrowd in der Lohnarbeit wieder, aber nicht notwendig die Lohnarbeiter in der Partycrowd. Und auch hier gilt es den Gebrauchswert, den die Partycrowd in der kapitalistischen Reproduktion hat, nicht zu unterschätzen. Denn wenn sich die Partycrowd in der Lohnarbeit wiedertrifft, knallen die Korken und kulturelles Kapital ergießt sich in Strömen über alle Beteiligten. Tauchen hingegen die Lohnarbeiter mit ihren Softcore-Ressentiments in der Partycrowd auf, dann werden sie als Prolls und Macker beschimpft, die Anticommerzialista-Fahne wird gehisst und der gute alte Underground zurückromantisiert. Was also tun mit den Uncoolen und Überarbeiteten? Nicht befreien? Solidarität funktioniert nicht klientelgebunden, sondern nur wenn die Produktion ihre Basis ist. Emanzipieren müsste sich die Produktion, nicht die Produkte.
Eine negative Verallgemeinerung der eigenen Szene führt eben nicht nur in die verlockende Sozialkolchose, sondern ebenso in die soziale Repression gegen das um sich herum konstruierte Außen. Eine positive Verallgemeinerung verlangt dagegen, dass man es sich zumutet, allgemein werden zu müssen und Widersprüche ins Extrem zu treiben, statt sie aus sich auszusondern.

Popfeminismus ist lediglich Feminismus im Angesicht der erweiterten Kulturindustrie, und da muss man dann doch mit Judith Butler sagen: »feminism comes first.« Trotz allem queeren Distinktionsgewinn und aller genderawareness ist es immer noch so, dass die bürgerliche Gesellschaft auf Gewaltverhältnissen basiert, die die kapitalistische Reproduktion sichern. Feminismus ist notwendig, weil es ein funktionales Interesse am weiblich identifizierten Körper gibt, das in der Reproduktion besteht und von Traditionen, Resten unmittelbarer Herrschaft und Residuen vormoderner Werte getragen wird. In der absurden Welt der Frauen, Männer, Mädchen und Jungs kursiert weiterhin die Vorstellung vom problemlosen Zugriff auf den weiblich identifizierten Körper und von der Reproduktion als Selbstzweck. Aus diesem Grund muss die Reproduktion der Ausgangspunkt der eigenen Radikalisierung bleiben, ob im Pop oder im Feminismus. Die eigene Reproduktion muss stets von der Produktion aus politisiert werden.