In Rom will ein ehemaliger Neofaschist Bürgermeister werden

Neuer Marsch auf Rom

Nach dem Desaster der Linken bei den Parlamentswahlen droht nun auch noch ein Rechtsruck bei den Bürgermeisterwahlen in Rom – ein Ruck nach ganz rechts.

»This is the end.« Nach den ersten Hochrechnungen waren im römischen Hard Rock Café, das die Linke als Wahllokal angemietet hatte, die Lich­ter angegangen und die Musikanlage ausgestellt worden. Doch die düsteren Klänge der Doors-Hymne hingen noch tagelang schwer über der Hauptstadtlinken.
Vor allem in der Via del Policlinico, wo die Rifon­dazione ihre Zentrale hat, hallten die Akkorde nach. Da Fausto Bertinotti noch am Wahlabend wie angekündigt zurückgetreten war, wurden Wut und Enttäuschung an den vermeintlichen Nachfolgern des Parteivaters ausgelassen. Sogar die Jungen Kommunisten wurden wegen ihrer besonderen Verbundenheit mit Bertinotti als »Berti-Boys« verhöhnt. Nach einer Woche parteiinterner Machtkämpfe trat die Parteiführung schließlich geschlossen zurück. Auf den unteren Ebenen des Parteiapparats überwogen gegen­über den politischen die rein existenziellen Sorgen: Mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der abgewählten Parlamentsfraktion werden plötzlich nicht mehr gebraucht. Sie haben in der Wahlnacht nicht nur ihre Fraktion, sondern auch ihren Job verloren.
Für die Linken, die keine Parteilinie zu verteidigen haben, stellen sich nach diesem Wahlergebnis Fragen von größerer gesellschaftspolitischer Relevanz. Die Redaktionssitzungen der unabhängigen Tageszeitung il manifesto waren vorige Woche so gut besucht wie lange nicht, die Auflagenzahl hat sich kurzfristig verdoppelt. Das Bedürfnis zu verstehen, wie es zu einer Niederlage dieses Ausmaßes kommen konnte, ist groß. Vor allem stellt sich die Frage, warum man vom Wahlausgang überrascht wurde, warum die Vertreter der Gewerkschaften und die eigenen Korrespondenten vor Ort nicht schon während des Wahlkampfs die Stimmung zu deuten gewusst hatten. Im Nachhinein scheint es, als habe sich die parteiunabhängige Linke von den territorial organisierten Protestaktionen im Norden blenden lassen und dabei aus dem Blickwinkel verloren, dass die Mehrheit der Bevölkerung und damit auch ein beträchtlicher Teil der vermeintlich linken Klientel dazu neigt, eine xenophobe, rassistische Partei zu wählen.

Wie weiter? Für die römische Linke eine Frage, die keinen Aufschub duldet: Am kommenden Sonntag finden die Stichwahlen um das Amt des Ober­bürgermeisters von Rom statt. Allen nationalen Verwerfungen zum Trotz tritt auf kommunaler Ebene das alte Mitte-links-Bündnis mit vereinten Kräften an. Im besetzten Esc-Atelier in San Lo­renzo sowie in den meisten anderen Centri So­cia­li der Stadt macht man sich keine Illusionen. Der gesellschaftliche Rechtsruck ist kein Phänomen, das sich auf den Norden beschränkt, außer­dem ist das rechte Lager nach dem überragenden Sieg bei den Parlamentswahlen wie beflügelt.
Wenn das so genannte römische Laboratorium, die Jahrzehnte währende linksliberale Stadtverwaltung nicht in die Hände der Rechten fallen soll, muss der demokratische Kandidat Francesco Rutelli trotz seiner vatikanfreundlichen Haltung, seiner römisch-katholischen Moralvorstellungen, seiner dem Zeitgeist entsprechenden sicherheitspolitischen Rhetorik unterstützt werden. Das heißt, dass die Linken in Rom das gescheiter­te und schon in Auflösung befindliche Regenbogenbündnis wählen müssen.
Eigentlich ein Witz, doch zu lachen gibt es dabei nichts. Denn Gianni Alemanno, der Gegenkan­didat, ist ein ehemaliger Militanter des inzwischen aufgelösten neofaschistischen MSI, gehört seit jeher zum rechten Flügel der Alleanza Na­zionale (AN) und unterhält beste Verbindungen zur Partei La Destra, die sich erst vor wenigen Monaten von der AN abgespalten hat und in der Hauptstadt in engstem Kontakt zu offen neofaschistischen Gruppierungen und Studentenorganisationen steht. Allein aus Rücksicht auf die in der jüdischen Gemeinde Roms lautgewordenen Proteste verzichtete Alemanno auf ein offenes Wahlbündnis mit der extremen Rechten.

In Anbetracht der Gefahr, dass tatsächlich ein ehemaliger neofaschistischer Schläger zum Bürgermeister gewählt wird, hat der 25. April, der nationale Feiertag zum Gedenken an die Befreiung von Faschismus und deutscher Besatzung, in diesem Jahr eine ganz besondere Bedeutung bekommen. Traditionsgemäß organisiert die nationale Partisanenvereinigung Anpi zusammen mit römischen Basisgruppen eine Demonstration. Doch anders als in den vergangenen Jahren will sich die Linke zwei Tage vor der entscheidenden Stichwahl dort vereint und in großer Zahl präsentieren. Dabei geht es ihr nicht nur darum, dem Vormarsch der Rechten die Traditionen des italienischen Antifaschismus entgegenzusetzen, sondern auch darum, Rutelli ein deutliches Signal zu geben: Ohne die radikale Linke kann die demokratische Partei das rechte Lager nicht besiegen, nur dem alten, ungeliebten Mitte-Links-Bünd­nis kann es gelingen, die römische neofaschistische Rechte zurückzudrängen.