Die Niels-Ruf-Show

Hilfe, Ruf!

Was taugt eigentlich die Niels-Ruf-Show?

Niels Ruf, der bis 2001 Moderator bei Viva 2 war und es mit seinen gnadenlosen Attacken auf intellektuell völlig Wehrlose immerhin zum Status eines deutschen B-Prominenten brachte, ist nun Late-Night-Talker. Genauer gesagt ist er dies – von der Öffentlichkeit mehr oder weniger unbemerkt – schon seit zwei Jahren im Bezahlfernsehen auf Sat.1 Comedy. Seit kurzem kommt jetzt auch die Unterschicht in den Genuss seiner Show: Die von seiner eigenen Produktionsfirma – »Weltruf« – produzierte Sendung rutschte ins reguläre Freitagabendprogramm von Sat.1
Bemerkenswert ist, dass es Ruf nach mitt­lerweile sieben Jahren, die seit seinem Rausschmiss bei Viva 2 vergangen sind, geschafft hat, einigen Leuten immer noch ein Begriff zu sein. Dunkel erinnert man sich an seine Sendung namens »Kamikaze«, an seine sexistischen Ausfälle und den spätpubertären Spaß, den man als Zuschauer dabei hatte. Mit etwas Abstand betrachtet, erscheint einem die damalige Show wie ein typisches Produkt des Musikfernsehens: eine Synthese aus Avantgarde und dem Schlimmsten, was die Popkultur je hervorbringen konnte. Zu den traditionellen Aufgaben des Musikfernsehens gehört es eben, neue, unkonventionelle Dinge zu wagen und gleichzeitig unsere Gesellschaft auf das Unheil vorzubereiten, das in den nächsten Jahren seitens der Mainstream-Medien auf einen hereinbrechen wird. Ruf schaffte beides. Als Fan einigte man sich bei ihm im Geschmack auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: den Zynismus. Und Ruf war – so viel muss man heute zugeben – in diesem Bereich seiner Zeit schlichtweg ein paar Jahre voraus.
Schlechte Kritik kam meist von Seiten der Boulevardpresse, während der Rest sich erstaunlich still verhielt. Kritisierte man Ruf, wurde man von seinen Fans auch schnell als Langweiler, als dogmatischer Verfechter einer öden Political Correctness in die Reihe der Radikalfeministinnen und moralischen Spießer gestellt. Und wer möchte schon so ein Spielverderber sein? Das Attribut der politischen Unkorrektheit wurde hingegen zu einer Auszeichnung künstlerischer Größe, zu etwas Neuem und Rebellischem stilisiert. Rebellion impliziert allerdings auch immer etwas, wogegen man rebelliert. Doch dies gab es nicht. Wie in den meisten Fernsehsendungen ging es um nichts.
Das, was das Ganze halbwegs unterhaltsam machte, waren Rufs autoritäre Sprüche, die, gepaart mit seiner Arschloch-Attitüde, an niedere humoristische Instinkte appellierten. Zugegeben, es gab ein paar gute Momente: Vor laufender Kamera zu verkünden, man gehe zu einer Buchvorstellung von Sabine Christiansen, während man sich dann in einer Pornospelunke bei einer Performance von Gina Wild wiederfand, hatte in der Tat eine groteske Komik, die auch den bornierten Moralisten ihr verkniffenes Lächeln abnötigte. Nach eigener Aussage war seine Sendung eben die »Fuck-You-Show« des deutschen Fernsehens, eine Antwort auf die achtziger Jahre. Man fragt sich dennoch, inwieweit das autoritäre Gehabe, das Ruf zu persiflieren vorgab, durch die Sendung glorifiziert wurde. Bedient wurde der Wunsch danach allemal. Es ist zugegebenermaßen auch schwierig, etwas parodieren zu wollen, dessen eigenes Produkt man ist. Letztlich war es eine Falschmeldung, die seine temporäre mediale Verbannung einleitete: Er habe sich über eine krebskranke Kollegin lustig gemacht. Vor Gericht bekam er gegenüber der Bild-Zeitung zwar Recht, effizient war die Springer-Kampagne dennoch.
Nach diversen Karrieretiefpunkten gab es nun das Comeback. Nachdem man sich seine neue Show aber angesehen hat, fällt es schwer zu glauben, dass es tatsächlich Menschen gegeben haben muss, die bereit waren, dafür auch noch zu bezahlen. Jedenfalls ist das deutsche Fernsehen wieder um ein weiteres Jay-Leno-Derivat reicher, das sich bis auf ein paar kleine Brüche streng innerhalb der vorgegebenen Dramaturgie bewegt: zu Beginn ein kleiner Monolog des Moderators, das Stadtpanorama, der dezente Maßanzug, schlechte Gags und noch langweiligere Gäste. Bereits nach der ersten Minute war einem klar, dass über allem die Aura des Gescheiterten lag. Durch den vorgeplanten Ablauf seiner Spontaneität beraubt, ist nicht mehr viel von dem Ruf übrig, den man in Erinnerung hatte. Nicht, dass es ein Verlust wäre. Inhaltlich stehen das »Kamikaze-Fernsehen« von damals und der »Talk« von heute sowieso auf derselben Ebene. Der Unterschied besteht nur darin, dass man früher mit den Gästen Mitleid hatte und heute mit dem Moderator. Die abgelesenen Witze und das künstliche Lachen lösen in einem selbst ein Gefühl von Peinlichkeit aus. Das, was Comedy und Witz sein soll, erstickt auf dem Weg ins eigene Wahrnehmungszentrum. Die Folge ist bestenfalls ein kurzer Lachimpuls, der nach dem Bruchteil einer Sekunde wieder im Nichts erlischt. Da halfen auch nicht die pubertären Anspielungen auf das Image früherer Tage. Alles in allem scheint Sat.1 also einen würdigen Nachfolger für Harald Schmidt gefunden zu haben.
Trotz allem gab es in der Sendung zwei Lichtblicke: das in Rufs Schreibtisch integrierte Aquarium und vor allem die Anwesenheit der Hündin Paula. Während die Bühnenpräsenz der Goldfische doch etwas statisch war – der Raum des Aquariums ist nun mal begrenzt –, entfaltete Paula mit ihrer darstellerischen Leistung eine ganz eigene Dynamik. Das unerwartete Herunterspringen vom Sessel auf den Studioboden war zweifelsohne einer der Höhepunkte der Show. That’s entertainment!