Die NPD bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein

Nordisches Scheitern

Wegen des Wegfalls der Fünf-Prozent-Klausel hatte sich die NPD einen Erfolg bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein erhofft. Doch sie muss sich mit weniger Mandaten als erwartet zufrieden geben.

Zwei von vier – eigentlich hatte sich die NPD, die Bundes- wie die Landesführung, mehr Mandate erhofft. In vier Kreisen war sie angetreten. Am vergangenen Wochenende erlangte die Partei bei der schleswig-holsteinischen Kommunalwahl aber doch nur zwei Mandate. In Kiel zog Herman Gutsche für die Partei in den Stadtrat, im Herzogtum Lauenburg schaffte es Kay Oelke in den Kreistag.

Bei der Wahl der Stadt- und Gemeindevertretungen galt die Fünf-Prozent-Hürde nicht mehr. Am 13. September 2007 hatte das Bundesverfassungs­gericht einer entsprechenden Klage der Grünen und der Linkspartei stattgegeben. Noch am selben Tag erklärte der NPD-Landesverband um Uwe Schäfer, die Wähler müssten nun »nicht mehr ihre Wahlentscheidung davon abhängig machen«, ob »die favorisierte Partei eine Chance« habe, die Hürde zu überspringen. Der Bundesvorsitzende Udo Voigt hatte gar von einer »NPD-Hürde« gesprochen. Der Landesverband gab sich ganz selbstsicher: Die »etablierten Parteien« müssten sich damit abfinden, »dass auch im schleswig-holsteinischen Parlament Vertreter der NPD einziehen werden«.
Am Wahlsonntag, dem 25. Mai, zögerte der etwa 240 Mitglieder zählende Verband, als es um eine öffentliche Erklärung ging. Erst am Nachmittag des darauf folgenden Tages gab er eine Presseerklärung heraus. »Liebe Schleswig-Holsteiner«, hieß es in ihr, »bei der Kommunalwahl haben Nationaldemokraten erstmals seit vielen Jahren wieder zwei Mandate in Schleswig-Holstein gewonnen«. Eine Bewertung blieb aus. Der NPD-Bundessprecher Klaus Beier sprang aber ein. »Erfreulich ist, dass wir in der Landeshauptstadt einen Fuß in der Tür haben«, hob er hervor. Doch er musste einräumen: »Natürlich wären wir gerne in allen Kreisen, wo wir angetreten sind, auch eingezogen.« Denn auch in Schleswig-Holstein soll der kommunale Einfluss in den Vereinen, dem Gemeindeleben und eben auch in den Kommunalparlamenten verstärkt werden, um landespolitische Bedeutung zu gewinnen. Für den Wahlkampf hatte die NPD indes ihre Kräfte realistisch eingeschätzt. In dem Flächenbundesland war sie alleine in Kiel, im Herzogtum Lauenburg, in Nordfriesland und in Ostholstein angetreten.

Bereits am Tag vor der Wahl demonstrierten in der Landeshauptstadt über 1 500 Menschen gegen einen möglichen Wahlerfolg der Partei. Unter dem Motto »Im Kieler Rathaus ist kein Platz für die NPD« hatte der »Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus« zum Protest aufgerufen.
Denn in der Landeshauptstadt hatten zu Beginn des Wahlkampfes offenbar Neonazis mehrere Attacken verübt: Mit großen Steinen waren die Schaufensterscheiben des Buchladens »Zapata« zerstört worden. Scheiben waren auch bei der Arbeitsloseninitiative in der Iltisstraße, einem Kinderladen und einer Wohnung zu Bruch gegangen. Vor der Alten Meierei hatten Unbe­kann­te randaliert. Und die NPD und »Freie Kameradschaften« hatten in Kiel die Multimedia-CD »Hier ist der Schreck aller linken Spießer« und Flugblätter verteilt.
Auf der Landesliste kandidierten Partei- und Kameradschaftsanhänger. Dass erneut Straftäter für die NPD antraten, hielt der Wahlkampfleiter Jens Lütke wohl nicht für hinderlich. Er bat die Partei, den Kandidaten zu helfen, damit »die ersten Nationalisten in den Räten auf den Tisch hauen und den Etablierten auf die Finger schauen können«. Aber nicht bloß jüngere Kandidaten wie Matthias Lehnecke, der Betreiber des Versands »Stimme des Nordens«, sind bisher polizeilich auffällig geworden. In Tönning hoffte der 1959 geborene Jürgen Töpke auf Stimmen. 1978 war er dabei, als in Husum eine rechtsextreme Gruppe ein britisches Militärfahrzeug überfiel. Sie erbeutete Telefonlisten und Raketencodes, mit denen sie versuchte, den »Stellvertreter des Führers«, Rudolf Heß, aus der Haft freizupressen.

Vielleicht hat sich die Partei mit diesen Kandidaten verschätzt. Zumindest sah sich dieses Mal die »Mitte der Gesellschaft« kaum dazu veranlasst, bei der NPD ihr Kreuz zu machen. »Klasse statt Masse« sei nötig, urteilte Voigt vor kurzem in einem Interview mit dem rechtsextremen Theoriemagazin Hier & Jetzt. Schon seit seinem Amtsantritt ermahnt er die Partei: »Bürgernähe zeigen!«
Auf dem Land hatte man nur wenige Wahlplakate aufgehängt, etwa mit dem Slogan: »Aus die Maus – Die Schonzeit für Abzockparteien ist vorbei«. Die zurückhaltende Plakatierung hatte die NPD aber angekündigt. »Warum Sie von uns keine Plakate sehen«, verkündete die NPD in ihrer »Deutsche Stimme-Sonderausgabe zur Kommunalwahl«. Sie führte aus: »Wir möchten Sie mit Sachargumenten (…) von uns überzeugen.«
Den Wahlkampf führte der Landesverband ganz im Sinne des Bundesverbands mit lokalen Themen. Kurz vor dem Wahlsonntag tuckerte die NPD mit einem Lautsprecherwagen durch die Wahlkreise. Bemüht versuchte der NPD-Spitzen­kandidat Oelke, im Herzogtum Lauenburg ins »Bürger­ge­spräch« zu kommen. »Nach monatelangem Streit um die Beförderung für Schüler im Kreis hat man sich plötzlich geeinigt – und gibt ihnen einen Teil ihrer Steuergelder zurück«, klagte er und warnte vor den »Geschenken« vor der Wahl. Dazu verteilte die Partei Flugblätter zu regionalen Themen. In Kiel beklagte sie, dass die verantwortlichen Politiker 1985 den Betrieb der Straßenbahn eingestellt hatten und nun ein S-Bahn-Netz planten. Von »Chaospolitik« redete die NPD. In Ostholstein sorgte sie sich in einem Flyer um die Folgen des Ausbaus des Müllheizkraftwerks in Neustadt. »Gegen den ausdrücklichen Willen der Anwohner und aller Parteien hat der Kreistag am 30. Januar einer Erweiterung zugestimmt«, empörte sich die NPD.

Zumindest Oelkes Tour scheint einige Wähler angesprochen zu haben. Er erzielte das höchste Ergebnis für die Partei: 1 668 Stimmen und damit 2,1 Prozent im Herzogtum Lauenburg. In Kiel zog Gutsche knapp mit 1,7 Prozent in den Stadtrat. Das entspricht 1 478 Stimmen. Der Bundesvorsitzende der Kommunalpolitischen Vereinigung der NPD, Hartmut Krien, polterte angesichts des Ergebnisses dennoch drauflos: »Wenn sich die Etablierten vielleicht einbilden, sie hätten mit zwei ›Einzelkämpfern‹ in den Kommunalparlamenten leichtes Spiel, so täuschen sie sich.«